Brot und Backwaren Es wird neu verteilt

Die Backbranche ist im Umbruch. Nicht alle Hersteller kommen mit der steigenden Konkurrenz des backenden Handels klar. Siehe Müller-Brot.

Dienstag, 06. März 2012 - Sortimente
Susanne Klopsch
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Bildquelle: fotolia

Nun will es auch Aldi Nord tun. Denn endlich hat man die unternehmenskonforme Lösung für Backstationen gefunden. Aldi Nord ist damit fast das letzte, große Handelsunternehmen, das seine rund 2.500 Filialen mit Backstationen ausrüstet. Flächendeckend findet der Kunde nun bald bei jedem Händler eine Backstation. Dass der Handel als Bäcker auftritt, sorgt für Umbrüche in der gesamtem Branche, denn seit Jahren hat sich der Konsum bei etwa 85 kg pro Person eingependelt. Handwerksbäcker und Hersteller von Preiseinstiegsprodukten bekommen das besonders hart zu spüren.

Vor allem der Markt für Brötchen war nach Angaben von Armin Werner, Hauptgeschäftsführer des Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks, auch 2011 wieder heiß umkämpft. Hier legten insbesondere die Discounter zu und bauten ihren Marktanteil auf mehr als ein Drittel aus – zu Lasten der Bäckereien. Hans-Jochen Holthausen, Geschäftsführer Harry-Brot: „Gegenüber vor fünf Jahren verdoppelten sich die Umsätze mit Brötchen aus Prebake-Stationen. Sie haben jetzt einen Marktanteil von fast 30 Prozent.“ Vom Umsatzkuchen der Handwerksbäcker haben in immer stärkerem Maße auch SB-Bäcker wie Back-Factory (eine Tochter von Harry-Brot) oder Backwerk Teile abgebissen. Backwerk z. B. erzielte 2011 einen Umsatzzuwachs von 11 Prozent (flächenbereinigt 6 Prozent) auf 153 Mio. Euro.

Sowohl Back-Factory als auch Backwerk rüsten Outlets um und werten sie durch neue Bestuhlung, überarbeitetes Farbkonzept und ein größeres Sortiment auf: Der SB-Bäcker wird Backgastronom. Die neuen Konzepte zeigen bereits Wirkung: „Standorte mit dem neuen Marktauftritt erzielen bis zu 50 Prozent Mehrumsatz“, sagt Peter Gabler, Geschäftsführer Back-Factory. Von den 130 Standorten bundesweit sind mehr als 40 nach dem neuen Konzept gestaltet. 2011 wurden 15 Umbauten realisiert, 2012 sollen weitere 10 bis 15 folgen. Backwerk sieht sich ebenfalls bestätigt, auf veredelte Produkte zu setzen: „Der Umsatzanteil der belegten Brötchen, Snacks und Getränke erreicht in Hochfrequenzlagen schon mehr als die Hälfte des Umsatzes der jeweiligen Filiale“, sagt Backwerk-Geschäftsführer Dirk Schneider. Mit einem besonders günstigen Angebot an Ganzbroten, Weizenbrötchen und süßen Gebäcken sowie Snacks will man seit März bei den Kamps-Bäckereien in Nordrhein-We stfalen „die Discount-Bäckereien aufmischen“, wie es in einer Pressemeldung heißt.

Doch es sind nicht nur die Handwerksbäcker, die das zunehmende Engagement des Handels als Selbstversorger bei Brot und Backwaren zu spüren bekommen. Müller-Brot scheint nicht nur wegen gravierender Managementfehler und massiver Hygieneprobleme Schwierigkeiten zu haben. Unweit des derzeit geschlossenen Werks Neufahrn entstand vor einigen Jahren die Glockenbrot-Bäckerei. Die Rewe bestückt seitdem ihre SB-Regale selbst und fiel als Kunde weg. Branchenkenner bezweifeln, dass Müller-Brot als Unternehmen so überleben kann: Dringend notwendige Investitionen in Maschinen seien ausgeblieben und der Neufahrner Betrieb baulich veraltet. „Für größere Backbetriebe hat sich der Wettbewerb durch das Engagement des Handels als Bäcker schon sehr verschärft“, sagt Armin Juncker, Hauptgeschäftsführer des Verbandes Deutscher Großbäckereien, „vor allem die Vorkassenzone hat zu kämpfen“. Das dürfe allerdings niemals zu den bei Müller-Brot aufgetretenen, schwere n Hygienemängeln führen, stellt er klar. Von den Problemen bei Müller-Brot, die schon seit 2009 bestehen, wusste der Verband offiziell nichts. Zurzeit wird laut Juncker überlegt, das Verfahren so zu ändern, dass Mitgliedsbetriebe Kontrollen und Ergebnisse dem Verband melden müssen.

Der vorläufige Insolvenzverwalter Hubert Ampferl versucht derzeit, das rund 140 Läden umfassende Filialnetz von Müller-Brot zu retten. Filetstücke in besten Lagen wie der Münchner Innenstadt lassen sich sicher verkaufen. Doch was ist mit den weniger attraktiv gelegenen Geschäften? Ampferl ist auch zuversichtlich, dass nach dem Wiederanlaufen der Produktion in Neufahrn Handelskunden wie Lidl oder Aldi Süd zurückkehren. Eine stark optimistische Sicht der Dinge. Denn die Konkurrenz ist groß. Von Lieferengpässen nach dem Ausfall des Neufahrner Werks ist jedenfalls nichts bekannt.

Checkliste für die Krise
Was tun, wenn das Unternehmen in die Negativ-Schlagzeilen geraten ist? Gunther Schnatmann, Deutsches Institut für Kommunikations- und Medientraining in München, rät zu detaillierter Vorarbeit, um sich das Heft des Handelns nicht aus der Hand nehmen lassen. 
  • Einrichtung einer so genannten Darkside im Internet, die im Krisenfall freigeschaltet wird: Sie enthält alle Informationen, Termine für die relevanten Zielgruppen sowie für Journalisten.
  • Gibt es keine Darkside: Auf der Homepage über Hotlines und ähnliches informieren, Ansprechpartner für Journalisten nennen.
  • Frühzeitig festlegen: Wer tritt in der Öffentlichkeit auf und, ganz wichtig, wer informiert die Mitarbeiter.
  • Nicht auf Tauchstation gehen: Tägliche Pressekonferenz vor Ort, um die Fortschritte der Krisenbewältigung zu dokumentieren.
  • Klartext reden; glaubwürdig, authentisch sein; Fehler eingestehen.

Bild: Der backende Handel macht nicht nur den Handwerksbäckern zu schaffen.

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