In 650 Märkten 1.800 Backkammern. Bis Ende des Jahres werden es etwa 2.000 in rund 700 Märkten sein. Thomas Weidhaas ist zufrieden: „Wir haben einen sehr guten Lauf, die Umsetzung ist sehr dynamisch.“ Weidhaas ist die zentrale Schnittstelle bei der Rewe für alle Themen rund um die Theke sowohl für Bake-off als auch Gastro (siehe Kasten). Und verantwortlich für das Projekt „Assistiertes Backen“.
Zur Person
Thomas Weidhaas ist seit 1991 bei der Rewe. Als Funktionsbereichsleiter Vertriebskoordination Service/Senior Category Buyer Gastronomie ist er die Schnittstelle für alle Themen rund um die Theke, von Bake-off inklusive Gastro, den nationalen Fachabteilungen und den Verkaufsorganisationen. Seit 2018 ist er zudem Einkäufer für gastronomische Sortimente. Er ist verantwortlich für die Umsetzung des Projektes "Assistiertes Backen".
Der Projektname „Assistiertes Backen“ klingt harmlos. Doch dahinter verbirgt sich die strategische Entscheidung der Rewe Group in Deutschland, bis 2028 das Backen in den Backstationen der Rewe-Märkte auf neue Beine zu stellen: technisch zentral vernetzt, gesteuert mithilfe künstlicher Intelligenz (KI), mit intelligenten Backöfen, deren Backprogramme digital angepasst werden. So können auch ungeübte Mitarbeiter den Ladenbackofen bedienen – mit immer gleich guten Backergebnissen. „Es geht um Effizienz sowohl bei den Prozessen als auch beim Wareneinsatz, um immer gleichbleibende hohe Qualität und damit auch die Differenzierung vom Discount“, formuliert Weidhaas die Ziele.
Dazu mussten allerdings alle eine steile Lernkurve durchlaufen. Und auch heute bleibt lernen angesagt. Auf den Weg gebracht wurde das Projekt 2015. „Ein Mitarbeiter der Software-Schmiede Precitaste kam zu uns und stellte uns ein durch KI gestütztes Backprogramm vor“, berichtet Weidhaas. Das, was der Mitarbeiter in Theorie und Praxis vorstellte, „fanden wir als Rewe erst mal grundsätzlich interessant“. Aber wie konnte das in die Rewe-Welt einfließen?
In einem ersten Schritt wurden zunächst einige Öfen mit der Precitaste-Software nachgerüstet. Zum Einsatz kam ein Kamerasystem in Verbindung mit KI. Die ersten Ergebnisse beim Projektstart 2016 waren ernüchternd. „Wir konnten erstmals transparent sehen, was da im Markt eigentlich passiert. Wir waren davon ausgegangen, dass die Mitarbeiter durch Schulung und die Backprogramme bei der Beschickung der Öfen alles richtig machen“, sagt Weidhaas. „Die Fehlerquote lag aber bei 65 Prozent.“
Sehen ist wortwörtlich zu verstehen: Die Kamera im Ofen nahm jedes Backblech auf, das in die Öfen geschoben wurde. Und machte ein Foto, wenn das Blech den Ofen wieder verließ. Croissants plus Ganzbrot, Laugengebäck plus Apfeltaschen: Das Foto zeigte schonungslos, was da gemeinsam gebacken wurde und niemals zusammen auf dem Backblech hätte landen dürfen.
Das konnte so nicht bleiben, das war den Verantwortlichen der Rewe klar. „Im Einkauf war man immer auf der Suche nach den passenden, qualitativ hochwertigen Produkten für die Bake-off-Stationen, aber die Qualität hat im Endeffekt der Mitarbeiter vor Ort bestimmt“, schildert Weidhaas das Dilemma. Nun musste die KI zeigen, was sie kann.
Die KI lernt backen
Und die KI lieferte. So viel vorneweg. Dafür brauchte sie aber Daten, Erfahrungswerte. Etwa 300 Backvorgänge waren nötig – pro Produkt. Trainiert wurde mit den Topsellern. Die KI lernte, den Ofen so zu bedienen, dass die zuvor definierte Optik fürs Produkt erreicht wird. Inklusive optimaler Beladung und Bestückung der Backbleche. Das bedeutete auch: Hatte der Mitarbeiter einen Fehler, etwa bei der Belegung des Bleches, gemacht, startete der Ofen keinen Backvorgang – erst wenn die Nachbesserung den Vorgaben entsprach, konnte es losgehen. Mit immer dem gleichen Ergebnis. Dass sich dieser Aufwand lohnt, sah Weidhaas rasch: „Schon im ersten Monat des Backens mit Assistenzsystem reduzierte sich die Fehlerrate um insgesamt 20 Prozent“, sagt der Rewe-Manager.
2018 kam Welbilt mit dem Convotherm ins Boot. Der Kombidämpfer kann backen und garen. Für die Rewe auf lange Sicht auch spannend mit Blick auf die Optionen für die Angebote in der „Heißen Theke“. 2019 gab es einen zweiten Test mit den „aufgerüsteten“ Convotherm-Geräten. Und auch hier überzeugten die Ergebnisse wieder: „Geringere Fehlerquote, gestiegene Qualität, die Umsätze stiegen in allen Märkten noch stärker als in den Referenzmärkten“, sagt Weidhaas. Das Projekt konnte starten. KI zog sukzessive in die Öfen ein. „Seit Ende 2020 wird in allen Umbauten und den Expansionsgeräten die kameragestützte KI eingesetzt“, sagt Weidhaas. Derzeit sind wie gesagt etwa 1.800 Backkammern in rund 650 Märkten angeschlossen.
Die Daten werden zentral bei der Rewe digital in Köln gespeichert und verwaltet. Über die Precitaste Bake-IT-Cloud hat der Außendienst der Rewe einen Zugang, um die Daten für „seine“ Märkte einsehen zu können.
Gleichzeitig können über die IT Strom- und Wasserverbrauch der Öfen quasi in Echtzeit kontrolliert werden. Auch die Wartung der Geräte kann über diese Schnittstelle optimiert werden für eine verlängerte Lebenszeit der Öfen.

Die Ziele der Rewe bis 2028
Mindestens 90 Prozent der Rewe-Backöfen beziehungsweise Kombidämpfer sind vernetzt und arbeiten mit einem Assistenzprogramm. Die Daten werden zentral bei der Rewe in Köln gespeichert. Über eine eigene Cloud hat der Außendienst der Kölner Zugang. Strom- und Wasserverbräuche können in Echtzeit kontrolliert werden. Die KI unterstützt bei der Optimierung der Gerätelaufzeiten und Wartung. Die Gerätehersteller haben einen Supportzugang.
Mehr Partner ins Boot holen
Und heute? Die Märkte, die assistiert backen, lobten das System, sagt Weidhaas. Da der Ofen auch den Garraum überwacht, gibt er selbsttätig bei passender Temperatur das Signal zum Beschicken: „Das Feedback aus den Märkten: Das spart uns Zeit“, sagt Weidhaas. Und auch die Kunden lobten die verbesserte Qualität (siehe blauer Kasten am Schluß „Die Vorteile der KI-Lösung“).
Perspektivisch soll die Kamera raus aus den einzelnen Öfen. Dann brauche man nur eine Kamera, die den gesamten Backbereich im Markt überblicke. Das ist mit der Datenschutzgrundverordnung vereinbar? „Ja“, sagt der Projektverantwortliche, „man sieht den Menschen nicht, der den Ofen beschickt. Lediglich das belegte Blech ist klar zu sehen, der Rest verschwommen, es ist keine Person zu erkennen.“
Der Funktionsbereichsleiter hätte allerdings gerne weitere technische Partner mit an Bord. Anfang des Jahres gab es bereits Testläufe mit der Debag, dem sächsischen Anbieter von Backöfen, Gär- und Kühltechnik für Bäckereien. Derzeit sind die Bautzener in der Testphase mit einer neuen Software. Denn nur wenn alle Geräte eine Sprache miteinander sprechen, wenn sich alle verstehen, dann funktioniert die zentrale Steuerung der Backkammern. „Die Netzwerkanbindung muss funktionieren“, sagt Weidhaas.
Inzwischen braucht die KI bei Neuprodukten keine 300 Backvorgänge mehr, bis das Gebackene den Rewe-Qualitätsanforderungen entspricht. Die KI hat genug Erfahrung gesammelt. In der Precitaste Bake-IT-Cloud kann der Ofen zudem auf bereits hinterlegte Informationen zurückgreifen. Sollte es doch mal nicht passen, hat der Mitarbeiter vor Ort die Möglichkeit, den Ofen manuell zu bedienen.
Digitaler Backplan wird 2025 kommen
Der digitale Backplan ist noch Zukunftsmusik – aber in Arbeit. „Die technische Oberfläche muss verbessert werden“, sagt Weidhaas. Das Ziel: „Die Information muss an den Ofen und muss sofort sichtbar sein für den Mitarbeiter“, sagt Weidhaas. In diesem Zuge hofft der Funktionsbereichsleiter, ein weiteres Problem in den Griff zu bekommen: wann in den Märkten gebacken wird. Denn dank der Vernetzung ist offensichtlich, dass in den Filialen vor allem vormittags frisch gebacken wird. Die Frequenz soll in Richtung Nachmittag ausgebaut werden: „Die Qualität stimmt, aber bei der Frische gibt es noch Luft nach oben.“ Schließlich will die Rewe dem Discount mehr als eine Nasenlänge voraus sein.
Vor allem bei Snacks erwartet der Funktionsbereichsleiter weiteres Wachstum hierzulande, da müssen die Nachmittage in den Rewe-Backstationen einfach besser abgedeckt sein. Derzeit laufen Tests in einzelnen Filialen. Weidhaas geht davon aus, Anfang 2025 in allen dann angeschlossenen Märkten starten zu können.
Der nächste Schritt
Das KI-gestützte System soll auch im Gastro-Bereich („Heiße Theke“) für gleichbleibende Qualitäten zu jeder Tageszeit bei Frikadellen, Schnitzeln und Fleischkäse sorgen. Convotherm hat eine ganz neue Gerätegeneration entwickelt. „Wir sind im Testmodus“, sagt Weidhaas zum aktuellen Stand, „wir ziehen die Sortimente glatt.“ Sprich: Grammaturen und Optik werden definiert und im Ofen getestet. Dann kann es im nächsten Jahr losgehen mit der KI in der „Heißen Theke“.
Die Vorteile der KI-Lösung
- Einfacher Prozess im Markt: Der Mitarbeiter muss kein Programm mehr auswählen. Er braucht keine Vorkenntnisse. Das Gerät startet automatisch das richtige Backprogramm.
- Gleichbleibende Produktqualität, und das unabhängig von den regionalen Vorlieben der Kunden. Das überzeuge auch die Kunden, sagt Thomas Weidhaas: „Vor allem bei süßen Snacks und Laugengebäck wird die deutlich bessere Qualität gelobt.“
- Backfehler werden vermieden: Der Backofen erkennt selbstständig falsche Bestückung und verhindert dann das Backen. Backzeiten werden eingehalten – und die Türen lassen sich im laufenden Programm nicht mehr öffnen.
- Es gibt kein automatisches Vorheizen beim Programmstart. „Der Ofen überwacht auch den Garraum und gibt bei passender Temperatur das Signal zum Beschicken“, beschreibt Weidhaas. Notfalls wird die Temperatur kurzzeitig mal etwas erhöht. „Das Feedback aus den Märkten: Das spart uns Zeit.“