Fehlende Strategie Tiefschlaf einer Branche

Seit dem Absatzhoch in der Pandemie liegen Pfannen, Töpfe und Küchenhelfer wie Blei in den LEH-Regalen. Die Käufer halten ihr Geld zurück, auch weil es an Nonfood-Konzepten und -Strategien fehlt.

Freitag, 02. Februar 2024 - Sortimente
Matthias Mahr
Artikelbild Tiefschlaf einer Branche
Bildquelle: Matthias Mahr

Eine Branche im Dauertief und Dauerschlaf. Die Nonfood-Branche leidet in den haushaltsnahen Warengruppen unter fehlenden Absätzen in allen Kanälen. Mit Martin Langhauser von den Consumer Panel Services, die früher zur GfK gehörten und jetzt Teil der YouGov-Gruppe sind, bringt es einer der führenden Marktforscher auf den Punkt: „Die Stimmung ist negativ, und die Kaufkraft fehlt auch. Darunter leidet die Anschaffungsneigung stark.“ Bei Nonfood greifen die gleichen Mechanismen wie bei den FMCG-Sortimenten. Wenn die Kaufkraft der Verbraucher inflationsbedingt sinkt, werden statt Premium- eher Markenartikel und als preisgünstigste ­Option Handelsmarken gekauft. Und statt zum Vollsortimenter geht es dann zum Discounter. Einen gravierenden Nachteil haben die Nonfood-Produkte jedoch: Der Konsument kann anders als bei Lebensmitteln auf sie verzichten. Handelsexperte Prof. Carsten Kortum, DHBW Heilbronn, pflichtet bei: „Pfannen werden eben länger verwendet. Der neue Stil in einer anderen Farbe kann derzeit keinen Impuls beim Verbraucher setzen.“

Käuferreichweite für Nonfood sinkt
Rund 200 Milliarden Euro wurden im vergangenen Jahr über alle Kanäle hinweg in Deutschland mit Nonfood erlöst. Das Minus wiegt schwerer, als es erscheint. Trotz Inflation ist der Umsatz um rund 2 Prozent im ersten Halbjahr 2023 gesunken. Das riss ein gewaltiges Loch in den Mengenabsatz. Vielfach sind die Lagerhallen bei den Herstellern und Importeuren deshalb zu gut gefüllt. Der Shopper-Traffic im LEH geht aktuellen Zahlen zufolge weiterhin zurück. Die Shopper sind verunsichert und übten sich in Zeiten realer Einkommensverluste auch im zweiten Halbjahr 2023 in Kaufzurückhaltung. Während Corona stand der LEH für 11 Prozent aller Umsätze im Nonfood-Markt in Deutschland, aktuell nur noch für 7 bis maximal 8 Prozent, betont der Marktforscher. Nach Aussagen von Langhauser sinkt die Nonfood-Reichweite und die relevanten Frequenzen in markanten Nonfood-Warengruppen gehen spürbar Bereich zurück.

Gen Z droht dem LEH ganz wegzubrechen
Mit der Gen Z (1997 bis 2012 Geborene) als Nachfolgegeneration der Millennials findet ein konsumrelevanter Generationenwechsel statt. „Diese Generation denkt und kauft völlig anders als alle Generationen zuvor. Hier kommt auf alle Branchen eine echte Herausforderung zu“, sagt Nonfood-Experte Langhauser. Diese Generation kaufe „smart“ ein. Der Marktforscher übersetzt das mit nachhaltig sowie wertig, aber eben deutlich seltener. Bedeutend sei: Die Gen Z habe ein völlig anderes Informationsverhalten, mit Handzetteln brauche man ihr nicht mehr kommen, und selbst mit bekannten Einkaufs-Apps könne diese Altersgruppe nur schwer erreicht werden.

Die Gen Z kauft nicht bei den Marktführern im Retail, sondern eher bei Spezialisten. Auf den Nonfood-Kauf im LEH kommen düstere Zeiten zu. Denn: Laut Langhauser hat diese Generation nicht gelernt, im Vollsortimenter oder beim Discounter Nonfood einzukaufen. „Diese jungen Konsumenten finden sich auf den Flächen des LEH nicht zurecht. Weder Platzierung noch Ambiente sagt dieser Generation zu“, erklärt er. Das sei eine große Gefahr für den LEH, da eine ganze Generation wegzubrechen drohe. Die wenigsten Einzelhändler würden sich derzeit mit dieser Generation beschäftigen, obwohl sich deren Kaufkraft gerade entwickele. Noch heiße es, die werden dann schon bei uns einkaufen. Doch Langhauser warnt: „Das werden sie nicht tun!“ Diese Generation kauft anders ein, sie sei vom Informations- und Einkaufsverhalten komplett abgehängt. Besonders in Social-Media- und in neuen Online-Kanälen wie beispielsweise Temu entwickelten sich zurzeit rasant wachsende und relevante Absätze im Bereich Nonfood, zeigten die aktuellen Consumer Panels.

200

Milliarden Euro werden in Deutschland im Jahr annähernd mit Nonfood über alle Kanäle mit physischen und digitalen Produkten umgesetzt.

Quelle: Consumer Panel Services

8

Höchstens 8 % Umsatz des ­gesamten Nonfood-Marktes in Deutschland entfallen im Jahr auf den LEH. Tendenz sinkend.

20

Prozent unter Vorjahr lag im ersten Halbjahr 2023 der Absatz von Küchenhelfern. Auch Puzzles liegen im vergleichbaren ­Minusbereich. Vor allem Warengruppen mit Corona-Sonderkonjunktur leiden unter ­gesättigten Märkten.

20

Deutlich über 20 % Wachstum bescheren lediglich die Produkte rund um Outdoor-Anlässe. Mit dem Tourismus boomen unter anderem Camping-Zubehör sowie Ski-­Bekleidung.

Nonfood lebt von Innovation und Konzepten
Trotz derzeit eher negativer Zahlen im Gesamtmarkt Nonfood malt der Marktforscher nicht schwarz. Die Kaufkraft würde durch Reallohnsteigerungen wieder anziehen, und das Potenzial für Nonfood ist nach seinen Aussagen „eigentlich unfassbar groß“. Es fehle an Kundenzentrierung, Inszenierung und Impulsen auf den Flächen.

Auch Hochschullehrer und Nonfood-Experte Kortum vermisst neue Konzepte: „Am PoS verändert sich kaum etwas. Es bleibt bei zwei Werbeterminen in der Woche, dem Handzettel und Social-Media-Aktivität. Bei Aldi gibt es nun modernere Wanzl-Tische, aber je nach Markt und Lage bleiben sie geordneter oder mit mehr oder weniger vielen Restanten zurück. Es fehlt an der Verknüpfung zu den Online-Shops.“ Kortum sieht das Nonfood-Business an seiner Grenze angekommen. Auf den Markteintritt von Action habe die Branche zu spät reagiert. Mit inzwischen rund 500 Verkaufsflächen in Deutschland entzieht Action den Wettbewerbern geschätzte 1,5 Milliarden Euro Umsatz. Und Temu greife auch an. Der Direkteinkauf nicht nur der Gen Z in China bedeutet zusätzliche Verluste für den deutschen Markt. Noch macht Lidl rund 10 Prozent seines Umsatzes mit Nonfood-Aktionsware. Doch längst ist das kein Profilierungsgeschäft mehr, das Frequenzen bringt. Inzwischen ist Nonfood im Discount bloßes Ergänzungsgeschäft.

Es klingt fast wie ein Aufruf, wenn Langhauser und Kortum im Gleichklang sagen: „Handel und Industrie müssen die Negativspirale durchbrechen. Nonfood lebt von neuen Ideen und Strategien. Diese sind aktuell nicht in Sicht.“ Die Branche muss aus dem Tiefschlaf erwachen. Sonst taumeln die Absätze im LEH weiter.

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