Interview mit Hermann Bühlbecker „Diese spezielle Art zu kämpfen“

Er polarisiert, doch kaum ein deutscher Unternehmenschef steht so für seine Marken wie Hermann Bühlbecker. Er war 28, als er den Familienbetrieb Aachener Printen- und Schokoladenfabrik Henry Lambertz übernahm – um ihn zunächst zu erhalten. Aus dem Monoproduzenten für Aachener Printen ist eine international tätige Firmen-Gruppe mit acht Fabriken und 4.000 Beschäftigten geworden. Sein Erfolgsrezept verriet er im Aachener Stammwerk beim Gespräch mit der LP.

Donnerstag, 08. März 2018 - Süßwaren
Andrea Kurtz
Artikelbild „Diese spezielle Art zu kämpfen“
Bildquelle: Peter Eilers
Zur Person

Hermann Bühlbecker finanzierte sein BWL-Studium als Tennisspieler bei Noris Nürnberg. 1976, kurz nach dem Abschluss als Diplom-Kaufmann und der Promotion, überzeugte ihn sein Onkel Karl F. Kittelberger, der damalige Geschäftsführer der Aachener Printenund Schokoladenfabrik Henry Lambertz, ins Unternehmen einzutreten. 1978 übernahm Bühlbecker die Geschäftsführung. Seit 2006 hat er einen Lehrauftrag an der International School of Management (ISM) in Dortmund; seit 2011 ist er Honorarkonsul des größten Kakaoproduzenten der Welt, der Elfenbeinküste.

Träumten Sie beim Start 1976 davon, eine so umfangreiche Unternehmensgruppe zu führen?
Herman Bühlbecker: Vielleicht war das ein versteckter Traum, aber zunächst wollte ich das Unternehmen nur am Markt halten. Wir waren eine OHG, es hafteten meine Mutter, meine Tante und mein Onkel. Die Familie war sehr froh, als ich die damals hoch verschuldeten Anteile meiner Mutter übernahm. Der zweite Schritt war dann die langsame Vergrößerung, weg aus der reinen Printenecke hin zu einem Unternehmen, das dem Handel ganzjährig vielfältige Spezialitäten bieten konnte. Es war eher das Prinzip der kleinen Schritte. Im Laufe der Zeit merkte ich aber, dass wir uns zu einem kleinen Konzern entwickelten. Aber ich bin mir immer bewusst, – deswegen bin ich auch noch in vieles involviert – dass bei der Vielzahl unserer Produkte und Marken alles sehr komplex ist und entwickelt werden muss.

Was steckt denn alles hinter der Marke Lambertz?
Wir produzieren Lebkuchen, Feingebäck, Kuchen, Pralinen und vieles mehr. Es stecken Marken wie Weiss, Haeberlein-Metzger, Otten, Dr. Quendt oder Kinkartz dahinter, und damit auch deren Produktionsstätten. Die Nürnberger Lebkuchen werden in Nürnberg hergestellt, die Aachener Printen in Aachen und der Dresdner Stollen in Dresden. In unserem Werk in Polen stellen wir Produkte für den osteuropäischen Markt her. Darüber hinaus produzieren wir auch Eigenmarken für deutsche, aber auch für europäische Handelsunternehmen. Wir sind eigentlich zu 100 Prozent mit unseren Produkten im Handel vertreten, jedenfalls von September bis Dezember.

Welche Rolle spielt denn Regionalität für Ihr Sortiment?
Wir verstehen uns sogar ein wenig als der Hüter des deutschen Brauchtums. Unsere Unternehmen sind zusammen über 1.000 Jahre alt; die Nürnberger Lebkuchen, der Dresdner Stollen oder die Aachener Printen haben eine geschützte geografische Herkunftsangabe und sind Traditionsmarken. Natürlich fanden nicht alle Städte die Übernahme gut, Nürnberg beispielsweise fürchtete, seine Lebkuchen kämen in Zukunft aus Aachen. Das konnten wir natürlich ausräumen. In Dresden hingegen waren die Schwierigkeiten bei Dr. Quendt bekannt, so standen wir sogar wie die Retter da.

Wie schnell haben Sie denn Trends erkannt und umgesetzt?
Zunächst haben wir begonnen, um die Printen herum ein Saisonsortiment auszubauen, mit dem Schwerpunkt westdeutscher Prägung: Dominosteine, Herzen, Spekulatius etc. Damit wurden wir zunächst stärker, bis wir dann im Süden zukaufen konnten. Das startete mit Weiss in Neu-Ulm, ein Unternehmen, das auch in Nürnberg produzierte. Um unseren Konkurrenten Kinkartz haben wir lange geworben, auch einmal über eine Fusion nachgedacht, aber erst nachdem Kinkartz von Südzucker gekauft wurde, kamen wir Jahre später zum Zug. Ebenso haben wir in den achtziger Jahren begonnen, Ganzjahresprodukte herzustellen, aber nicht solche, die es im Markt schon gab. Wir hatten im Printen- und Leb-kuchenbereich gelegte Mischungen im Sortiment und haben diese auch für Gebäcke konzipiert. Diese Mischungen sind heute bei fast allen Ketten gelistet – egal ob unter Marke oder Eigenmarke.

Frisch-Backwaren haben Sie zusätzlich ins Sortiment genommen?
Wir haben bei Bäckern geschaut, welche Produkte dort gut laufen, wie Mandelhörnchen oder Nussecken, und haben diese dann als neues Segment mit dem Handel gemeinsam für das Kuchenregal entwickelt, mit einer Haltbarkeit von ca. acht Wochen. Später, nach der Beteiligung an der Konditorei Otten, kamen Florentiner, Baumkuchen und Vitalgebäck dazu. So wurden wir mit den Jahresprodukten immer stärker.

Mit dem Einstieg in Handelsmarken haben Sie sogar eine der großen Herausforderungen der Handelsentwicklung des letzten Jahrhunderts gemeistert, nicht wahr?
Wir waren uns nie zu fein, für den Handel Eigenmarken herzustellen. Und die Entwicklung in Richtung Premium-Eigenmarken im Lebensmittelhandel und Discount gibt uns Recht. Wir hatten bei meinem Arbeitsantritt bei Lambertz das Problem, dass wir als Premiummarke ausschließlich fachhandelsorientiert waren. Doch der Handel mit Süßwaren entwickelte sich seit den 70er Jahren immer mehr Richtung Supermarkt und Discount; es bestand also die Gefahr, in Schönheit zu sterben. Ich bin selbst zu den Einkaufsleitern der Ketten gefahren und habe unsere neuen Sortimente vorgestellt.


Werbung, in TV oder großflächigem Print, war bisher nicht auf Ihrer Agenda. Dennoch kennt Sie jeder ..
Ich habe damals in den Gesprächen mit dem Handel gemerkt, dass es von Vorteil ist, wenn man bei einer Neuausrichtung als Inhaber selbst kommt und seine Produkte anbietet. Ich halte es auch für wichtig, keine Berührungsängste zu haben. Der Handel schätzt das und weiß auch, dass man mit Familienunternehmen oft ganz unkompliziert Ideen umsetzen und eine neue Produktidee ganz schnell ins Regal bringen kann. Und das Prinzip, selbst Flagge zu zeigen, gilt nicht nur im Handel, sondern auch auf politischer und gesellschaftlicher Ebene. Ich stehe persönlich mit meinem Gesicht und meinem Handeln für mein Unternehmen: Ich erzähle die Geschichte meines Unternehmens und seiner Produkte. Das ist, wie man heute sagen würde, Content Marketing. Ich bin fest davon überzeugt, dass dieser persönliche Ansatz wertvoll ist. Erst letztes Jahr sind wir zur internationalen Superbrand gewählt worden, ohne jemals in Endverbraucherwerbung investiert zu haben.

Dieses Konzept taugt nicht für jeden Unternehmer?
Sicher nicht. Diese spezielle Art zu kämpfen, diese Verbindung von Person und Firma, muss man wollen und leben und dabei wissen, dass man auf jegliche Freizeit verzichtet.

Nachhaltig

Seit 2011 arbeitete Lambertz daran, Eier aus Bodenhaltung und nachhaltiges Palmöl zu verwenden. Inzwischen gibt es die Zertifizierung vom Roundtable on Sustainable Palm Oil. 2012 trat Lambertz dem Forum Nachhaltiger Kakao bei. Seit 1. Januar 2017 wird bei den Jahresprodukten ausschließlich Fair-trade-Kakao verwendet.

Gibt es weitere Expansionspläne?
Auch hier ist nicht alles planbar. Wenn das richtige Unternehmen auf dem Markt ist – und so viele, die zu uns passen können, gibt es nicht mehr – wird sich das ergeben. So wie damals bei Weiss, kommt es dann auch auf den persönlichen Kontakt an. Das gilt übrigens auch im Exportgeschäft. Als wir in den USA eine eigene Firma gegründet und nicht mehr auf Importeure gesetzt haben, bin ich beispielsweise selbst nach Bentonville zu Wal-Mart gereist, um diese Neuausrichtung zu erklären. Im Moment gibt es zum Thema Akquisition keine konkreten Pläne, wir können aber auch gut ohne weitere Zukäufe leben.

Wie beurteilen Sie denn die Konzentration im Handel?
Dazu kann man als Hersteller natürlich nur schwerlich etwas sagen. Die Konzentration ist einfach ein Fakt und wir stellen uns darauf ein. Aber man muss dem Handel ja auch ein großes Kompliment machen. Er ist heute viel kreativer geworden und ist immer offen für Innovationen. Auch in Sachen Werbung sind Entwicklungen entstanden, die zeigen, wie der Handel mit der Zeit geht.

Stichwort Digitalisierung: Ihr Onlineshop läuft bestens. Gibt es dazu Kritik aus dem Handel?
Nein, das Ausmaß des Shops ist für den Handel nicht relevant. Die Partner wissen, dass der große Teil der Umsätze immer noch über sie läuft. Aber ich habe vor Weihnachten einmal Homeshopping über QVC probiert und innerhalb einer Viertelstunde 40.000 unserer Präsentkisten, die wir sonst an Prominente verschenken, für 40 Euro abgesetzt. Da diese aber wegen des relativ hohen Verkaufspreises ohnehin nicht im Einzelhandel verkauft werden, war das kein Problem, ganz im Gegenteil, es hat auch zur Nachfrage nach kleineren Produkteinheiten angeregt.

Was ist denn Ihr Geheimnis, so fit und aktiv zu bleiben?
Nun, ich esse gerne Süßigkeiten. Und ich spiele noch immer Tennis, einmal in der Woche. Das ist ja auch genau die Botschaft, die ich und andere Player in der Branche vermitteln möchten: Wer sich bewegt und aktiv ist, darf auch Süßes essen. Wer Markenbotschafter ist wie ich, muss das auch vermitteln. Ich freue mich darüber, dass ich mich mit meinen Produkten identifizieren kann. Das gilt auch für die Gäste auf meinen Events, wie kürzlich Schauspielerin Andie MacDowell. Sie hat gern zugegeben, dass sie Schokolade liebt. Das bringt unsere ganze Kategorie in ein positives Bild.

Denken Sie ans Aufhören?
Nein. Lambertz wird in diesem Jahr 330 Jahre alt und es gilt, diese Tradition weiter zu pflegen.

Lambertz historisch gesehen

  • Seit Ende der 1980er-Jahre expandiert das Unternehmen und übernahm teilweise ehemalige Konkurrenzfirmen samt Produktionsanlagen und Produktpaletten als eigenständige Tochterunternehmen.
  • 1988: Übernahme der Mehrheitsbeteiligung an der Feinbäckerei Otten (Erkelenz)
  • 1989: Übernahme der Heemann Lebkuchenund Süßwarenspezialitäten (Ladbergen)
  • 1994 erwarb Lambertz die 1925 gegründete Max Weiss GmbH in Neu-Ulm, einen Hersteller von Lebkuchen süddeutscher Prägung.
  • Anfang 1999 kam die Backwarensparte der Schöller-Holding (Schokoladenfabrik Haeberlein-Metzger, Kinkartz) dazu.
  • 1998 entstand eine Produktionsstätte im polnischen Kattowitz, um den osteuropäischen Markt anzugehen.
  • Derzeit verfügt die Lambertz- Gruppe über 25 Backstraßen an sieben Produktionsorten.
  • In den USA besteht seit längerem eine eigene Vertriebsgesellschaft in Fairfield (New Jersey), da auch dort mehrere Handelsketten Lambertz-Produkte ins Sortiment aufgenommen haben.
  • 2014 hat die Gruppe die Mehrheitsbeteiligung an der Dresdner Großbäckerei Dr. Quendt übernommen, die unter anderem Russisch Brot, Christstollen, Oblaten und Dinkelchen herstellt.
  • Mit Wirkung zum 1. Mai 2015 übernahm Lambertz sämtliche Geschäftsbetriebe der Ifri Schuhmann- Gruppe in Nürnberg (Burg Lebkuchen, Josef Wendler Nougatfabrik) und wurde damit erstmals auch Anbieter von Nougat-Produkten.

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