Wie kann Tiefkühlkost stärker begeistern, ihre Vorzüge besser hervorheben und mehr Kunden in die Abteilung locken? Welche Trends sind besonders vielversprechend? Diese und andere Fragen diskutierten namhafte Markenartikler und Händler der Branche. Am Ende konnten sowohl der Handel als auch die Industrie klare Aufträge mit nach Hause nehmen.
These 1: Vegan und Vegetarisch wächst in der Nische
Ein Trend, der auch vor der Tiefkühlbranche keinen Halt macht: vegane und vegetarische Alternativprodukte. Noch stecke die Kategorie laut Industrie in den Kinderschuhen, „allerdings birgt das Themenfeld noch viel Potenzial, und die Produkte sind im Kontext einer bewussten Ernährung geeignet, das Interesse an Tiefkühlkost insgesamt zu pushen“, erklärt Markus Mischko, Geschäftsführer Vertrieb von Iglo und seit Kurzem Vorstandsvorsitzender des Deutschen Tiefkühlinstituts (DTI). Der Neuzugang in der Runde, Stephan Ritzenhoff von Dr. Oetker, stellt fest, dass aktuell noch mehr über Vegan und Vegetarisch gesprochen wird, als auf dem Teller landet. „Manche Verbraucher schrecken vegane Claims bisher ab. Trotzdem wollen wir bei Dr. Oetker mehr in das Thema bewusste und nachhaltige Ernährung investieren“, so Ritzenhoff.
Der Handel verzeichnet eine starke Nachfrage. Kaufmann Axel Schroff, zweifacher Gewinner des Tiefkühl-Stars, betont, dass die Verbraucher auch im Tiefkühlbereich immer bewusster einkaufen und insbesondere Bio- und vegane Produkte verstärkt nachfragen. Die Zahlen belegen den Trend: Der Umsatz mit veganen und vegetarischen Tiefkühlprodukten stieg laut Nielsen im ersten Halbjahr 2023 um 7,5 Prozent, der Absatz um 4,4 Prozent. Andere Tiefkühlsegmente wie Fisch, Gemüse und Fertiggerichte verloren dagegen inflationsbedingt an Absatz.
These 2: Ohne starke Marke geht es nicht
In Zeiten der Inflation sind Verbraucher preissensibler denn je und greifen demzufolge häufiger zu Handelsmarken. Laut einer aktuellen Umfrage des Handelsverbandes Deutschland (HDE) finden über 85 Prozent der Befragten es gut, wenn im Geschäft neben Marken auch Eigenmarken angeboten werden. Doch ein Tiefkühlregal ganz ohne Herstellermarken? Das können sich weder Handel noch Industrie vorstellen. „Eine Herstellermarke kann durch Innovationen die Marke noch stärker in den Fokus der Verbraucher rücken und diese immer wieder neu begeistern – das können Handelsmarken nicht“, sagt Judith Petit, Leiterin Markenaktivierung und Unternehmenskommunikation bei Original Wagner. Starke Marken gelten nach wie vor als Kategorietreiber, und laut Schroff gäbe es gerade im Tiefkühlsegment etliche Käufer, die als Stammkunden niemals zur Handelsmarke wechseln würden. Ein möglicher Grund dafür: „Starke Marken schaffen Vertrauen, emotionalisieren und sind Absatztreiber, von denen das gesamte Segment profitiert“, so Mischko.
These 3: Genuss erleben – Fokus auf Verkostungen
Damit steht fest: Die Innovationstreiber der Tiefkühlbranche sind die Markenhersteller. Doch wie können Kunden auf Neuheiten aufmerksam werden? Hier gehen die Meinungen der Hersteller auseinander. „Weniger ist manchmal mehr“, meint Markus Engler von Costa Meeresspezialitäten, der sich selbst als „Steinzeitgewächs der Tiefkühlkost“ bezeichnet. Engler sieht einen attraktiven Markenblock als wichtigste Basis für den Sortimentserfolg, der durch saisonale Highlights und geeignete Verbundplatzierungen ergänzt werden sollte. „Das Rad muss aber nicht neu erfunden werden“, betont er.
Shopper wollen begeistert werden, meint Original Wagner und setzt deshalb auf eine breite Palette von Promotionsaktivitäten. Maßnahmen wie Werbemittel, Zugaben und Verkostungen führen die Kunden schneller zum Produkt, so Judith Petit.
Eine klare Meinung hat auch Sonja Lischka, Kauffrau von drei Rewe-Märkten in Bayern: „Zurück zur Basisleistung, lieber weniger, aber das gescheit.“ Seit Corona sei der Krankenstand im Handel hoch, was oft dazu führe, dass Werbemittel im Müll landeten. „Wenn wir 200 Neulistungen pro Woche bewältigen und 20 Prozent Krankenstand haben, ist das kaum zu schaffen“, erklärt sie. Wobbler oder Pappaufsteller würden von den Kunden ohnehin oft übersehen.
Verkostungen im Markt findet sie dagegen viel effektiver, da sie die Sinne der Kunden ansprechen und zusätzliche Informationen, zum Beispiel zum Thema Nachhaltigkeit, vermitteln. Und auch die Industrie findet: „Viel mehr Emotion als das Produkt zu riechen, zu schmecken und jemanden von der Marke dazuhaben, den ich fragen kann – viel besser geht es eigentlich nicht“, so Ritzenhoff. Dem gegenüber stehe jedoch der hohe Aufwand, der mit einer relativ geringen Abdeckung in den Supermärkten verbunden sei.
Ein weiterer wichtiger Aspekt beim Thema Verkostung ist das Personal. Nicht nur der Handel hat mit Personalmangel zu kämpfen – auch für die Industrie wird es immer schwieriger, geeignete Mitarbeiter zu finden. Dabei sind Verkostungen ohne gutes Personal kaum durchführbar. „Wenn man nicht die richtigen Leute hat, macht man das mehr schlecht als recht“, so Petit. Und auch der Handel betont die Bedeutung des richtigen Personals für eine erfolgreiche Umsetzung: „Eine Verkostungsaktion ist nur dann nachhaltig und effizient, wenn derjenige, der dahinter steht und die Verkostung durchführt, nicht nur ein Warenausgeber ist, sondern auch ein Stück weit den Spirit mitbringt, den das Unternehmen verkaufen möchte“, fasst Schroff zusammen.
These 4: Tiefkühlabteilungen müssen emotionaler werden
„Gut gestaltete Tiefkühlabteilungen machen neugierig und laden zum Verweilen ein. Leider ist das Potenzial am Point of Sale noch nicht voll ausgeschöpft, sodass Umsatzsteigerungen liegen gelassen werden“, findet Markus Mischko von Iglo. Die Gestaltung ist oft noch sehr nüchtern – es fehle die Emotionalität und der Spaß, in die Tiefkühlabteilung zu gehen. Während die Werbung der Markenhersteller diese Emotionalisierung bereits umsetze, fehle die Inspirations- und Erlebnisorientierung im Handel oft noch.
Ein innovativer Vorschlag aus Großbritannien ist das Branding von Tiefkühltruhen durch auffällige Aufkleber. Iglo versuche bereits, die klare Kennzeichnung, die es im gekühlten Bereich für vegane und vegetarische Produkte gibt, auch im Tiefkühlbereich umzusetzen. Einzelne Pilotmärkte, die Iglo gemeinsam mit Dr. Oetker umgestaltet hat, hätten bereits gezeigt, dass der Umsatz durch eine längere Verweildauer deutlich gesteigert werden kann. Der Handel gibt hier allerdings zu bedenken, dass bei einem zu starken Branding der verschiedenen Marken die Abteilung zu unübersichtlich und bunt werden könnte.
These 5: Mehr Inspiration durch Meal Deals
Noch ein Trend, der aus Großbritannien zu uns herüberschwappt, sind die sogenannten Meal Deals. Dorothee Reiering-Böggemann, Bereichsleiterin Marketing bei Coppenrath und Wiese, erklärt, wie einfach das Konzept ist: Fischstäbchen mit Spinat und zum Nachtisch ein Stück Kuchen – attraktiv zusammengestellt als Bundle. „Da läuft den Kunden das Wasser im Mund zusammen“, so die Marketingleiterin. Passende Verbundplatzierungen wie Sahne zum Kuchen oder Marmelade zum Brötchen würden das Angebot abrunden. Auch Markus Mischko ist ein großer Fan der Meal Deals. Sie erleichtern den Kunden die Einkaufsplanung und dienen als Promotion, die nicht immer über den Preis laufen müsse.
Auch der Handel zeigt sich dem Konzept gegenüber aufgeschlossen. Zwar sind Meal Deals in Deutschland noch nicht weit verbreitet, doch Kaufmann Axel Schroff kann sich vorstellen, solche Bundles in separaten Behältern selbst zusammenzustellen. Etwas skeptischer ist dagegen Sonja Lischka. Meal Deals sind ihrer Meinung nach oft teurer, und deutsche Verbraucher gäben im Vergleich zu anderen Ländern weniger Geld für Lebensmittel aus.
Fazit: Zusammenarbeit als Erfolgsrezept
Die Diskussion beim Tiefkühl-Round-Table machte deutlich, dass die Tiefkühlbranche ein enormes Potenzial hat, das durch gezielte Maßnahmen und enge Kooperationen ausgeschöpft werden kann. Emotionale und inspirierende Kundenansprache, starke Marken und gut durchgeführte Verkostungen sind entscheidende Faktoren, um die Attraktivität der Tiefkühlabteilungen zu steigern. Innovative Konzepte wie Meal Deals oder auffälliges Branding können zusätzlich einen wichtigen Beitrag dazu leisten, die Verweildauer der Kunden zu erhöhen und den Umsatz zu steigern.
Für das dti fasst Sabine Eichner die Herausforderung an die Marktakteure so zusammen: „Wir müssen Tiefkühl als die Zukunftskategorie für eine gesunde und nachhaltigere Ernährung positionieren. Dazu braucht es eine engere Zusammenarbeit zwischen Industrie und Handel und klare Kommunikationsbotschaften für die oftmals verunsicherten Verbraucher, denen die Kategorie ein enormes Bündel an Vorteilen bietet.“
Meal Deals als Umsatzbringer
Ein Meal Deal ist die Kombination mehrerer Produkte zu einem Bundle. Meist handelt es sich dabei um ein Getränk, einen Snack und eine Süßigkeit. Diese Aktionsform ist vor allem in Großbritannien verbreitet. Hierzulande kennen Kunden sie von Tankstellen. Das Konzept scheint aber auch für den Lebensmittelhandel vielversprechend zu sein, wenn man den Aussagen der Hersteller folgt.