Roundtable Süßwaren Saure Zeiten für 
die süße Branche

Auf der ISM in Köln zeigte sich die Süßwarenbranche wieder innovationsfreudig. Doch beim Round Table der LP wurde klar: Kosten und Regulierung machen Herstellern zu schaffen.

Montag, 19. Februar 2024 - Süßwaren
Manuel Glasfort
Artikelbild Saure Zeiten für 
die süße Branche
Bildquelle: Koelnmesse

Die Süßwarenbranche befindet sich nach einem herausfordernden Jahr 2023 weiterhin in stürmischer See. Zwar hat der Kostendruck an der einen oder anderen Stelle etwas nachgelassen, dafür verschärft er sich an anderer Stelle. Das wurde beim Round Table der Lebensmittel Praxis am Rande der Internationalen Süßwarenmesse (ISM) in Köln deutlich, bei dem sich Vertreter von sechs Herstellern unterschiedlichster Produkt­ka­te­gorien über die Lage der Branche austauschten. „Wir nehmen aktuell nicht an, dass sich das Thema Rohstoffkosten kurzfristig entspannen wird. Daher brauchen wir langfristige Strategien, um damit umzugehen“, sagte Benno Mauerhan, der als Managing Director das Geschäft von Alfred Ritter im DACH-Raum verantwortet. Der Schokoladenhersteller ist insbesondere vom Kakaopreis betroffen, der einen Höchststand nach dem anderen erklimmt und zuletzt für 5.820 Dollar (5.400 Euro) je Tonne an der Rohstoffbörse gehandelt wurde. Mittelfristig erwarte er hier keine Entspannung.

Nicht nur Kakao wird teurer, wie Dr. Jürgen Brandstetter klarstellte. Der Geschäftsführer des Nürnberger Lebkuchenbäckers Gottfried Wicklein GmbH sagte: „Unsere beiden Hauptrohstoffe sind Haselnüsse und Schokolade. Und beide erfahren gerade wieder immense Preissteigerungen.“ Bei Kakao scheine sogar die Versorgungslage für dieses Jahr nicht gesichert zu sein. „Die preislich gegenläufigen Rohstoffe wie beispielsweise Mehl und Eiprodukte können dies bei Weitem nicht ausgleichen.“ Er schloss: „Wir stehen jetzt leider wieder vor der Herausforderung, dem Handel erneut eine Preiserhöhung zu kommunizieren.“

Vom hohen Kakaopreis nicht betroffen ist dagegen der Fruchtgummihersteller Trolli. Doch selbst wenn es beim Zuckerpreis zuletzt Entspan­nung gab, bleibt er auf einem vergleichsweise hohen Niveau, und andere Faktoren wie Löhne und Transportkosten steigen kräftig, wie Vertriebschef Holger Krätz betonte. „Auch wir in der Zuckerware rechnen nicht damit, dass sich die Gesamtherstellungskos­ten verringern. Wir erwarten, dass sie bestenfalls stabil bleiben.“ Krätz fügte hinzu: „Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir an der Preisfront eine Entspannung erleben werden.“

Starke Teuerung bei Süßwaren
Der gesamte Lebensmittelbereich hat seit dem Ausbruch des Ukraine-Kriegs eine starke Teuerung erlebt, davon sind auch Süßwaren und salzige Snacks nicht ausgenommen. Nach den jüngsten Daten des Marktforschungsinstituts NielsenIQ verteuerten sich Süßwaren im Jahr 2023 um 12,4 Prozent. Forderungen einzelner Handelsunter­neh­men nach niedrigeren Preisen stießen in der Runde der Industrievertreter erwartbar auf Widerspruch. „Die Zeit für Preisabsenkungen ist nicht da, dafür gibt es immer noch viel zu viele Kostensteigerun­gen“, sagte Oliver Lahode, Mitglied der Geschäftsleitung beim Brot- und Kuchenbäcker Kuchenmeister. Er verwies auf die unsichere weltpolitische Lage mit ihren Kriegen in Nahost und in der Ukraine. Es könne zu weiteren Eskalationen mit Folgen für Preise und Verfügbarkeit kommen, sagte Lahode und schloss: „Wir müssen sehen, wie wir die Herausforderungen gemeinsam mit dem Handel meistern.“ Frank Gemmrig, Geschäftsführer des Bonbonher­stellers Cavendish & Harvey, schätzt die Lage ähnlich ein: „Ich sehe nicht, dass die Preise zurückgehen. Die Rohstoffseite ist das eine, das andere sind die Löhne. Die Lohnkosten konnten wir bisher über mehr Effizienz ausgleichen, aber das ist auch irgendwann ausgereizt. Von daher müssen sowohl wir als auch der Handel uns damit auseinandersetzen.“

Entlastung bei den Lohnkosten ist ebenfalls nirgends in Sicht. Erst im Sommer 2023 hatten sich BDSI und Gewerkschaften auf deutliche Lohnstei­gerungen geeinigt. Hier dürfte jedoch das Ende der Fahnenstange noch nicht erreicht sein. Der Tarifabschluss hatte eine Laufzeit von 14 Monaten. Noch in diesem Jahr muss also neu verhandelt werden. Dass die Gewerkschaften angesichts einer weiterhin hohen Inflation von 5,9 Prozent in Deutschland im Jahr 2023 mit hohen Forderungen aufwarten werden, gilt als ausgemacht. Die Tarifabschlüsse würden der Inflation immer „ein bisschen hinterherlaufen“, bemerkte Ritter-Sport-Manager Mauerhan. Er glaubt: „Alles andere als ein Tarifabschluss ungefähr in der Größenordnung der Jahresinflation wäre illusorisch.“ Die Mitarbeiter würden nicht akzeptieren, gegenüber anderen Branchen benachteiligt zu werden. Mauerhan unterstrich: „Auch das wird uns treffen, denn wir sind nicht so stark automatisiert, dass der Personalaufwand unterpropor­tio­nal ist – im Gegenteil.“

Neue Wege bei der Personalgewinnung
Doch nicht nur die Personalkosten treiben die Unternehmen um, sondern auch die Verfügbarkeit von Mitarbeitern. Gerade für einfache Tätigkeiten werde es immer schwieriger, gutes Personal zu finden. Der Branchenverband BDSI klagte zuletzt über einen „dramatischen Mangel an Arbeitskräften und Auszubildenden“. Frank Gemmrig berichtete: „Wir haben zu wenige Leute, die im Dreischichtbetrieb arbeiten wollen. Die meisten wollen im Einschichtbetrieb arbeiten, das ist aber für uns nicht darstellbar.“ Die Alternative sei die Vollau­to­matisation, aber diese sei nicht schnell umsetzbar und koste außerdem viel Geld. Kuchenmeister-Manager Lahode ist sich indessen sicher: „Es bedarf kreativer Konzepte, um auch im unteren Lohnseg­ment noch Personal zu bekommen. Der Wettbewerb hat auch in unserer ländlichen Region stark zuge­nommen. Auch die Bundesregierung hat hier mit ihren Regelungen zu Lohnersatzleistungen ihren Teil dazu beigetragen.“ Generell haben junge Arbeit­nehmer eine andere Vorstellung vom Arbeitsleben als die Älteren: „Wir haben es heute mit einer anderen Generation zu tun, die viel mehr Wert auf eine ausgewogene Verteilung von Arbeit und Freizeit legt. Stichwort: Work-Life-Balance.“

Nicht nur bei der Personalgewinnung, auch in den Beziehungen zu den Handelsunternehmen hatten die Produzenten von Süßwaren und Snacks schon einfachere Zeiten. Der Kampf um Marge wird längst mit harten Bandagen ausgetragen. Lieferstopps und Auslistungen sind keine Seltenheit mehr. Hinter den Kulissen wird nicht nur um Preise gerungen, sondern auch um Vertragslaufzeiten, wie Lahode erklärte: „Wir können aktuell nur Halbjahreskontrakte abschließen, da wir von unseren Vorlieferanten auch keine längeren Sicher­heiten bekommen.“ Auch Benno Mauerhan vom Schokoladenhersteller Ritter Sport hat schwierige Gespräche erlebt. „An der einen oder anderen Stelle gehen bei den Verhandlungen mit dem Handel die guten Sitten verloren. Und das finde ich bedenklich“, warnte er.
Dabei seien manche Handelspartner konstruktiver als andere. „Am Ende dürfen wir eins nicht vergessen: Wir sind voneinander abhängig. Ohne die Händler gibt es keinen Umsatz und keinen Zugang zum Endverbraucher. Ohne uns gibt’s aber keine vollen Regale, und ohne uns wechselt der Shopper den Markt.“ Die Marktdaten zeigten eindeutig: „Für eine gute Marke wechseln Shopper den Markt, selbst in der Süßware, die ein Impulsartikel ist.“ Aus seiner Sicht gelte daher: „In einem Boot kann man sich auch mal streiten. Aber das Boot wird nicht ankommen, wenn man den einen Ruderer rausschmeißt“, sagte Mauerhan in Richtung der Handelsunter­neh­men.

Aktionsware in der Kritik
Ein schwieriger Balanceakt bleibt für Hersteller wie Händler das Thema rabattierte Aktionsware. Viele Verbraucher müssen den Gürtel enger schnallen und sparen besonders bei Lebensmitteln. Sie greifen entspre­chend stärker bei Aktionsware zu als noch vor wenigen Jahren. Für Hersteller und Handel liegen darin Chance und Gefahr zugleich, wie Mauerhan deutlich machte. Bei Schokoladenwaren liegt der Promo­tionanteil am Umsatz laut NielsenIQ inzwischen bei 40,1 Prozent. Mauerhan erkennt hierin eine große Herausforderung: „Wenn ich viel Geld investiere, um eine Marke aufzu­bauen, dann wird viel wieder damit kaputtgemacht, wenn die Verbrau­cher dahin erzogen werden, dass sie nur zwei Wochen warten müssen und dann mitunter zum halben Preis kaufen können.“ Dieser Balanceakt bleibe auch in den kommenden Jahren eine Herausforderung, „zumal die Händler immer kreativer werden, was die Möglichkeiten der Rabattierung angeht“. Heute sei das Instrumentarium des Handels in Sachen Shopperbindung viel größer als noch vor zehn Jahren. „Es gibt keine Handelskette mehr, die keine App oder eine Kundenkarte hat“, erklärte Benno Mauerhan.

Trolli-Manager Krätz wies auf ein anderes Phänomen im Zusammenhang mit dem Sparzwang hin, der viele Verbraucher trifft: „Zum ersten Mal seit Jahren steigt die Zahl der Shoppingtrips. Die Verbraucher steuern mehrere Einkaufsstätten an, um Angebote einzukaufen.“ Darin liege eine gewisse Gefahr für die Wertschöpfung. „Wir versuchen, dem entgegenzuwirken, beispielsweise durch XXL-Packungen, bei denen nicht nur der Aktionspreis im Vordergrund steht. Aber tendenziell bleiben die Promotions für uns als Markenhersteller wichtig.“

Nicht wenige Hersteller haben sich dazu entschieden, die gestiegenen Herstellungskosten an die Endkunden weiterzugeben, indem sie die Packungsgrößen verkleinern ‒ ein Vorgehen, das immer wieder Verbraucherschützer auf den Plan ruft. Negativpreise wie „Mogelpackung des Jahres“ sollen die Konsumenten warnen. Krätz bleibt dabei gelassen: „Es erfordert eine gewisse Standhaftigkeit, auch mit einer ,Mogelpackung‘-Auszeichnung umgehen zu können. Oftmals verblasst solche Kritik auch schnell wieder.“

Höherer Preis oder kleinere Verpackung?
Josef Stollenwerk, Vertriebsleiter Deutschland beim Wiener Waffelhersteller Manner, hat ebenfalls eine eindeutige Meinung: „Wir haben uns aufgrund der Komplexität dagegen entschieden, die Grammatur zu verändern. Aber ich bin fest überzeugt: Wenn man den Verbraucher selbst entscheiden lassen würde zwischen einem geringeren Produktgewicht und einem höheren Preis, dann würde er sich für die kleinere Verpackung entscheiden.“ Ritter-Manager Mauerhan kritisiert in dem Zusammenhang die Medienwelt: „Einige Medien haben Tendenzen dazu, die Verbraucher für blöd zu erklären. Sie sind es aber nicht.“ Am Ende gebe der 
Konsument dem Produkt mit dem besten Preis-Leistungs-Verhältnis den Vorzug. Es handle sich bei der „Shrinkflation“-Debatte ein Stück weit um eine Phantomdiskussion.

Zugleich wies Mauerhan auf die Notwendigkeit hin, beim Consumermarketing neue Wege zu gehen, die sich an der geänderten Mediennutzung der jüngeren Generationen orientieren. Mit Blick auf den E-Commerce im Lebensmittelbereich zeigte er sich dagegen skeptisch, aufgrund der höheren Kosten, die das Ausliefern von Ware an den Endverbraucher mit sich bringe. Krätz unterstrich: „Der E-Commerce-Anteil im Lebensmittelbereich bleibt in Deutschland weiterhin gering. Der Online-Vertrieb von Lebensmitteln ist ein relativ teurer Vermarktungskanal, dessen Mehrkosten getragen werden müssen. Ich bin gespannt, welche Modelle sich durchsetzen.“

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