Inhaltsstoffe Bald Standard?

Einfach weg lassen, ist nicht so einfach. Aber die Hersteller drehen das Rad weiter. Die Liste der von Verbraucherseite kritisch eingestuften Ingredienzien wird länger.

Dienstag, 31. August 2010 - Frei von...
Dieter Druck

Immer öfters geht's auch ohne. Hersteller durchforsten in letzter Zeit verschärft ihre Zutatenlisten auf Ingredienzien, von denen sie annehmen, dass diese dem Verbraucher übel aufstoßen könnten. Die Juristen sprechen von einer Negativkennzeichnung , „weil man nicht positiv auf Inhaltsstoffe, sondern auf deren Abwesenheit abhebt“, erklärt Peter Loosen vom Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde e.V. Allgemein gilt für alle Angaben, dass sie stimmen müssen. „Gerade bei gesundheitsrelevanten Angaben ist besondere Sorgfalt geboten, denn die angesprochene Verbrauchergruppe muss sich darauf sicher verlassen können“, hebt Loosen hervor. Zusätzliche, externe Kontrolle scheint daher ein Gebot der Stunde zu sein.
 
„Das Thema ist für Wagner Tiefkühlkost im Grunde schon seit mehr als 25 Jahren aktuell. Nur gehen wir seit Mitte des vergangenen Jahres damit verstärkt in die Öffentlichkeit“, sagt Anke Barge, Leiterin Werbung und Öffentlichkeitsarbeit. Kern der Kommunikation ist das grüne Gütesiegel „Wagner Sorgfalts-Prinzip“, das auf der Packung hervorgehoben wird. „Es steht für natürlichen Geschmack ohne künstliche Aromen und geschmacksverstärkende Zusatzstoffe.“ Darüber hinaus werden das Sorgfalts-Prinzip und weiterführende Informationen multimedial über TV- sowie Funk-Werbung, Internet, Publikums- und Fachpresse kommuniziert. Ebenso bietet der TK-Pizza-Spezialist Werksführungen für kritische Eltern und Kids, um sich vor Ort zu überzeugen.
 
 
„Seit Jahren überprüfen wir bei Bahlsen unsere Rezepturen kontinuierlich – auch hinsichtlich der Inhaltsstoffe. Eine kürzlich durchgeführte nationale Marktforschung zur Frage der Verbraucher-relevanten Themen im Kontext von Süßgebäck hat uns darin bestätigt, dass wir mit unserer Qualitätsstrategie auf dem richtigen Weg sind. Dennoch ist das Ende des Weges noch nicht erreicht und es gibt weiterhin Potenziale, die Rezepturen – im wahrsten Sinne des Wortes – noch einfacher zu gestalten. Dies wird die Herausforderung der nächsten Jahre sein“, sagt Nico Schlegel, Geschäftsführer Marketing.
 
„Verbraucher legen verstärkt Wert auf bewusste Ernährung. Dazu gehören für einige Verbraucher auch Zusatzstoffe, deshalb ist dieses Thema auch für den Handel relevant. Im Zuge von Nestlés Nutrition, Health & Wellness-Strategie werden seit Jahren Produkte überarbeitet und optimiert hinsichtlich Zusatzstoffen, Konservierungsstoffen oder Farbstoffen, dort wo es möglich ist“, heißt es in Frankfurt. Dies sei ein kontinuierlicher und oftmals aufwändiger Prozess. „Jedoch sind den Möglichkeiten auch Grenzen gesetzt – sei es durch die Geschmacksanforderungen, die für die Verbraucher und damit auch für uns absolute Priorität haben, oder aber aus Gründen der Haltbarkeit oder Sicherheit eines Lebensmittels.“ 
 
Bei Neuentwicklungen von Produkten versucht Dr. Oetker auf Zusatzstoffe gänzlich zu verzichten. „Es dürfen jedoch dadurch keine Nachteile für das Produkt in Bezug auf Geschmack, Optik, Konsistenz und natürlich nicht auf die Qualität entstehen. Daher sehen wir Grenzen in Bezug auf Clean Labelling“, sagt Rainer Lührs, Geschäftsführer Marketing und F & E, und verweist gleichzeitig auf die Kostenseite: „Clean Labelling bringt in der Regel höhere Herstellungskosten mit sich. Bei Neuentwicklungen von Produkten muss daher die Preisakzeptanz von Verbraucherseite berücksichtigt werden.“ Die Fruchtgrützen und das Neu-Produkt Frucht finesse sind jetzt mit einem Störer „Ohne Farbstoffe, Aromen und Konservierungsstoffe“ versehen, um die Natürlichkeit der Produkte dem Verbraucher gegenüber noch klarer zu machen. Denn Umfragen zeigen, dass der Verbraucher besonders im Frische-Sortiment in Verbindung mit Früchten dies als kaufentscheiden d betrachtet.

 
Das registiert man auch bei Chiquita. Deshalb kommuniziert Chiquita, dass seine Smoothies zu 100 Prozent aus frischen Früchten bestehen und frei von Fruchtsaftkonzentraten, Konservierungsstoffen, zugesetztem Zucker, künstlichen Aromen sowie sonstigen Zusätzen sind. „Diese Tatsache wird von Chiquita pro-aktiv kommuniziert, da am Markt auch Smoothie-Produkte angeboten werden, die diese Voraussetzung für eine optimale Produktqualität nicht erfüllen“, heißt es in Duisburg. Es fehle eine einheitliche Definition für Smoothies. Die Zusammensetzung durch den Lebensmittelkodex sei nicht geregelt.
 
Kuchenmeister setzt sich seit zwei Jahren intensiv mit der Thematik auseinander. Bis Ende 2009 wurden sechsstellige Beträge investiert, um sämtliche Rezepturen auf natürliche Aromen umzustellen. „Es ist offensichtlich, dass im Verbraucherinteresse Handlungsbedarf gegeben ist.
Verbraucher und Handel wünschen zunehmend Produkte, die aus natürlichen Rohstoffen hergestellt sind. Hierbei ist die Zutatenliste der Produkte häufig der Bewertungsmaßstab. E-Nummern werden vom Verbraucher mit einem gewissen Unbehagen wahrgenommen“, sagt Geschäftsführer Hans-Günter Trockels.

Ein vergleichbarer Tenor bei Zimmermann in Thannhausen. „Wir haben schon bei einer Vielzahl von Produkten die vom Verbraucher 'nicht gewünschten Zusatzstoffe' eliminieren können. Die Auslobung auf den Produktverpackungen läuftsystematisch mit der Umsetzung des Markenrelaunches. Die Kommunikation am PoS erfolgt über die Produktverpackung – hierfür wurde ein augenfälliger, blauer „Informationsblock“ in das Layout integriert. „Dabei war es sehr wichtig, dass zusätzlich ein unabhängiges und zertifiziertes Labor die Produkte regelmäßig untersucht, um dem Verbraucher eine absolute Sicherheit zu bieten. Dies wird auf der Verpackung ebenfalls ausgelobt.“
„In unseren Qualitätsgrundsätzen haben wir uns verpflichtet, die Zahl und Menge der Zusatzstoffe auf das technologisch bedingte, notwendige Maß zu reduzieren.

 
Wir sind uns der Themen, z.B. dem Zusatz von jodiertem Kochsalz, bewusst und arbeiten permanent an Alternativen“, sagt Godo Röben, Geschäftsleitung Marketing der Rügenwalder Mühle. Seit gut einem Jahr ist Rügenwalder mit dem Qualitätskonzept „4 x ohne“ (ohne Zusatz von Geschmacksverstärker, Farbstoffen, Laktose und Gluten) unterwegs. Darauf habe man viele positive Reaktionen von Verbrauchern erhalten, die sich auf die strenge Kontrolle der Produkte beziehen. „Die '4 x ohne'-Garantie heißt u.a. mehr als 3.000 zusätzliche Kontrollen des SGS Institut Fresenius“, sagt Röben.

Die Privat-Fleischerei Reinert fokussiert derzeit die Clean-Label-Thematik auf ihre zwei neuen Bärchen-Kinderwurstprodukte. Das heißt Reduktion auf wenige, hochwertige, natürliche Rohstoffe und Verzicht auf mit E-Nummern gekennzeichnete Zusatzstoffe. Zudem sind die Produkte gluten-, milcheiweiß- und lactosefrei. Hintergrund sind die insbesondere bei Kindern zunehmenden Lebensmittelunverträglichkeiten. „Eine Reduktion der Zutatenliste wird heute in der Öffentlichkeit u.a von vielen Verbraucherverbänden gefordert und wird in Zukunft zu einem Standard bei Lebensmitteln werden.“

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Nico Schlegel, Bahlsen
Hans-Günter Trockels, Kuchenmeister
Rainer Lührs, Dr. Oetker


Godo Röben, Rügenwalder Mühle

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