Fast komplette Energie-Autarkie: Ihr neues Werk soll ein Meilenstein nachhaltigen Wirtschaftens sein. Wie das und was kommt noch?
Olaf Höhn: Wer mich kennt, weiß, dass ich immer noch Flausen im Kopf habe. Und grundsätzlich glaube ich: Wer einen Schritt geht, sieht schon gleich den nächsten. Wir haben das Werk in Sachsen-Anhalt komplett durchgeplant, auch finanziell; ich habe einen Mitarbeiter angestellt, der sich komplett um diesen ganzen Prozess kümmert. Trotzdem denke ich schon weiter, auch aus meiner eigenen Erfahrung heraus. Ich bin früher auch große, energieintensive Autos gefahren; jetzt habe ich schon 153.000 Kilometer mit meinem E-Auto zurückgelegt. Mir macht Nachhaltigkeit einfach Spaß. Im Prinzip möchte ich nur noch aus Freude Eis verkaufen, aber ich brauche den Umsatz, um meine Pläne durchzusetzen.
Was wird das Besondere an Ihrem neuen Werk?
Natürlich soll es nahezu autark arbeiten, aber das allein reicht mir nicht. Es soll auch für die Kunden etwas Spezielles bieten. Die Fassade wird komplett aus nachhaltigem Holz sein; Professor Hans Joachim Schellnhuber, emeritierter Direktor des Potsdam Institute for Climate Impact Research, wird persönlich das Holz aussuchen. Für die Technik haben wir das Fraunhofer-Institut gewonnen. Mehr geht in dieser Beziehung gerade nicht.
Was wollen Sie mit diesem immensen Aufwand erreichen?
Das Werk soll Fragen aufwerfen wie „Warum bauen die so?“. Schönebeck will solche Fragen beantworten, deswegen werden wir auf einem großen Parkplatz Reisebusse empfangen, in einem Vortragsraum das Konzept erläutern und einen Blick in die Produktion ermögli‧chen. Einen Blick in die Geschichte wird es auch geben, wir sind schließlich das älteste Eiscafé der Region. Deshalb wird es in Schönebeck auch ein Eiscafé geben, mit Themenpark, Grünfläche und Kinderkarussell. Das Werk soll einfach motivieren. Nicht nur für uns ist das höchste Zeit, sondern für die gesamte Industrie. Der Klimawandel zwingt uns alle dringend und schnell zum Umdenken.
Was planen Sie denn im Detail?
Beispielsweise soll uns die Fotovoltaik nicht nur selbst versorgen, sondern wir wollen daraus Wasserstoff produzieren, den wir ins Netz einspeisen können. Es wird einen Eisspei‧cher geben und eine Energierückgewinnung. Auch Windkraft wird dazukommen; nicht nur durch den Windbaum, sondern auch durch kleine Windräder. Dazu kommen die mit Wasserstoff betriebenen Fahrzeuge, die zwischen unseren beiden Betrieben hin- und herfahren.
Verpackung ist auch bei Eis Thema. Was tun Sie hier?
Unsere Becher sind bereits nachhaltig. Zugegeben, wir haben wahnsinnig viel Arbeit in diese Becher gesteckt, viel herumprobiert, viele Verpackungen von Herstellern aus dem In- und Ausland getestet. Von der Idee bis zur Umsetzung hat es fünf Jahre gedauert. Aber es hat sich gelohnt. Ich bin wirklich enttäuscht, dass unsere Mitbewerber oder auch andere Unternehmen in dieser Beziehung so weit hintendran sind. Natürlich steckt ein immenser Aufwand hinter einer solchen Verände‧rung, aber wir müssen alle dazu bereit sein. Vielleicht haben wir das Kämpfen für solche Veränderungen verlernt. Dann müssen wir es uns bei den jungen Leuten der „Fridays for Future“-Generation wieder abgucken.
Würden Sie Greta Thunberg einstellen?
Im Marketing, na klar. Ich muss zugeben, ich war neugierig und bin auf eine der Freitags-Demos ge gangen – ich bin ein bisschen begeistert von den jungen Leuten mit ihren guten Argumenten.
Zurück zu Schönebeck: Wie weit ist die Produktionsstätte denn gediehen?
Wir haben eine Art Einweihung gefeiert, also gezeigt, dass wir vor Ort sind, und stecken jetzt mitten in der Planung. Es gibt schon ein Tiny House auf dem Gelände, ebenso einen Windbaum, der ordentlich vor sich hin rattert. Ende 2024 wollen wir das Werk in Betrieb nehmen; ich werde in den Standort 26 Millionen Euro investieren. Es soll dort 40 bis 50 Eisstraßen geben. Zum Vergleich: Hier in Spandau sind es 25. Unser Umsatzziel dann: 40 bis 50 Millionen Euro in Deutschland, zum jetzigen Preisniveau. Florida Eis wird dadurch in drei Jahren einen Namen haben, an dem man nicht mehr vorbeikommt.
Wird sich dann auch auf Produktebene etwas ändern?
Nein. Die Nische, die ich besetzen will, ist ganz klar Premium für eine Klientel, die auf Qualität setzt. Eine Größe wie Langnese oder Ben & Jerry’s strebe ich gar nicht an. Damit boxen wir uns derzeit schon sehr gut durch; unsere Präsenz in einzelnen Supermärkten macht mir manchmal richtig Angst. Dafür wäre unser Werk Nummer zwei schon zu klein. Aber wenn ich die richtige Unterstützung bekomme, machen wir halt noch ein drittes auf.
Gibt es noch weiße Flecken auf der deutschen Distributionslandkarte?
Mit 3.000 Verkaufsstätten sind wir schon gut aufgestellt, aber bei rund 30.000 Verkaufsstätten ist noch eine Menge Luft nach oben. Bei Rewe und Edeka sind wir durchgelistet, bei anderen Handelsunternehmen auch. Mit unserer kleinen Außendienstmannschaft können wir natürlich Lücken wie bei Tegut oder Globus noch nicht füllen, aber wir arbeiten daran. Und wir sehen gerade, dass sich in Österreich ein Markt entwickelt, auch aus Skandinavien kommen Anfragen. Diese können wir derzeit noch nicht bedienen. Über die Nachfrage können wir uns nicht beklagen.
Wo liegt dann das Problem?
Beim Mangel an Arbeitskräften. Es fehlen ja nicht nur Fachkräfte, sondern Arbeitskräfte für alles. Ich habe hier zwar einen tollen Stamm von Mitarbeitern aus fast allen ‧Ländern, aber es sind einfach viel zu wenig. In Berlin und auch in Sachsen-Anhalt gibt es extrem viel Unterstützung; ich hoffe, dass wir dort in Schönebeck auf ein sehr gutes Umfeld für neue Mitarbeiter treffen.
Können Sie denn Ihre Preise halten?
Wir planen derzeit – oder haben sogar schon einiges umgesetzt – mehr Dienstleistung wieder selbst ins Haus zu holen, also beispielsweise die Wäscherei. Und wir sparen Energie, wo wir nur können. Durch solche Maßnahmen hoffe ich nur moderate Preiserhöhungen vornehmen zu müssen. Wir liegen preislich etwas günstiger als Häagen-Dazs beispielsweise; das soll auch so bleiben.
Zur Person
1985 übernahm Olaf Höhn das Berliner Eiscafé Florida. Daraus entwickelten sich Lieferbeziehungen zum LEH; seit 2009 werden rund 3.000 Verkaufsstellen in Deutschland aus dem Spandauer Werk heraus beliefert. Das Werk ist Musterbetrieb der Bundesregierung für Klimaschutz. Höhn forscht mit Mitteln des Bundesumweltministe‧riums an der Elektromobilität mit Lkws.