Plastikverpackung Wertewandel anstoßen

Die Drogeriewarenbranche erhöht ihr Engagement rundum nachhaltige Plastikverpackungen und geschlossene Stoffkreisläufe. Auch der Verbraucher soll stärker mit ins Boot genommen werden.

Dienstag, 09. April 2019 - Drogerieartikel
Bettina Röttig
Artikelbild Wertewandel anstoßen
Nur 9 Prozent des bis 2015 angefallenen Plastikmülls wurden US-Forschern zufolge recycelt.
Bildquelle: Getty Images

Im Kampf gegen den Plastikmüll erhöhen Hersteller aus den Bereichen der Körperpflege und Kosmetik sowie der Wasch- und Reinigungsmittel ihr Innovationstempo, um die Verpackungen ihrer Artikel grüner zu machen. Unterstützt werden sie von Händlern wie dm, Rossmann oder Globus, die sich beispielsweise im Rezyklat-Forum gemeinsam dafür einsetzen, die Wiederverwendung von Wertstoffen für Verpackungen zu erhöhen und unter anderem mit neuen Kommunikationsstrategien den Verbraucher in den Märkten zu sensibilisieren. So sollen in den Filialen von dm-Drogerie Markt ab Mitte des Jahres Hinweise an Regalen die Kunden anleiten, wie die Flaschen, Tuben oder Tiegel am besten entsorgt werden können und wie viel Recycling-Material in den Verpackungen von Partnern wie L‘Oréal, Beiersdorf, Essity oder Henkel steckt. Laut Süddeutscher Zeitung erwägt die Karlsruher Drogeriemarktkette eine Art Ampel-Kennzeichnung für letzteres, um Kunden zu motivieren, Produkte mit höherem Rezyklat-Anteil zu kaufen. Ein wichtiges Anliegen, denn um die Anteile erhöhen zu können, muss der Verbraucher mit ins Boot geholt werden. Nur wenn die Mülltrennung optimiert wird, kann besser recycelt und können Stoffkreisläufe geschlossen werden.
Hersteller von Wasch-, Putz- und Reinigungsmitteln sowie Kosmetika geben Gas, um diese Ziele zu erreichen. Zunehmend wird auch aus den Meeren „gefischtes“ beziehungsweise gesammeltes Plastik eingesetzt – nicht zuletzt ein emotionaler Hebel, um den Verbraucher mitzunehmen, denn das Thema Plastik im Meer ist Dauerbrenner in den Medien. Gerade erst schockierte die Meldung über den Fund von 40 Kilogramm Plastik im Magen eines vor der philippinischen Küste gestrandeten Wals.

Verbesserte Verwertung
Eine bessere Verwertung des Plastikmülls aus dem Gelben Sack hat sich Werner & Mertz, seit vielen Jahren Vorreiter in der Entwicklung nachhaltiger Verpackungen, auf die Fahne geschrieben. In einem Gemeinschaftsprojekt mit der Grüne Punkt, Dannemann Global Extrusion und Berner Kunststofftechnik entwickelte der Hersteller der grünen Reinigungs-Marke Frosch einen WC-Frische-Spüler aus recycelten PET-Schalen, die oft als Verpackung für Obst und Gemüse oder Käse und Wurst verwendet werden. „Erneut ist es uns gemeinsam mit Werner & Mertz gelungen, den Kreislauf für einen Wertstoff zu schließen, der bisher nicht für ein Recycling zu Verfügung stand“, sagt Dr. Markus Helftewes, Geschäftsführer Der Grüne Punkt. Bisher wurde der Großteil der Schalen verbrannt, denn nicht alle bestehen aus einem Monomaterial und Multilayer-Verpackungen sind schwer zu recyceln. Nun trennt der Grüne Punkt die verschiedenen Verpackungen und verarbeitet diese zu Flakes, Dannemann Global Extrusion produziert im Anschluss die Rohfolien, aus denen Berner Kunststofftechnik die WC-Körbchen formt.
Die grüne Marke Ecover ist dabei, bis 2020 ihr gesamtes Sortiment komplett auf Recycling-Kunststoff umzustellen. Seit Anfang 2018 gibt es bereits neue Flaschenkörper für Spülmittel, die zu 100 Prozent aus recyceltem Polyethylenterephthalat (PET) bestehen und vollständig recycelbar sind. Nun wurde gemeinsam mit Aptar Beauty + Home ein neuer Dosierverschluss für die Spülis entwickelt, der zur Hälfte aus recyceltem Post-Consumer-Kunststoff (PCR) besteht. Darüber hinaus erprobt das Unternehmen alternative Verpackungsmaterialien, die sich in Gewässern selbst abbauen und aus nachwachsenden Rohstoffen hergestellt sind, beispielsweise Kunststoffe auf Basis von Mais oder Kartoffeln, Material auf Zellstoff- oder Faserbasis, zum Beispiel Holz, Stroh oder Altpapier.

Ozean-Plastik stoppen
Henkel hat sich im Rahmen seiner neuen Verpackungsstrategie das Ziel gesetzt, die eigenen Verpackungen bis 2025 zu 100 Prozent recycelbar, wiederverwendbar oder kompostierbar zu machen – Ende 2018 waren es bereits mehr als 80 Prozent. Zudem wollen die Düsseldorfer bis dahin in Europa 35 Prozent recycelten Kunststoff für alle Kunststoffverpackungen der Konsumgüterprodukte verwenden (Ende 2018 waren es knapp 10 Prozent). So werden die Duschgelflaschen der Marke Fa bereits zu 30 Prozent aus recyceltem PET hergestellt. Hierdurch spart Henkel nach eigenen Angaben rund 200 Tonnen neues PET-Material ein. Durch höher konzentrierte Formulierungen und eine neu designte Flasche konnte die Verpackungsmenge für Persil Flüssigwaschmittel um 3.500 Tonnen pro Jahr reduziert werden, zudem sind die Flaschen vollständig recycelbar. Um Fortschritte hin zu einer Kreislaufwirtschaft voranzutreiben, arbeitet Henkel unter anderem mit Plastic Bank zusammen, ein Sozialunternehmen, das sich zum Ziel gesetzt hat, den Eintrag von Plastikmüll in Gewässer zu verhindern, diesem einen Wert zu geben und gleichzeitig Chancen für Menschen in Armut zu schaffen (siehe Text Seite 92). Das „Social Plastic“ aus dem Kooperationsprojekt in Haiti hat Henkel im letzten Jahr bereits in 25.000 Flaschen für Wasch- und Reinigungsmittel der Marken Sidolin und Silan eingesetzt. Im laufenden Jahr intensiviert Henkel sein Engagement und arbeitet an dem Aufbau einer konstanten Lieferkette: Noch in den nächsten Monaten sollen neue Verpackungen mit Social Plastic in den Bereichen Beauty Care und Home Care auf den Markt kommen.
Auch SC Johnson kooperiert seit Herbst 2018 mit der Plastic Bank. Aktuell sind 90 Prozent der Kunststoffverpackungen des Unternehmens recycelbar, wiederverwendbar oder kompostierbar. Bis 2025 sollen es 100 Prozent sein. Im gleichen Zeitraum soll die Verwendung von recyceltem Kunststoff in den Verpackungen von 10 Millionen auf mehr als 30 Millionen Kilogramm gesteigert und dabei dessen Anteil in den Plastikflaschen für den europäischen und nordamerikanischen Markt von 20 auf 40 Prozent erhöht werden.
Kao profiliert sich unter der Haarpflegemarke Guhl mit nachhaltigeren Verpackungen. Seit Jahresanfang bestehen die Guhl Shampooflaschen zu 50 Prozent aus recyceltem Polyethylenterephthalat (rPET) während die Conditionerflaschen zu 100 Prozent aus Polypropylen (PP) bestehen und damit vollständig recycelbar sind. Kao hatte sich zum Ziel gesetzt, in den durchsichtigen Shampooflaschen einen möglichst hohen Anteil an rPET einzusetzen, ohne Einschlüsse oder Farbverfälschungen in Kauf nehmen zu müssen, die durch den Einsatz von rPET sonst üblich seien. Daniel Nebe, Teamleiter der Verpackungsentwicklung Mass Products bei Kao: „Bei der Conditionerflasche haben wir darauf geachtet, dass alle Verpackungskomponenten aus einem Material gefertigt sind und diese zu 100 Prozent wieder in den Materialstrom zurückgeführt werden können und somit erneut Einsatz finden anstatt thermisch verwertet zu werden.“ Bei rund 15 Millionen produzierten Flaschen pro Jahr können rund 180 Tonnen PET eingespart werden.

Umdenken einleiten
Auch immer mehr Start-ups denken ganzheitlich grün. Die Naturkosmetik-Marke No Planet B rückt Dinge in den Fokus, die oft als nutzlos gelten, als „unterschätzte Helden“: So werden Unkräuter, Wildblumen und Nebenprodukte aus der Lebensmittelindustrie eingesetzt. In einer Duschgelvariante sind dies zum Beispiel Extrakte aus Baby-Äpfeln. „Diese sind zu klein und zu sauer zum Verzehr, enthalten aber Antioxidantien und können für die Hautpflege eingesetzt werden. Diese Äpfel werden klein gepflückt, damit die Ernte größer ausfällt“, erklärt Gründer Sebastian Wölke. In einem anderen Produkt werden Mandarinenschalen genutzt. Auch Altplastik zählt zu den „unterschätzten Helden“. So bestehen die Flaschen der Marke zu 97 Prozent aus Recycling-Material, die Tuben zu mindestens 50 Prozent. Fünf Cent von jedem verkauften Produkt gehen an die Plastic Bank.

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Bild öffnen Die Drogeriemarktkette dm will Kunden beim Thema Recycling stärker an die Hand nehmen.

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