In den letzten Jahren ist die deutsche Fleischindustrie immer moderner geworden, nur wurde es versäumt, dem Kunden dies auch mitzuteilen, meint Willi Kremer-Schillings Landwirt und Agrarblogger. Kindern sei es heute zum Teil nicht einmal mehr erlaubt, landwirtschaftliche Betriebe zu besichtigen. Hier müsse angesetzt werden, waren sich die Teilnehmer des „5. Kölner Dialog“ einig. Bettina Hartwig (BMEL) wies darauf hin, dass es in Bayern Konzepte mit Landfrauen gibt, die in die Schulen gehen und den Kindern landwirtschaftliche Produktionsmethoden näherbringen. „Wir müssen aufhören die Landwirtschaft zu verniedlichen! Das Essen kommt nicht vom Caterer“ sagte Martin Russ, Geschäftsführer von Qualivo Deutschland. Bernhard Burdick, Leiter Lebensmittel und Ernährung bei der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen, gab zu bedenken, dass die Kunden weiterhin das billigste Fleisch kaufen werden, wenn sie die Qualität nicht erkennen. Die Quintessenz: Die Fleischindustrie in ihrer gesamten Wertschöpfungskette muss transparenter werden. Ein ehrlicher Dialog mit den Verbrauchern sei dabei unerlässlich.
Tim Koch, AMI, Agrarmarkt Informations-Gesellschaft
Zur Zeit stagniert die Schweinefleischproduktion in Deutschland. Tim Koch, Markanalyst für Fleisch und Wurst bei der AMI ist sich sicher, dass für 2017 Rückgänge in der Produktion von deutschem Schweinefleisch zu erwarten sind. Er führt dies unter anderem auf die gesättigten Märkte in Deutschland und Europa und die stagnierende oder rückläufige Schweinefleischnachfrage zurück. Zudem sind 2016 die Exporte aus Spanien stark angestiegen. Bei der Ausfuhr von Schweinefleisch in Drittländer aus der EU 28 werde Spanien mittel- bis kurzfristig Deutschland als Hauptexporteur ablösen.
Christoph Amberger, Forum Moderne Landwirtschaft
Der Druck auf die Fleischbranche wächst, viele Landwirte und Verarbeiter fühlen sich an den Pranger gestellt. Wege aus der Imagefalle zeigte Christoph Amberger auf, Geschäftsführer des Forum Moderne Landwirtschaft. Der Zusammenschluss verschiedenster Branchen-akteure organisiert unter anderem den Erlebnisbauernhof auf der Internationalen Grünen Woche und geht mit Agrar-Scouts auf Tour durchs Land, um der Bevölkerung die moderne Landwirtschaft nahezubringen. „Die Branche muss aktiver werden“, auch wenn es ungemütlich wird, lautete seine Botschaft.
Roger Fechler, Deutscher Bauernverband
Die betäubungslose Kastration männlicher Ferkel wird es ab 2019 in Deutschland nicht mehr geben. Mit dem Ausstieg aus der betäubungslosen Kastration müsse sich das Management der schweinehaltenden Betriebe ändern. Roger Fechler, Referatsleiter Vieh und Fleisch beim Deutschen Bauernverband stellte verschiedene Wege vor: Die Jungebermast, die Kastration unter Narkose und die Immunokastration, bei der männlichen Schweine im Laufe ihres Lebens zwei mal geimpft werden. Die Kastration mit Betäubung verfüge insgesamt über das geringeste Skandalisierungspotential, sagte Fechler.
Bernhard Burdick, Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen
Beim Einkauf von Fleisch ist laut Bernhard Burdick, Leiter Lebensmittel und Ernährung bei der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen, für die Kunden vor allem Frische und die regionale Herkunft wichtig. Immer mehr Kunden achteten auf Produkte, die von Tieren aus artgerechter Haltung stammen. Zahlen würden sie dafür im Durchschnitt 30 Prozent mehr. Jedoch erkennen 45 Prozent der Kunden Fleisch aus artgerechter Tierhaltung nicht. Weitere Siegel helfen bei der Transparenz für den Kunden aber nicht weiter: Verbraucher könnten die Bedeutung von Prüf- und Gütesiegeln oft nicht erkennen.
Heiner Strömer, Tönnies Livestock
Mit dem Aufbau von Tönnies Livestock beschreitet das Unternehmen seit dem vergangenen Jahr Neuland bei der Vermarktung lebender Schweine und treibt diese auch technologisch voran. Mit Unterstützung des niederländischen Technologieexperten Schippers entwickelt Heiner Strömer derzeit ein Ohrmarken- System, das künftig ermöglichen werde, Schweine von der Aufzucht bis in die Vermarktung einzeln zu identifizieren. Gemeinsam mit Marc Intven von der Schippers Group stellte Strömer die Technologie vor, von der er sich erhofft, dass sie Branchenstandard wird
Jens Alex, Westfleisch
OSC Foodtrace mit SAPGBT – was auf den ersten Blick sehr kompliziert klingt, führt zu einer deutlich schnelleren Rückverfolgbarkeit einzelner Produktkomponenten. Gemeinsam mit Manuela Asche-Holstein von SAP und Lars Schmidt vom Technologie- Dienstleister OSC stellte Jens Alex von Westfleisch die Plattform vor, die das Unternehmen derzeit auf der Basis von fTrace aufbaut. Das System ermöglicht eine grafische Darstellung und somit deutlich schnellere Übersicht aller Komponenten eines Produkts in der gesamten Lieferkette und erleichtert Rückrufe.