Die Intertabac-Messe, die vom 19. bis 21. September in Dortmund stattfindet, wird in diesem Jahr erneut zur Bühne für die wachsende E-Zigaretten-Industrie. Besucher, die durch die ersten Hallen schlendern, werden von einer bunten Welt voller süßer Dämpfe empfangen, in der Marken wie Elfbar, Waka und Crystal den Ton angeben. Diese Produkte, überwiegend in China gefertigt, haben sich als die neuen Hoffnungsträger einer Industrie etabliert, die sich rasant neu erfindet. Dagegen wirken die klassischen Tabakprodukte von Zigaretten über Zigarren bis zu Zigarillos fast wie Überbleibsel einer vergangenen Ära. Dieser Eindruck täuscht nicht.
Der Markt für traditionelle Tabakwaren steht unter massivem Druck. „Der Zigarettenmarkt ist seit Jahren rückläufig und wird auch in Zukunft weiter schrumpfen“, erklärt Jan Mücke vom Bundesverband der Tabakwirtschaft und neuartiger Erzeugnisse. Seit 1991 hat sich der Absatz von Zigaretten mit aktuell 64 Milliarden Stück in Deutschland mehr als halbiert. Zusätzlich treiben Preissteigerungen und eine zunehmende Flut gesetzlicher Einschränkungen die Hersteller in die Defensive. Dabei gehen die Gesetzgeber mit den Zigarettenherstellern in Deutschland noch vergleichsweise milde um, wie ein Blick in das Ausland zeigt: So hat das belgische Parlament beschlossen, ab April 2025 den Verkauf von Tabakwaren in großen Supermärkten, Restaurants und auf Festivals zu verbieten. Noch weiter geht Großbritannien mit einem Gesetzesentwurf, der das Ziel verfolgt, den Verkauf von Zigaretten für alle Personen zu verbieten, die nach dem 1. Januar 2009 geboren wurden. Die Maßnahme zielt darauf ab, eine Generation ohne Tabak heranwachsen zu lassen.
In Deutschland trifft ein solcher Vorstoß auf erheblichen Widerstand. Verbandschef Jan Mücke warnt vor den Konsequenzen eines solchen „Gesellschaftsexperiments“. Er zieht Parallelen zur Alkoholprohibition der 1920er-Jahre in den USA, die nicht nur die Kriminalität anheizte, sondern auch gravierende Folgen für die öffentliche Gesundheit hatte. Auch Peter Fobe, Sprecher von Reemtsma, sieht weitere Einschränkungen kritisch. Er befürchtet, dass Maßnahmen wie Einheitsverpackungen oder Aromenverbote das Ziel des Jugend- und Gesundheitsschutzes verfehlen und stattdessen den illegalen Markt befeuern könnten. Auch plötzliche und drastische Steuererhöhungen würden das Risiko bergen, dass Konsumenten auf günstigere, oft illegale Produkte umsteigen, die von kriminellen Netzwerken vermarktet werden, ist Jaanus Pauts, Sprecher von JTI Germany, überzeugt. Untersuchungen zeigen, dass bereits heute etwa 2,2 Prozent aller in Deutschland konsumierten Zigaretten illegal in den Markt gelangen – Tendenz steigend.
"Der Zigarettenmarkt ist seit Jahren rückläufig und wird auch in Zukunft weiter schrumpfen."
Doch nicht nur die Regulierung setzt der Branche zu. Die Hersteller stehen auch vor erheblichen wirtschaftlichen Herausforderungen. Die Rohstoffpreise sind in den letzten Jahren stark gestiegen, was vor allem auf Ernteausfälle in Brasilien zurückzuführen ist. Zusätzlich belasten höhere Lohnkosten, teurere Verpackungsmaterialien und steigende Logistikkosten die Margen. Die globale geopolitische Lage, insbesondere die Krise im Roten Meer, hat die Logistikkosten weiter in die Höhe getrieben.
JTI, Hersteller von Marken wie Winston und Camel, gibt an, dass Energie der größte Kostentreiber ist. Um langfristig unabhängiger von Energiepreisschwankungen zu werden, investiert das Unternehmen verstärkt in erneuerbare Energien.
Verbraucher müssen mehr zahlen
Kostensteigerungen werden in der Regel direkt an die Konsumenten weitergegeben. So zahlen Raucher immer mehr für ihre Glimmstängel: Die Preise für Marlboro-Zigaretten in der Kingsize-Variante sind laut dem Großhändler Lekkerland um 30 Cent auf 8,70 Euro gestiegen. Reemtsma streicht alle Automatenpackungen für 8 Euro und bietet die günstigsten Packungen nun für 9 Euro an. British American Tobacco (BAT) hat die 20er-Packung seiner nachhaltigen Lucky- Strike-Varianten aus dem Sortiment genommen und verlangt nun 10 Euro für eine 24er-Packung. „Den Herstellern bleibt nichts anderes übrig, als ihre Produktionsprozesse noch stärker als bisher zu rationalisieren. Dennoch müssen steigende Kosten an die Verbraucher weitergegeben werden“, sagt Jan Mücke. Es wird also in den nächsten Jahren nicht günstiger werden.
Innovativ mit Alternativen
Wirkliche Innovationen findet man in diesem wirtschaftlichen Umfeld dann auch kaum noch. Die Konsumenten klassischer Tabakwaren fragen zunehmend günstigere Handelsmarken sowie Großpackungen und Drehtabak nach. Die Zukunft der Branche sollen die sogenannten Erhitzer sichern. Anders als bei E-Zigaretten, bei denen eine nikotin- und aromahaltige Flüssigkeit verdampft wird, kommt bei diesen Produkten meistens echter Tabak zum Einsatz, der jedoch nicht verbrannt wird. Nach Aussage der Hersteller geht der Konsument so ein geringeres Gesundheitsrisiko ein als bei der klassischen Zigarette.
Als Pionier in diesem Bereich muss man Philip Morris nennen. Die Marke Iqos wurde in Deutschland im Mai 2017 eingeführt. Aktuell will der Hersteller mit neuen Sticks Akzente setzen, die keinen Tabak enthalten. Unter dem Markennamen Levia kommen die neuen Iqos-Stäbchen mit überwiegend pflanzenbasierten Inhaltsstoffen, denen Aromen und Nikotin zugesetzt werden, derzeit in den Handel. Auch BAT bietet schon länger mit Glo einen Erhitzer an, der sowohl mit Tabak als auch mit Sticks auf Rooibosbasis genutzt werden kann. Im Mai dieses Jahres hat zudem das in Köln ansässige Tabakunternehmen JTI mit Ploom X Advanced die neueste Generation seines Heaters in Deutschland eingeführt.
Streitfrage Nikotinbeutel
Doch bei Vapes und Erhitzern soll es im neuen Markt der Zigarettenalternativen nicht bleiben. Insbesondere Philip Morris will in Deutschland eine noch weitgehend unbekannte Kategorie vorantreiben: Snus (Kautabak mit Nikotin) und Nikotinbeutel (ohne Tabak). Gerade Snus hat in Skandinavien eine lange Tradition, ist aber in Deutschland noch ein Nischenprodukt. Für Nikotinbeutel gibt es sogar gar keine Zulassung hierzulande, wie Verbandschef Mücke aufklärt. Sehr zum Ärger des Marktführers. Nikotinbeutel von Swedish Match, einer Tochter von Philip Morris International, sind in den USA seit mehr als einem Jahrzehnt erhältlich.
Der zunehmende Erfolg solcher Alternativen passt zur Strategie des Marlboro-Herstellers, eine Zukunft ohne traditionelle Zigaretten zu erschaffen. Rückläufige Raucherzahlen in den USA würden laut Unternehmen auch mit der zunehmenden Verfügbarkeit von Nikotinbeuteln zusammenhängen. Laut Zahlen des Centers for Disease Control and Prevention waren im Jahr 2022 11 Prozent der erwachsenen Amerikaner Zigarettenraucher im Vergleich zu 20 Prozent im Jahr 2005.
Torsten Albig, ehemaliger Ministerpräsident von Schleswig-Holstein und seit Ende letzten Jahres Geschäftsführer External Affairs bei Philip Morris Deutschland, ärgert sich: „Die deutsche Politik verhindert seit Jahren, dass Nikotinbeutel als schadstoffreduzierte Alternative den erwachsenen Konsumenten zur Verfügung stehen.“ Es habe sich ein unkontrollierter Graumarkt etabliert. Der Verkauf von Nikotinbeuteln, aber nicht zuletzt auch ihre Inhaltsstoffe und der Jugendschutz müssten schnell gesetzlich geregelt werden. „Das Beispiel USA zeigt, wie durch den richtigen Regulierungsrahmen neben sinkenden Raucherquoten auch positive wirtschaftliche Effekte entstehen“, ist Albig überzeugt.
3 Fragen an
Peter Fobe, Unternehmenssprecher Reemtsma Deutschland
Wie entwickelt sich derzeit der klassische Tabakmarkt?
Peter Fobe: Mit Ausnahme eines kurzzeitigen Zuwachses 2020 zeigt die Marktentwicklung im deutschen Tabakmarkt seit Jahren konstant nach unten. Nach dem starken Absatzrückgang versteuerter Zigaretten von über 8 Prozent im Jahr 2022 hat sich die Lage 2023 mit einem Minus von 2,7 Prozent gewissermaßen wieder „normalisiert“. Aber Minus bleibt Minus, und seit 1991 hat sich der Zigarettenabsatz in Deutschland von über 146 auf 64 Milliarden Stück mehr als halbiert.
Welche Trends beobachten Sie?
Ein konstantes Downtrading. Das heißt, immer mehr Raucher legen Wert auf ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis. Seinen Ausdruck findet dieser Trend in einer anhaltend steigenden Nachfrage nach Handelsmarken sowie nach Großformaten sowohl bei klassischen Zigaretten als auch bei Feinschnitt.
Gab es Veränderungen bei den Vertriebskanälen?
Kaum. Der Lebensmitteleinzelhandel ist und bleibt mit einigem Abstand wichtigster Kanal. Auf ihn entfielen 2023 gut 41 Prozent des Gesamtabsatzes. Convenience und Tankstelle liegen mal mehr, mal weniger eng um die 30 Prozent beieinander. Dabei hat Convenience beim Absatz und die Tankstelle beim Umsatz leicht die Nase vorn. Weit abgeschlagen dahinter rangieren die Zigarettenautomaten mit knapp 5 Prozent Absatzbedeutung im deutschen Markt im Jahr 2023.