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Angesichts der Komplexität des Themas Nachhaltigkeit ist es nach Ansicht von Dr. Simons vom Verbraucher schlichtweg zu viel verlangt, am PoS die Nachhaltigkeit von Produkten zu beurteilen. „Ich sehe deshalb den Einzelhandel in der Verantwortung, dass nach sozialen und ökologischen Standards produzierte Ware in den Regalen liegt.“ Damit lief er bei Dr. Ludger Breloh offene Türen ein: „Wenn wir uns nur auf den Endkonsumenten verlassen, dann werden wir nicht zu großen Veränderungen kommen. Für uns als Händler wird es immer wichtiger, für welchen Geschäftspartner, welchen Lieferanten wir uns entscheiden.“ Gemeinsamkeit von Hersteller und Handel sei wichtig, „um gemeinsam die komplexen Anforderungen zu vereinheitlichen.“ Beispiele seien die für Palmöl oder Kakao gegründeten Foren bzw. Runden Tische, in denen Hersteller und Handel gemeinsam rohstofforientierte, sektorale Lösungen finden.
Bei der Umstellung auf nachhaltige Rohstoffe entschied sich Kuchenmeister, nicht mehrere Baustellen gleichzeitig aufzumachen: Nachdem seit 2011 nur noch Eier aus Bodenhaltung verwendet werden, liegt der Fokus nun auf der Verwendung zertifizierten Palmöls. Seit zwei Jahren ist das Unternehmen Mitglied des Runden Tisch für nachhaltiges Palmöl (Round Table on Sustainable Palmoil, RSPO). Diese ersten Schritte in eine „sektorale Umsetzung“ nannte Breloh beispielhaft: „Damit ist Kuchenmeister Vorreiter in der Branche.“ Es sei besser und mutiger, Nachhaltigkeit Stück für Stück in Standardartikeln zu implementieren und damit peu à peu neue Standards für die Branche zu schaffen.
Um Unternehmen bei diesen kostenintensiven Veränderungen zur Seite zu stehen, plädierte Trockels dafür, dass der Handel möglichst einheitliche Zertifizierungen, die idealerweise auch noch europaweit gelten, auf den Weg bringt. So könne vermieden werden, dass ein Händler Kuchen mit Palmöl-Zertifikat und der andere ohne Zertifizierung wünsche. Bei den jetzigen, nicht einheitlichen Vorgaben des Handels, muss Kuchenmeister zwei Linien fahren.
Einig war sich die Runde, dass man letztlich nur mit Beharrlichkeit und klaren Richtlinien den Anteil von zertifiziertem Palmöl incl. Derivate bei der Herstellung von Lebensmitteln erhöhen könne. „70 bis 80 Prozent des in Deutschland genutzten Palmöls bzw. Derivate sind nicht zertifiziert“, sagte May. Mit der Gründung des Forum Nachhaltiges Palmöl Anfang September in Berlin soll auch erreicht werden, so viele Marktteilnehmer wie möglich an den Tisch zu bekommen, um es auf Dauer unattraktiv zu machen, nicht-zertifiziertes Palmöl nach Deutschland einzuführen und damit diejenigen mitziehen, die sich nicht so viele Gedanken machen.
Derzeit liegt der Aufschlag für nachhaltiges Palmöl bei etwa 20 USD/Euro pro Tonne. Doch für Uwe Trockels gibt es keinen Weg zurück. Als RSPO-Mitglied setze man weiter darauf, so viele Unternehmen wie möglich dazu zu bewegen, nachhaltiges Palmöl zu verwenden und damit den Druck auf Markt und Preis weiter zu forcieren: „Wenn nachhaltiges Palmöl Standard wird, dann gehen die Preise runter, weil die derzeit gezahlten Aufschläge entfallen.“
Der Endverbraucher könnte durch Hinweise auf der Verpackung auf den Einsatz nachhaltiger Rohstoffe aufmerksam gemacht werden. Kaufmann Sven Komp verwies auf erfolgreiche Edeka-Eigenmarken. Die „Kaufst du Edeka?“-Kampagne hebt die hohen Anteile einzelner hochwertiger Komponenten in den Produkten wie Butter- oder Nussanteile auf der Verpackung hervor: „Dort könnte sich auch der Hinweis auf die Verwendung nachhaltigen Palmöls finden.“ Damit differenziere sich die Eigenmarke zudem vom Discount. Die Kunden nähmen diesen Unterschied nach seiner Erfahrung positiv wahr und seien auch bereit, den höheren Preis für diese im mittleren bis höheren Preissegment angesiedelten Produkte zu bezahlen.
Mit Blick auf Eigenmarken bleibt die Frage nach Vorteilen für den Hersteller, der den erhöhten Anforderungen des Handels folge. Dr. Breloh: „Es ist klar, dass es Nachhaltigkeit nicht zum Nulltarif gibt, sondern dass sie sich in den Kosten niederschlägt. Diese Leistung muss in irgendeiner Form fair vergütet werden.“ Derzeit werden die nachhaltigen Produkte aber „kostenneutral“ in den Regalen der Rewe-Märkte angeboten: „Wir reden von Produkten für den Massenmarkt. Wenn wir diese zu höheren Preisen verkaufen wollen, laufen wir Gefahr, Marktanteile und Umsatz zu verlieren. Dieses Risiko sind wir bisher noch nicht eingegangen.“
Fotos: Klopsch, Langen