Vetzgerei Die Buletten-Alternative

In Berlin-Prenzlauer Berg bietet die Vetzgerei pflanzliche Alternativen zu Fleischbulette und Mett. Die Gründer wollen ihre Feinkost-Marke auch im Lebensmittelhandel etablieren – wenn das Engagement passt.

Montag, 29. Mai 2023, 21:28 Uhr
Bettina Röttig
Artikelbild Die Buletten-Alternative
Bildquelle: Bettina Röttig

Bio-vegane Metzgerware ohne Zusatzstoffe: Seit 2017 bieten Paul und Sarah Pollinger in ihrer „Vetzgerei“ in Berlin Eigenkreationen statt klassische Me-toos der Fleischwaren-Industrie. „Wir sehen unsere Produkte explizit als Alternativen, die wir zu klassischen Verzehranlässen anbieten. Wir definieren unsere Produkte daher nach Anwendung und Funktion“, erklärt Paul Pollinger. Anstatt der x-ten veganen Mortadella finden Kunden hier beispielsweise eine Auswahl an Aufschnittprodukten, die ähnlich wie Brühwurst gefertigt werden, aber ein eigenständiges Geschmackserlebnis bieten.

Mit diesem Konzept geht die Vetzgerei nicht in direkte Konkurrenz mit den Industrieherstellern. Auch qualitativ sollen sich die Produkte von Industrieware abheben. „Inhalt, Geschmack und Abpack von Veggie-Alternativen im Supermarkt haben nichts mit guten Lebensmitteln zu tun. Uns geht es um Werte und echtes Handwerk, wie meine Frau und ich dies noch beim Metzger unserer Kindheit erleben durften“, so Paul Pollinger.

Genau dieser half den Quereinsteigern (Paul war Musiker und Programmierer, Sarah Pollinger kam aus dem Nachhaltigkeitsmanagement) bei der Unternehmensgründung auch auf die Sprünge. Bevor sie ihre Idee einer veganen Metzgerei in die Tat umsetzten, ließen sie sich vom Metzger aus Pauls Heimat Kassel zunächst in das klassische Metzgerhandwerk einführen, um auf dieser Basis eigene vegane Rezepturen zu erarbeiten. Produziert wird direkt vor Ort neben dem Verkaufsraum im Kiez.

Mittlerweile ist die „Vetzgerei“ auch überregional bekannt und zu einem festen Ziel veganer Touristen geworden. Das Gründerpaar zielt jedoch auf eine breite Zielgruppe. „Unsere Kunden – auch die Fleischesser unter ihnen – sind der Meinung, hier gebe es den besten Kartoffelsalat der Stadt, ihnen ist egal, ob dieser vegan ist oder nicht. Und genau das ist unser Ziel: Wir möchten Kunden durch Geschmack begeistern und eine Art ,Butter Lindner in Vegan‘ werden“, sagt Paul Pollinger und verweist damit auf die etablierte Berliner Feinkostmarke.

Cleane Rezepturen
Um Top-Qualität bieten zu können, wird der Tofu selbst geräuchert, auf Zusatzstoffe zur Bindung wird verzichtet – auch auch auf solche, die für Bio-Ware erlaubt wären. „Johannisbrotkernmehl oder Guarkernmehl oder andere Zusatzstoffe, die fleischige Textur nachahmen sollen, nehmen einen Teil des Geschmacks weg und können eine gummiartige Textur erzeugen, daher kommen sie für uns nicht infrage. Wir möchten den vollen Geschmack bieten“, betont der Mit-Inhaber. Für die Bindung in den Vetzgerei-Produkten sorgen Seitan und Haferflocken.

Dass die Konsistenz der Produkte mal ein wenig weicher, mal etwas fester ausfallen kann, nehmen Pollingers und deren Kunden in Kauf: „Wir erklären unseren Kunden, dass wir beispielsweise frische Paprika verwenden, die mal mehr, mal weniger Wasser abgibt. Unsere Kunden schätzen unser Qualitätsbewusstsein und die Transparenz.“ Zu den Aufschnittvarianten auf Basis von Seitan und/oder Tofu zählen die Geschmacksrichtungen Schwarze Bohne-Trüffel, Olive-Tomate, Sesam-Chili und Kürbis. „Vürstchen“ gibt es in den Sorten Hanf, Erbse-Pilz oder geräucherter Tofu. Zum Sortiment gehören auch Frikadellen und Reispapier-„Bacon“ zum Anbraten, herzhafte Aufstriche oder Convenience-Artikel aus dem Glas sowie Feinkostsalate. Auf vielfachen Wunsch der Kunden eingeführt wurde auch veganes Mett und bio-vegane Alternativen für Tee- und Leberwurst.

Neue Vertriebswege erschließen
Ursprünglich war das Unternehmen nicht auf Expansion ausgerichtet. Die Kostenexplosionen der vergangenen Monate machen es nun erforderlich, zusätzliche Vertriebswege zu erschließen und die Produktion zu skalieren. Auch das Produktsortiment soll erweitert werden. Während der Corona-Pandemie hat das Team viel experimentiert. Jetzt werden die Kreationen standardisiert. Pulled Seitan, Szegediner Gulasch und andere Spezialitäten gehören dazu.

In Gesprächen zu einem Verkaufsstand ist die Vetzgerei mit der Markthalle 9. Die Bio-Fleischerei Gut Kerkow bietet Produkte der Vetzgerei bereits in ihrer Filiale in Friedrichshain an und wird sie auch in Schöneberg ins Programm nehmen. Offen sind Pollingers zudem für eine Zusammenarbeit mit Supermärkten für die Glasware und das Frischesortiment. „In veganen Theken beispielsweise ist jedoch wichtig, dass die Produkte aktiv verkauft und auch erklärt werden“, betont der vegane Metzger. Die Preise der Vetzgerei-Produkte können schon jetzt mit der Industrieware mithalten. „Unsere Burger-Pattys sind günstiger als Beyond-Meat-Pattys.“