Unter Druck Eine Chance für Bio

Auch wenn die Bio-Branche unter Druck steht, liegt der Markt nicht komplett am Boden: Die Inflation fällt geringer aus als für konventionelle Produkte, und Nachhaltigkeit bleibt ein wichtiges Kaufkriterium.

Dienstag, 21. Februar 2023 - Sortimente
Hedda Thielking
Artikelbild Eine Chance für Bio
Bildquelle: Getty Images

Dass die erfolgsverwöhnte Bio-Branche nach einem Höhenflug 2021 innerhalb weniger Monate einen empfindlichen Dämpfer zu spüren bekommt, hätte sich vor einem Jahr kaum jemand vorstellen können. Doch es kam anders: Der Ukraine-Krieg, die Inflation und Energiekrise sorgten für ein verändertes Konsumverhalten der Verbraucher – auch in Sachen Bio. So musste diese Branche laut Jahresbericht des Deutschen Bauernverbandes (DBV) von Januar bis Oktober 2022 insgesamt 4 Prozent Umsatz einbüßen, die Menge ging um 5,7 Prozent zurück. Zudem verlor Bio erstmals leicht an Marktanteil. Die Betriebsformen entwickelten sich allerdings sehr unterschiedlich, wie die Studie „Bio – quo vadis?“ der Dualen Hochschule Baden-Württemberg (DHBW) zeigt: Der klassische LEH (Vollsortimenter und Discounter) erzielt mit Bio-Produkten im ersten Halbjahr 2022 ein Umsatzplus von schätzungsweise 3 bis 4 Prozent. Er profitiert seit dem vergangenen Jahr von der gestiegenen Preissensibilität der Verbraucher, so die Studie. So sei das Wachstum vor allem auf eine positive Umsatzentwicklung der Handelsmarken von plus 9,0 Prozent zurückzuführen, während die Herstellermarken 8,9 Prozent verlieren. „Konsumenten verzichten eher auf Premiummarken als auf nachhaltige Produkte an sich, sie wählen preissensibler“, resümiert ein Rewe-Sprecher. Für rund zwei Drittel der Verbraucher ist der Preis das wichtigste Kaufkriterium, erst dann folgt der Geschmack (Quelle: Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie, BVE).

Biofachmärkte leiden
Der Bio-Fachhandel hatte es im vergangenen Jahr besonders schwer. Er verlor laut der Studie im ersten Halbjahr 2022 durchschnittlich 15 bis 17 Prozent an Umsatz. Viele Bio-Märkte kämpfen ums Überleben.

Da immer mehr Vollsortimenter und Discounter auch Bio-Produkte von ökologischen Anbauverbänden wie Bioland oder Demeter listen, sehen viele Kunden keinen Anlass mehr, Fachmärkte aufzusuchen. Kürzlich hat Aldi angekündigt, die ersten Naturland-Produkte im Laufe des ersten Halbjahres anzubieten. Edeka hatte im vergangenen Jahr mit Naturkind eine eigene Bio-Fachmarke eingeführt. Die Produkte werden in einer eigenen „Naturkind-Welt“ in einigen Edeka-Märkten angeboten. Und nach den Anbauverbänden Bioland, Demeter und Biopark gewinnt Naturkind mit Biokreis nun einen weiteren Partner für Produkte aus ökologischer Landwirtschaft. Mehr als 60 Artikel umfasst derzeit das Naturkind-Sortiment.

Umsatzentwicklung Herstellermarken (YTD Juni 2022 zu YTD 2021 ), Quelle: DHBW Heilbronn, nach Daten der GfK

-8,9 %

Bio insgesamt

-12,6 %

Naturkosmetik

+7,7 %

Käseersatzprodukte (Veggie)

 

+7,2 %

vegane Süßwaren, inkl. Speiseeis

-6,2 %

Weiße Linie, pflanzlich

-8,6 %

Nachhaltige Hygieneartikel

Preistransparenz schaffen
Ob ökologisch oder konventionell hergestellt, die Lebensmittelpreise sind in nahezu allen Warengruppen deutlich gestiegen. Allerdings ist der Preisunterschied zwischen konventioneller und Bio-Ware nicht mehr so hoch. So fällt die Inflation von Bio-Produkten der DHBW-Studie zufolge mit rund 5 bis teilweise 8 Prozent deutlich geringer aus als die von konventionellen Lebensmitteln (18,7 Prozent im September 2022). „Dies liegt zum einen daran, dass die Transportwege für Bio-Rohstoffe kürzer sind, da der Biohandel Wert legt auf eine regionale Herkunft. Zum anderen verwendet der Biolandbau keine synthetischen Pestizide, die aufgrund der hohen Energiekosten sehr teuer in der Herstellung sind“, erläutert Peter Röhrig, Geschäftsführender Vorstand des BÖLW. „Zeitweise waren Bioprodukte günstiger als konventionelle Lebensmittel“, stellt man bei Bünting fest.

Ob die Kunden wissen, dass die Preisdifferenz zwischen Bio- und konventionellen Produkten kleiner geworden ist, ist nach Ansicht eines Edeka-Kaufmanns im Rheinland fraglich: „Ein Preisvergleich ist vor allem dann schwierig, wenn Bio-Ware in separaten Regalen steht. Die Kunden müssen aktiv zu diesem Regal gehen, und das tun sie wegen des Preisimage nicht.“ Diese „Bremse“ gibt es bei Rewe Schulenburg in Dortmund nicht. Inhaber Thorsten Schulenburg hat seit 17 Jahren sämtliche Bio-Produkte allen Sortimentsbereichen zugeordnet. „Somit können die Kunden die Preise direkt am Regal vergleichen. Das ist sicherlich auch ein Grund, warum wir im Vergleich zur Rewe Dortmund höhere Marktanteile für Bio-Produkte erzielen können.“ Der Standort des Marktes spielt hier ebenfalls eine Rolle. Direkt gegenüber befindet sich ein Superbiomarkt. Mit dem muss sich Rewe Schulenburg täglich messen. „Wir sind in Sachen Bio sehr gut aufgestellt. Das neue Bio ist regional. Wir kooperieren vor allem im Frische-Segment mit zahlreichen Partnern aus der Region und werden das Angebot mit regionalen Bio-Produkten weiter forcieren“, berichtet der Rewe-Kaufmann.

Chancen nutzen
„Da sich die Preise in fast allen Warengruppen zurzeit häufig verändern, haben viele Kunden momentan kein Preisgefühl“, stellt der Edekaner fest. Darin sieht er durchaus eine Chance: „Jetzt ist ein guter Zeitpunkt, nicht nur Bio an sich zu pushen, sondern auch auf die geringeren Preisdifferenzen hinzuweisen. Damit kann Bio von dem teuren Preisimage wegkommen. Ein Beispiel: Unsere Azubis hatten im Rahmen einer Azubi-Challenge der Edeka in der Obst- und Gemüseabteilung an einem Stand Edeka-Bio-Früchte und selbst zubereitetes Bruschetta zur Verkostung angeboten. Sie haben damit gezeigt, dass Bio nicht viel teurer ist und auch geschmacklich überzeugt.“ Preisdifferenzen lassen sich seiner Ansicht nach auch über Handzettel transparenter machen, indem man Bio- und konventionelle Produkte im Vergleich nebeneinanderstellt. Mit Rabattaktionen, kombiniert mit Produktinformationen und Rezeptvorschlägen – auch über Social-Media-Kanäle –, kann man insbesondere die Kunden, die nicht auf jeden Cent schauen müssen, an Bio-Produkte heranführen.

Alnatura ist optimistisch.
dummyportrait
„Ebenso wie der gesamte Handel spüren auch wir in den Alnatura-Bio-Märkten eine leichte Kaufzurückhaltung aufgrund der Inflation, allerdings nicht so stark wie der Bio-Fachhandel insgesamt“, erläutert Alnatura-Geschäftsführer Götz Rehn. Das Unternehmen hat das letzte Geschäftsjahr am 30.09.2022 mit einem Umsatz von 1,12 Milliarden Euro abgeschlossen, erstmalig in der Unternehmensgeschichte mit einem leichten Umsatzrückgang von 2,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. „Nach den überdurchschnittlichen Umsatzsteigerungen in den beiden Pandemiejahren und angesichts der aktuellen Krisensituation hatten wir mit einem wesentlich stärkeren Rückgang gerechnet“, betont Rehn aber. Er schaue zuversichtlich in die Zukunft und gehe davon aus, in diesem Jahr wieder zu wachsen.
Götz Rehn, Geschäftsführer Alnatura

Zielgruppen im Blick
Auch wenn die Bio-Branche derzeit eine Delle erlebt, Nachhaltigkeit bleibt ein wichtiges Kaufkriterium. Deshalb wird Bio auf der Erfolgsschiene weiterfahren, wenn sich die Rahmenbedingungen entspannt haben, sind die befragten Händler und Handelsunternehmen überzeugt. „Da anzunehmen ist, dass die Jüngeren ihr Kaufverhalten sozusagen über die Jahre hinweg ‚mitnehmen‘, kann schon aufgrund des Generationeneffektes mit einer positiven Basis für die Bio-Umsatz-Entwicklung gerechnet werden“, heißt es in der DHBW-Studie. Die jüngere Zielgruppe (Millennials +) sei für den Bio-Markt deshalb von besonderer Bedeutung. Auch bei Alnatura setzt man unter anderem auf die jüngere Zielgruppe. „Mit unserem neuen ,Studi-Rabatt‘ wollen wir jüngere Menschen für Bio begeistern. Deshalb gibt es jeden Dienstag in allen Alnatura-Märkten 8 Prozent Rabatt auf den gesamten Bio-Einkauf für Studierende, Schüler und alle, die sich in Ausbildung befinden“, teilt Alnatura-Geschäftsführer Götz Rehn mit.

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