Der Markt für frische Convenience-Produkte ist alles andere als unterkühlt – und kocht keineswegs auf Sparflamme: Vor allem gekühlte Produkte für die schnelle Mahlzeit zwischendurch stehen bei den Deutschen hoch im Kurs. Das zeigt die repräsentative Verbraucherbefragung „TK-Trendbarometer“, die das Marktforschungsinstitut Innofact im Auftrag des Deutschen Tiefkühlinstituts Mitte Juni 2024 durchgeführt hat. Jeder dritte Deutsche greift demnach mindestens einmal pro Woche zu Convenience-Produkten. Die häufigsten Motive sind der Kauf auf Vorrat (53 Prozent), fehlende Zeit oder Energie zum Kochen (50 Prozent) und der Wunsch nach einer schnellen Mahlzeit im Alltag (48 Prozent). Männer (41 Prozent), Jüngere zwischen 18 und 39 Jahren (39 Prozent) und sogenannte „Vielnutzer“, die mindestens einmal im Monat Tiefkühlprodukte verwenden (39 Prozent), kaufen deutlich häufiger Convenience-Produkte.
Der Umfrage zufolge verbinden die Verbraucher mit diesen Produkten vor allem die Möglichkeit der „Zeitersparnis“ (69 Prozent) und sehen sie als praktische Alternative, wenn die Lust zum Selberkochen fehlt. Wichtigstes Kaufkriterium für die Befragten ist der Geschmack der Convenience-Produkte (81 Prozent), gefolgt von frischen (69 Prozent) beziehungsweise gesunden Zutaten (67 Prozent) und der Zeitersparnis bei der Zubereitung (66 Prozent).
Diese Erkenntnisse bestätigt auch der aktuelle Report des Ernährungsnetzwerks Nutrition Hub, das im Frühjahr 2024 unter dem Titel „Convenience Food & Essen to go“ 23 Ernährungsexperten zu Convenience-Trends befragt hat. Der Trend zu „gesünder“, „nachhaltiger“ und „pflanzlicher“ verstärkt sich auch bei Convenience-Food und Essen to go. In Zukunft wird nicht weniger gekocht, sondern der Kochalltag wird digitaler und dank Smarthome und künstlicher Intelligenz (KI) effizienter, so der Bericht. Die Ansprüche der Verbraucher an Convenience-Food und Essen to go sind deutlich gestiegen, berichten viele der befragten Branchenexperten. In der Vergangenheit mögen Verbraucher das Segment mit schneller Sättigung in Verbindung gebracht und Abstriche beim Geschmack hingenommen haben. Heute müssten zusätzlich die Aspekte Gesundheit, Nachhaltigkeit und Genuss stimmen. Dafür sind einige Verbraucher bereit, mehr Geld auszugeben, aber nicht unbedingt mehr Zeit aufzuwenden.
Umsatzsprung in der Pandemie
Die Datenplattform Statista hat für eine ihrer Market Insights den deutschen Markt für Convenience-Food unter die Lupe genommen. Der Umsatz mit diesen Produkten lag den Angaben zufolge 2018 bei 7,1 Milliarden Euro und steigt seitdem kontinuierlich an. Im Jahr 2020 lag der Gesamtumsatz bei 7,6 Milliarden Euro und machte – auch bedingt durch die Pandemie – einen Sprung auf über 8,1 Milliarden Euro im Jahr 2021. Im Jahr 2023 wurde die 10-Milliarden-Euro-Marke knapp geknackt, und für 2024 gibt Statista 10,4 Milliarden Euro an. Dabei ist allerdings die hohe Lebensmittelinflation in den vergangenen zwei Jahren zu berücksichtigen. 2029 soll der Umsatz dann bei knapp 12,7 Milliarden Euro liegen – Tendenz weiter steigend. Das entspricht einem jährlichen Umsatzwachstum von 4,1 Prozent. Der jährliche Pro-Kopf-Umsatz für Convenience lag 2018 bei rund 85 Euro pro Bundesbürger, zwei Jahre später waren es bereits 5 Euro mehr. Im Jahr 2022 stieg der Umsatz auf 117 Euro, für das laufende Jahr werden rund 124,90 Euro erwartet. Für 2029 prognostizieren die Datenexperten 153,40 Euro, die pro Kopf für Convenience-Gerichte ausgegeben werden.
Deutsche essen immer mehr unterwegs
Das Bedürfnis nach einer schnellen Mahlzeit zwischendurch ist groß. Das zeigt eine neue Studie des Marktforschungsinstituts Yougov. Mehr als ein Drittel der Verbraucher nimmt sich demnach mindestens ein- bis zweimal pro Woche keine Zeit für eine Mahlzeit am Esstisch. Stattdessen essen diese Konsumenten laut Yougov zum Beispiel während der Arbeit, unterwegs oder erledigen beim Essen mehrere Aufgaben gleichzeitig. Der Trend zum Multitasking beim Essen zeigt sich vor allem bei den 18- bis 24-Jährigen: Fast zwei Drittel (62 Prozent) dieser Altersgruppe essen mindestens ein- bis zweimal pro Woche „on the go“. Ungefähr jeder Vierte (28 Prozent) ist der Studie zufolge mit dem Angebot an Fertiggerichten zum Mitnehmen unzufrieden – trotz der offenbar hohen Nachfrage. Ein Grund dafür kann die oft ungesunde und begrenzte Auswahl sein, wie die Umfrage ergab.
Hersteller bestätigen das Wachstum
Dass Convenience nach wie vor im Trend liegt, bestätigt Oliver Frielingsdorf, Marketingleiter beim Remscheider Hersteller Steinhaus. „Die Menschen suchen schnelle Lösungen für ihren Alltag. Berufstätigkeit, Zeitmanagement und mangelndes Wissen über die Zubereitung von Speisen treiben dieses Segment an.“ Frielingsdorf glaubt nicht, dass die wirtschaftliche Krise zu einem Verzicht auf Convenience führen wird, „es kann aber durchaus sein, dass durch Aktionen oder günstigere Alternativen mehr konsumiert wird“. Eine positive Entwicklung sieht er auch bei größeren Verpackungseinheiten. Zu den Ankersegmenten im Bereich Chilled-Food-Convenience zählen laut Frielingsdorf frisch gekühlte Teigwaren. „Die positive Entwicklung der letzten Jahre setzt sich fort und wird durch zum Teil größere Verpackungseinheiten noch verstärkt.“ Die klassischen Formen und Füllungen der italienischen Pasta sind nach wie vor sehr gefragt.
Einen anhaltenden Trend zu Convenience-Produkten sieht auch Andrea Neubert, Marketingleiterin beim Hersteller Bürger. Vor allem der Bereich der gekühlten Teigwaren wachse weiter, so die Marketingleiterin. Bundesweit sei ein deutlicher Kulturwandel von der Kartoffel zur Pasta zu beobachten, der den Herstellern in die Hände spiele. Laut Neubert greift vor allem die Generation X über die Millennials bis hin zu den iBrains verstärkt zu gekühlter Pasta. Auch in ihrem Unternehmen sei von Krise nichts zu spüren. Das derzeitige Konsumklima lasse die Verbraucher aber bewusst einkaufen. Gerade bei Convenience-Produkten ist das Einkaufsverhalten eher von mehreren kleinen, bedarfsorientierten Einkäufen im Handel geprägt als von größeren Einkäufen. Der Kunde vermeidet den Kauf von zu viel Ware und möchte weniger wegwerfen. Generell lasse sich sagen, dass nicht auf Convenience verzichtet, sondern gezielter und bedarfsorientierter ausgewählt werde, so Neubert.
Viola Henglein, Geschäftsführerin für Marketing und Vertrieb beim Hersteller Henglein, ist für die Zukunft optimistisch gestimmt: „Betrachtet man die Umsatzentwicklung laut Nielsen der letzten 52 Wochen bis Ende August im für die Marke relevanten LEH ohne Aldi, Lidl, Norma, so wachsen wir moderat (Frischteigprodukte, Fertigteige, Frischteig gesamt).“ Einzelne Subkategorien wie Gnocchi oder Blätterteig entwickeln sich überdurchschnittlich (Umsatzentwicklung Gnocchi-Markt: + 12,1 Prozent, Blätterteig: + 9,8 Prozent). Zwar beobachtet die Geschäftsführerin einen steigenden Anteil von Handelsmarken in den Segmenten. Aber: „Marken sind nach wie vor ein unverzichtbarer Bestandteil eines ausgewogenen und attraktiven Sortiments im Handel, denn sie bringen Frequenz und Ertrag“, so Viola Henglein.
Eine steigende Nachfrage nach veganen Produkten im Convenience-Bereich sieht Walter Bauer, Vertriebsleiter des Herstellers Settele. Laut Bauer interessieren sich immer mehr Verbraucher aus ethischen, gesundheitlichen oder ökologischen Gründen für pflanzliche Alternativen zu Fleisch, Milchprodukten und Eiern. Entsprechend zufrieden ist der Vertriebsleiter mit der Umsatzentwicklung seiner veganen Produktlinie, die mittlerweile Spätzle, Maultaschen, Schupfnudeln, Gnocchi und Suppeneinlagen umfasst.
Timo Burger, Geschäftsführer des Herstellers Burgis, sieht ein gesundes Wachstum bei Fertiggerichten: „Natürlich spielt der Preis eine Rolle – aber unsere Knödelspezialitäten gehören zu den preiswerten Convenience-Produkten. Im zweiten Jahr in Folge konnten wir die Preise im Regal stabil halten und gleichzeitig den Absatz steigern.“
Hülsenfrüchte und Bio sind angesagt
Laut Gerald Gehrke, Geschäftsführer für die deutschsprachigen Länder bei Bonduelle, spielen vor allem Fertiggerichte auf Basis von Hülsenfrüchten mit ihrem hohen Proteingehalt eine zentrale Rolle im Convenience-Bereich, insbesondere solche, die die flexitarische Lebensweise unterstützen. Convenience-Produkte, die sowohl kalt als auch warm verzehrt werden können, sind laut Gehrke besonders erfolgreich. Von Krisenstimmung ist bei Bonduelle nichts zu spüren: „Es mag sein, dass die Verbraucher preisbewusster einkaufen. Aber Fertiggerichte, die ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis bieten und zu einer ausgewogenen Ernährung beitragen, sind nach wie vor gefragt.“
Vor allem Bio-Produkte liegen in der Gunst der Verbraucher weit vorn, so Uwe Selent, Geschäftsführer des bayerischen Herstellers Zimmermann. Das Unternehmen ist nach eigenen Angaben einer der größten Anbieter von Bio-Frischteigwaren. Neu ist seit diesem Jahr eine Kooperation mit dem Bio-Hersteller Andechser Natur, in deren Rahmen Zimmermann Bio-Frischteigwaren unter der Marke des Partners vertreibt. Eingeführt wurden zunächst die drei Nudelsorten Andechser Bio-Trigoni – mit feiner Käsefüllung –, Andechser Bio-Gnocchi sowie Andechser Bio-Eierspätzle.
Doch wie können Händler von der Nachfrage nach Convenience profitieren? Der Handel sollte auf einen attraktiven Mix von Gerichten und Packungsgrößen setzen, empfiehlt Oliver Frielingsdorf. Auch saisonale Aspekte sollten bei der Sortimentsarbeit berücksichtigt werden. Frisch gekühlte Teigwaren sind ein wichtiger Sortimentsbaustein: „Teigwaren lassen dem Verbraucher noch einen kreativen Rest an Selbstbestimmung bei der Zubereitung eines Gerichtes.“
Zu Vielfalt bei Convenience rät Andrea Neubert: „Das ist es, was die Verbraucher suchen, denn Convenience-Produkte werden häufiger als einmal pro Woche gegessen.“ Für den Handel ist daher eine gute Mischung aus klassischem Sortiment und neuen Geschmacksrichtungen von Vorteil. Viola Henglein empfiehlt einen Mix aus ertragsstarken Topsellern und innovativen Neuprodukten. Nach Meinung von Gerald Gehrke sollte der Handel auf jeden Fall pflanzliche Convenience-Produkte im Sortiment haben, die den Bedürfnissen moderner Verbraucher entsprechen, indem sie sich flexibel an unterschiedliche Ernährungsstile wie vegetarisch, vegan oder flexitarisch anpassen lassen.