Die Kunden merken es noch nicht; die Industrie schon: Viele Branchen – so auch die deutsche Süßwarenindustrie – bekommen derzeit die dramatischen Entwicklungen bei wichtigen Verpackungsarten wie Kartonagen, Papier sowie Pappe zu spüren, meldet der Bundesverband der Deutschen Süßwarenindustrie (BDSI). Denn neben gravierenden Kostensteigerungen seien zusätzlich Lieferengpässe und Verknappungen eingetreten. „Ausschlaggebend dafür ist die steigende internationale Nachfrage, die zu einer Kostenexplosion und zu einer Knappheit bei vielen Rohstoffen für diese Verpackungsmaterialien führt“, erläutert BDSI-Hauptgeschäftsführer Dr. Carsten Bernoth. So warnt beispielsweise der Verband der Wellpappen-Industrie (VDW) vor einer sich immer schneller drehenden Kostenspirale. Durch die Verknappung sind die Rohstoffpreise teilweise um mehr als 50 Prozent gestiegen.
Folgen für die Süsswarenbranche
Ähnliches gilt laut BDSI auch für die Rohstoffe von Kunststoffverpackungen. Rohstoff-Importe nach Europa blieben aus, da sie in andere Kontinente umgelenkt werden, wetterbedingte Anlagenausfälle sowie Force-Majeure-Erklärungen der Rohstoff-Lieferanten in Europa erschweren die Lage zusätzlich, erklärt Dr. Bernoth.
84 Prozent der an einer Blitzumfrage der Industrievereinigung Kunststoffverpackungen e. V. teilnehmenden Mitglieder berichten von einer schlechten bis sehr schlechten Versorgungslage. Demnach mussten bereits acht von zehn Kunststoffverpackungsherstellern ihre Produktion drosseln.
„Die Preise haben zuletzt gleichzeitig in einer Reihe von Kategorien mächtig angezogen“, fasst Dr. Bernoth zusammen. „Die derzeitigen Entwicklungen Richtung fehlende Versorgungssicherheit bei den dringend benötigten Verpackungsmaterialien beobachten wir mit großer Sorge.“ Die Unternehmen der Branche würden alle Anstrengungen unternehmen, um sich zu wappnen, so der BDSI.
Ein Ende dieser Entwicklung ist auch noch nicht abzusehen. „Durch die positive wirtschaftliche Entwicklung in Europa hat der Markt nach China und USA nun enorm an Fahrt aufgenommen, und wir gehen davon aus, dass sich diese Thematik auf jeden Fall bis ins dritte Quartal 2021 ziehen wird – wenn nicht sogar länger“, bestätigt Seeberger-Marketingleiter Joachim Mann. Die Auswirkungen werde die Industrie auf jeden Fall bis weit ins Jahr 2022 hinein und darüber hinaus spüren.
„Bisher konnten alle bestehenden Kontrakte und Liefermengen eingehalten werden.“
Dr. Hermann Bühlbecker, Lambertz
Die Hersteller müssen reagieren
„Wir sind aktuell mit deutlich längeren Lieferzeiten sowie stark und schnell steigenden Preisen konfrontiert“, bestätigt Man. Ersatzpläne im eigentlichen Sinne gebe es nicht, da die gesamte Zulieferbranche mit diesen Herausforderungen konfrontiert sei. „Wir haben uns frühzeitig an die Situation angepasst“, betont er. „Unsere langjährigen und partnerschaftlichen Lieferbeziehungen kommen uns hier ebenso zugute wie unser eigenes Monitoring.“ Die Lieferanten würden sich proaktiv mit bevorstehenden Änderungen melden, Preissteigerungen und längere Lieferzeiten ankündigen, sobald diese „gesichert unabwendbar“ seien.
Konkret bedeutet dies für Seeberger, dass Bestellungen seit einigen Wochen frühzeitiger ausgelöst würden. „Höhere Verpackungsmengen als vorher bestellen wir nicht beziehungsweise nur im Rahmen unseres Wachstums, da wir Text-, Design- und/oder Materialänderungen, insbesondere unter Nachhaltigkeitsaspekten, so schnell wie möglich umsetzen möchten“, erläutert der Marketingleiter. „Wir vermeiden so aktiv Materialverschwendung und heizen den Rohstoffmarkt nicht noch weiter an.“
„Der Markt für Verpackungsmaterial ist zurzeit äußerst turbulent“, bestätigt auch Lambertz-Chef Dr. Hermann Bühlbecker in Aachen. Es gebe eine erhebliche Verknappung auf der Angebotsseite bei gleichzeitig starker Nachfrage. Dabei seien Kunststoffverpackungen besonders knapp. „Ursächlich ist hier unter anderem eine coronabedingte Problematik, die den Erdölmarkt betrifft“, analysiert Bühlbecker. „Da weniger Treibstoff, insbesondere Kerosin, verbraucht wurde und immer noch wird, haben die Raffinerien ihre Produktion gedrosselt. Die für die Kunststoffindustrie wichtigen Polymere fallen aber bei der Raffinierung von Erdöl an, deswegen steht jetzt auch weniger Kunststoff zur Verfügung.“ Noch würde das für die Endverbraucherpreise nichts bedeuten, sagt er, obwohl diese Sachverhalte zu erheblichen und außergewöhnlichen Preisanstiegen der Verpackungsmaterialien und zu einem Anstieg der Lieferzeiten geführt hätten. Bühlbecker: „Die Lambertz-Gruppe arbeitet in diesem Sektor allerdings mit langjährigen und zuverlässigen Lieferanten zusammen, sodass bislang alle bestehenden Kontrakte und Liefermengen eingehalten werden konnten.“