Gekühlte Desserts Die kleine Auszeit aus dem Kühlregal

Gekühlte Desserts: Der Wandel von der klassischen Nachspeise zum internationalen Dessert.

Mittwoch, 18. April 2012 - Sortimente
Heidrun Mittler
Artikelbild Die kleine Auszeit aus dem Kühlregal
Auf und Ab bei den Milchfrischen.
Bildquelle: Christian Belz

In keinem anderen Regal gibt es mehr Bewegung als bei den Milchfrischprodukten: Ständig kommen neue Produkte hinzu, vermeintlich „alte“ werden ausgetauscht. Seit jeher herrscht in dieser Warengruppe ein Verdrängungswettbewerb um den teueren Platz im Kühlregal. Er sorgt dafür, dass nur die jeweiligen Schnelldreher im Angebot bleiben. Diese Abwechslung erfreut – im wahrsten Sinne des Wortes – auch den Konsumenten, der immer auf der Suche nach Neuem ist.

Innerhalb der Warengruppe der Milchfrischen zeichnet sich das Segment „gekühlte Desserts“ durch seine Orientierung Richtung Genuss aus. Wobei es schwierig ist, das Segment überhaupt zu charakterisieren. Grob gegliedert lassen sich frische Desserts anhand ihrer Hauptzutaten in milch- und wasserbasierte Erzeugnisse unterteilen. Während Milchreis und Grießbrei mit Milch gekocht werden, werden Wackelpudding oder rote Grütze bei der Herstellung mit Wasser angerührt.

Schaut man aber nach dem Verwendungszweck, kommt die Definition leicht ins Schleudern. Warum sollte man als Dessert keinen Sahnejoghurt essen? Und wer zum Nachtisch einen Fruchtquark verzehrt hat, ist satt – die übrigen Milchfrischprodukte treten also oftmals in Konkurrenz zu den eigentlichen gekühlten Desserts.

Ein Blick auf die Nielsen-Zahlen des vergangenen Jahres zeigt, dass sich Milchreis hoher Nachfrage erfreute, der Umsatz stieg um knapp 2 Prozent auf 93 Mio. Euro an. Unter dem Sammelbegriff Desserts (Umsatz insgesamt 768 Mio. Euro) werden viele verschiedene Produkte bei Nielsen zusammengefasst, insgesamt büßte dieses Segment 1,2 Prozent ein. Damit haben sie sich aber besser geschlagen als Fruchtjoghurts, bei denen eine Minus von 2,6 Prozent zu Buche steht. Die Gewinner in diesem Regals stehen übrigens gleich daneben: Kaffeekaltgetränke gehen mit einer Steigerung von 10 Prozent durch die Decke. Auf sie entfallen bereits 128 Mio. Euro Umsatz.

Zurück zum Argument Genuss: Innerhalb der uneinheitlichen Gruppe der Desserts entwickeln sich diejenigen am besten, die besondere Geschmackserlebnisse versprechen. So bestätigt zum Beispiel Dr. Oetker, dass Trends wie „light“ oder „functional“ nur eine untergeordnete Rolle spielen. Stattdessen, so Dr. Oetker: „Das Bedürfnis der Verbraucher im Zusammenhang mit dem Verzehr von gekühlten Desserts ist heute noch mehr als früher „genießen“, „sich verwöhnen“, „abschalten“ und „einen Gegenpol zum stressigen Alltag setzen“.

Dieses Argument führt auch Emmi Deutschland an. Geschäftsführerin Elisabeth Wagner-Wehrborn (siehe Kasten) baut auf internationale Spezialitäten wie Panna Cotta oder Tiramisu, die man in vergleichbarer Qualität sonst nur in guten Restaurants bekommt.

Internationalität kennzeichnet ferner Gü. Die Erfolgsstory hat ihren Ursprung in London. Gü ist nach Unternehmensangaben eine der „am schnellsten wachsenden Lebensmittelmarken in Großbritannien mit derzeit 25 Prozent Umsatzanteil in der Kategorie der gekühlten Premium-Desserts“. Die meisten dieser Produkte werden unter Verwendung von 53 Prozent belgischer Kakaoschokolade hergestellt. Seit zwei Jahren ist Gü auch in Deutschland erhältlich, vertrieben von der Uplegger food company. Mit 2,99 Euro habe man eine neue Preisschiene etabliert, so Maximilian Graf Saurma, Business Development. „Der Erfolg ist der Beweis, dass in Deutschland auch hochpreisige Produkte mit guter Handelsspanne zu vermarkten sind und sich viele Konsumenten nicht allein vom Preis leiten lassen.“

Ursprünglich aus den Niederlanden stammt Vla, ein Milchfrischprodukt, das seit der Einführung 2008 einen „unaufhaltsamen Wachstumskurs“ eingeschlagen hat, wie Thorsten Pollmer, Country-Manager Zuivelhoeve Deutschland, sagt. Seiner Ansicht nach erwartet der Verbraucher folgende Merkmale bei einem Dessert: hohe Qualität, Frische und bester Geschmack. Die Zuivelhoeve-Vla punkte genau in diesem Dreieck, durch die Verwendung von frischer Vollmilch, den Verzicht auf Konservierungsstoffe und künstliche Aromen. All das spiegelt sich laut Pollmer „deutlich im Geschmack wider“.

Kleine Verwöhnmomente im Alltag
Kurzinterview mit Elisabeth Wagner-Wehrborn, Geschäftsführerin Emmi Deutschland.

Welche Trends beobachten Sie derzeit bei gekühlten Desserts? 
Zwei Trends dominieren: Premium-Qualität und ungewöhnliche Kompositionen bzw. Geschmacksrichtungen. Qualität ist ein immer wichtigeres Kaufkriterium für Verbraucher. Daher verwenden wir ausschließlich beste Rohstoffe und verzichten auf die Verwendung von künstlichen Aromen und Farbstoffen. Verbraucher wollen zudem überrascht werden – wie bei unserer Dessert-Linie Bontà Divina Delizia. Die Nachspeise hat drei Schichten, die sich optisch, im Geschmack und in der Konsistenz unterscheiden. Die Komponenten wechseln dabei von knusprig bis cremig.

Welche Produkte werden bei Desserts an Bedeutung gewinnen?
Immer bedeutender werden „Spezialitäten“ wie Tiramisu oder Panna Cotta. Normalerweise essen Verbraucher diese Desserts in Restaurants oder bereiten sie mit viel Liebe selbst zu. Jetzt gibt es die Nachspeisen auch im Kühlregal. So verschafft sich der Konsument leicht kleine „Verwöhn-Momente“ im Alltag.

Das geht voll in Richtung Genuss. Ist Kalorien-Zählen unmodern?
Genuss und eine ausgewogene Ernährungsweise schließen sich nicht aus. Es kommt immer auf das richtige Maß an.

Welche Entwicklung prognostizieren Sie für die Klassiker im Sortiment?
Puddings und Grießpuddings gewinnen mittelfristig an Bedeutung. Diese gehörten in unserer Kindheit oft als Nachspeise zum sonntäglichen Essen mit der ganzen Familie. Damit wird der Genuss solcher Desserts für die heute erwachsenen Verbraucher zu einer kleinen Reise in ihre Vergangenheit.

MHD überschritten - was tun?
Produkte, bei denen das MHD abläuft, müssen nicht automatisch im Müll landen. Die Möglichkeiten: Die Verschwendung von Lebensmitteln ist aktuell ein viel diskutiertes Thema in der Branche. Produkte mit einer geringen Restlaufzeit – wie Milchfrischprodukte – sind davon immer wieder einmal betroffen. Es gibt vielfältige Gründe für einen Warenüberhang: das Wetter, saisonale Schwankungen oder einfach eine zu große Bestellung. Was macht man mit Joghurt, Quark und Wackelpudding, wenn das Mindesthaltbarkeitsdatum (MHD) überschritten ist? Antworten dazu von Dr. Björn Börgermann, Referent für Handelsfragen beim Milchindustrie-Verband, Berlin.  Milchfrischprodukte, bei denen das MHD abläuft oder kurz überschritten ist, können weiter verkauft werden. Allerdings muss der Händler das klar kenntlich machen , den Kunden also beispielsweise mit einem Schild über diesen Punkt informieren. Die Ware muss natürlich weiter vorschriftsmäßig in der Kühlung stehen. Der Händler ist verpflichtet, stichprobenartig zu prüfen, ob die Produkte noch verzehrfähig sind. Dazu sollte er also selbst Stichproben ziehen, riechen und schmecken, das Aussehen des Lebensmittels beurteilen.
Wichtig: Sobald das MHD überschritten ist, haftet nicht mehr wie zuvor der Hersteller, sondern der Händler. Berücksichtigen sollte man auf jeden Fall, wie eine Ecke mit reduzierter, überfälliger Ware auf den Kunden wirkt: Wenn sie zum Normalfall wird, leidet das Frische-Image.
 Alternativ kann man Erzeugnisse, bei denen das MHD abläuft, den örtlichen Tafeln spenden.
Voraussetzung für ein solches Handeln ist natürlich, dass man das MHD im Griff hat, sprich, täglich kontrolliert. Wenn neue Ware eingeräumt wird, gehört sie hinter die alte Ware, damit die ältere zuerst verkauft wird.

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Bild öffnen Von der Nachspeise zum internationalen Dessert. Bildquelle: Christian Belz
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