Agrarwirtschaft Hilfe für den Handel

Die FDP-Politikerin Carina Konrad über Konsequenzen aus dem Krieg, die Notwendigkeit einer Finanzierung des Umbaus in der Tierhaltung und die Zukunft des Einzelhandels.

Montag, 16. Mai 2022 - Fleisch
Jens Hertling
Artikelbild Hilfe für den Handel

Was ändert der Krieg in der Ukraine an Ihren agrarpolitischen Zielen?
Der Krieg ändert erst mal nichts an unseren agrarpolitischen Zielen, aber er ändert die Bedeutung von Ernährungssicherung, die leider aus dem Fokus geraten ist in den letzten  Jahren.  Die Lieferketten der Agrar- und Ernährungswirtschaft waren vor dem Krieg schon gestört, dieses Problem wird sich durch den Krieg noch verschärfen.

Erwarten Sie, dass damit die Sicherung der weltweiten Ernährung auch bei uns wieder eine neue Bedeutung erhält?
Die weltweite Ernährung war schon vor dem Krieg nicht gesichert. Mehr als 100 Millionen Menschen hungern weltweit. Es ist zu befürchten, dass sich diese Situation durch den Krieg dramatisch verschärft, weil Russland und die Ukraine als Exporteure ausfallen. Wir erleben deshalb aktuell eine Zeitenwende. Ich bin davon überzeugt, dass wir die Bedeutung der Ernährungssicherheit neu bewerten müssen. Die Krise hat deshalb auch eine Debatte über den Kurs der Landwirtschaft ausgelöst. Der Aspekt der Ernährungssicherheit muss jetzt wieder ins Zentrum der Agrarpolitik gerückt werden.

Die hohen Erzeugerpreise stellen nicht wenige Erzeuger vor große Herausforderungen. Soll die Bundesregierung hier einspringen?
Die Herausforderungen für die gesamte Lieferkette durch den Krieg sind enorm. Auch für viele Händler, die jetzt zum Beispiel leere Mehlregale haben. Im Moment haben wir aber keine Knappheit. Entlastungen sind hier wichtig. Deswegen hat die Bundesregierung bereits zwei Entlastungspakete auf den Weg gebracht, vor allem die steuerlichen entlasten die breite Gesellschaft. Wir müssen hier schnell nach Lösungen suchen - das ist hier das Gebot der Stunde.

Die Ampel-Koalition will offenbar 1 Milliarde für den Umbau der Tierhaltung im Bundeshaushalt festschreiben. Mit dem Geld sollen Investitionen in Tierwohl-Ställe unterstützt werden. Wie denken Sie darüber?
Die FDP stellt sich hinter die Mehrausgaben für die Tierhaltung im Bundeshaushalt. Im kommenden Haushalt des Agrarressorts brauchen wir eine deutliche Mittelverstärkung für Investitionen in landwirtschaftliche Unternehmen. Durch akute Probleme wie die Corona-Pandemie und die Afrikanische Schweinepest stehen aktuell insbesondere die tierhaltenden Betriebe vor großen Herausforderungen.

Der Verbraucher fordert höhere Standards, wirft seine guten Vorsätze an der Ladenkasse dann aber schnell über Bord. Wie wollen Sie dieses Problem lösen?
Die Lösung wäre die Einführung eines Tierhaltungskennzeichens. Ausreden wären dann nicht mehr möglich, weil der Kunde im Supermarkt sofort erkennt, wie die Tiere gehalten wurden. 

Was will die FDP für den Handel erreichen?
Der Handel steht ebenfalls vor großen Herausforderungen, vor allem durch das angesprochene Problem der Lieferketten, aber auch den Fachkräftemangel. Der stationäre Einzelhandel hat durch den Corona-Lockdown besonders gelitten. Es drohen verödete Innenstädte, eine vielerorts fehlende Nahversorgung sowie massenhaft Geschäftsaufgaben mit enormen Arbeitsplatzverlusten. Der Einstieg in eine Abwärtsspirale ist möglich. Wir brauchen eine kraftvolle Unterstützung des Einzelhandels: Für den stationären, oft inhabergeführten Fachhändler muss es eine zielgerichtete Förderung bei der Digitalisierung und der Stärkung von hybriden Einkaufsformaten geben. Innenstädte müssen durch eine gemischte Nutzung gestärkt werden. Mitarbeiter- und Fachkräftemangel ist auch im Handel, wie in allen Branchen, ein großes Thema. Ein Thema wäre zum Beispiel die Flexibilisierung der Ladenöffnungszeiten.

Welche aktuellen ernährungspolitischen Themen sind für Sie eine Herzensangelegenheit?
Im Bereich Ernährungsbildung sollten wir viel schneller vorankommen. Das Thema "Ernährungsbildung" sollte in der Schule eine größere Rolle spielen. Kitas und Schulen müssen hier für die Zukunft noch besser aufgestellt werden. Leider wird in den Haushalten viel zu wenig mit den Kindern über eine gesunde Ernährung gesprochen.

Welche Themen noch?
Das Thema Lebensmittelverschwendung liegt mir am Herzen. Rund zwölf Millionen Tonnen Lebensmittel werden in Deutschland jedes Jahr entlang der Lebensmittelversorgungskette als Abfall entsorgt. Wenn wir uns des Wertes unserer Lebensmittel und des Ressourcenverbrauchs bei ihrer Herstellung bewusst sind, werfen wir sie nicht achtlos weg. Für mich fängt die Verschwendung schon auf dem Acker an, indem wir zu genau schauen, wie schön rund der Apfel oder wie gerade die Gurke ist, noch bevor sie in die Produktionskette gelangen.

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