Aus dem Geschäft mit klassischen deutschen Wurstwaren hat sich die Schweizer Bell Food Group vor zwei Jahren verabschiedet. Die Marke Zimbo, bis dahin von Bell Deutschland geführt, wurde an die Zur-Mühlen-Gruppe (ZMG) abgegeben. Stephan Holst, Marketingleiter von Bell Deutschland, nennt als Grund für den Verkauf: „Wir wollen uns dort fokussieren, wo wir stark sind. Bei Wurst waren wir in Deutschland nur ein kleiner Marktteilnehmer. Deshalb wurde die Entscheidung getroffen, sich darauf zu spezialisieren, wo wir gut und stark unterwegs sind.“ Holst weiter: „Bell konzentriert sich damit auf sein Kerngeschäft, den Markt für Rohschinken. In dem Bereich haben wir viel getan und wir sind gut aufgestellt.“ Dass die Entscheidung für den Rohschinken in Deutschland richtig war, zeigen die Zahlen des Marktforschungsinstituts GfK. Demnach ist die Bel-Marke Abraham die Nr. 1 der Herstellermarken in Deutschland bei Rohschinken (GfK Consumer Panel, Umsatz 2020).
Rohschinken entwickelt sich gut
Bell profitiert auch von dem allgemeinen Trend zum Rohschinken. Laut einem führenden Marktforschungsinstitut ist der Umsatz von SB-Rohschinken im vergangenen Jahr um 8,9 Prozent gestiegen. Ein weiterer Effekt: Wegen der Gastronomie-Schließungen wird mehr privat gekocht. Davon profitieren Schinkenwürfel und -streifen mit einem Plus von über 21,3 Prozent – im Vergleich legt die SB-Wurst um 11,1 Prozent zu. „Zu Hause kochen liegt im Trend, und das hat Corona erheblich verstärkt. Als eine vielfältig einsetzbare Zutat für verschiedene Gerichte ist der Schinkenwürfel deshalb in diesem Jahr stark nachgefragt worden“, so der Marketingleiter. Die Kategorie Rohschinken wachse aber nicht von selbst, „das muss man koordinieren und managen“, so Holst. Bell biete den Handelspartnern deshalb „ausgefeilte Programme an“.
Serrano-schinken liegt im Trend
Mit dem Serrano-Schinken hat Bell einen lang anhaltenden Trend in Deutschland entdeckt. Die Sehnsucht nach der Ferne sei weiter ungebrochen, so Holst. Dies zeige sich auch bei der Ernährung. „Wir verzeichnen eine hohe Nachfrage nach spanischem Serrano-Schinken. Das ist aber letztlich wenig überraschend, wenn man bedenkt, dass Spanien Reiseziel Nummer eins der Deutschen ist. Wer aus dem Urlaub zurückkehrt oder in diesem Jahr auf die Spanien-Reise verzichten muss, möchte spanisches Lebensgefühl zu Hause erleben“, sagt Holst. Insofern sei es eine kluge Entscheidung gewesen, bereits 2005 mit einer eigenen Produktionsstätte in Spanien die Produktion für den deutschen Markt selbst in die Hand zu nehmen. Mittlerweile sind es drei Fabriken in Spanien für Schinken und spanische Wurstwaren, die organisatorisch ebenfalls zu Bell Deutschland gehören. „Die Deutschen sind bei Rohschinken sehr viel aufgeschlossener als andere Nachbarländer“, so Holst. So ist es auch nicht verwunderlich, dass sich Serrano-Schinken im Umsatz im Vergleich zu 2019 um 5,4 Prozent erhöht hat. Laut Marktforschung wird hierzulande jährlich für rund 70 Millionen Euro Serrano-Schinken in Selbstbedienung verkauft. „Bei diesen Zahlen ist zu bedenken, dass es sich nur um SB-Umsätze im Retail handelt. Die Thekenverkäufe und der Außer-Haus-Konsum sind nicht inkludiert, sodass ich den Endverbraucherumsatz mit Serrano in Deutschland auf über 100 Millionen Euro pro Jahr schätze. Auch hier spielt der Schinkenhersteller Bell eine große Rolle. „Unsere Marke Abraham entwickelt sich bei Serrano stärker als der Markt“, sagt Holst. Bell sei bei Serrano das führende Unternehmen, das diese Spezialitäten in Deutschland vermarkte, so der Marketingexperte.
Für seine spanischen Spezialitäten startete Bell im vergangenen Jahr eine breit angelegte Verbraucher-Kampagne. „Die Grundidee lautete, eine Brücke zu schlagen zwischen spanischer Lebenswelt und deutscher Schinkenkompetenz. Daraus ist eine Kampagne entstanden, die diese spanisch-deutsche Colaboración in ganz unterschiedlicher Weise aufgriff“, berichtet Holst. Das Marktwachstum der länger gereiften Serrano-Qualitäten werde von Bell ebenfalls forciert. So hat der Jamón Serrano gtS (garantiert traditionelle Spezialität) eine Mindestreifezeit von sieben Monaten, Abraham Serrano reift in den eigenen Betrieben vor Ort hingegen mindestens elf Monate. Der Jamón Serrano Gran Reserva gtS hat eine Reifezeit von 15 Monaten, der Abraham Serrano Gran Reserva reift einen Monat länger.
Frischfleisch steigt ebenfalls
Zusätzlich zum Rohschinken bietet Bell hierzulande Frischfleisch unter der Marke „Gourmet naturel“ an. „Seit der Einführung der Marke vor über 30 Jahren hat sich der Absatz kontinuierlich erhöht, in den letzten drei Jahren um mehr als 25 Prozent“, sagt Holst. Bell Deutschland kooperiert dazu mit ausgewählten französischen Schlachthöfen und Erzeugergemeinschaften. Das Jungbullenfleisch wird jetzt auch in SB-Qualität angeboten. Zuletzt hat Bell für das SB-Sortiment vier neue Steaks – Entrecôte, Filetsteak, Hüftsteak und Rumpsteak – eingeführt. Folie und Karton lassen sich problemlos voneinander lösen und getrennt entsorgen. So fällt bis zu 75 Prozent weniger Kunststoff an als bei herkömmlichen Fleisch-Verpackungen.
Das Thema Nachhaltigkeit spielt bei dem Schinkenhersteller ebenfalls eine große Rolle: Bell setzt deshalb ab März 2021 eine recyclingfähige Folienlösung für seine Faltpackungen ein. Das neue Monomaterial kann dem Recyclingkreislauf zugeführt werden und ist zu 93 Prozent wiederverwertbar.