Tiefkühlkost Pizza, Pinsa und Preise

Tiefkühlkost hat einen fantastischen Lauf. In Zeiten des Sparens schätzen die Kunden die günstige Alternative zur Frische. Und Pizza ist ohnehin der Kundenliebling schlechthin.

Freitag, 24. Februar 2023 - Sortimente
Andrea Kurtz
Artikelbild Pizza, Pinsa und Preise
Bildquelle: Mirco Moskopp

7 Dollar, einen Ventilator, Eis, Salz – und eine große Portion Neugier, Mut und Zukunftsfreude: Mehr brauchte der US-amerikanische Pionier Clarence Birdseye nicht, um vor 100 Jahren die Lebensmittelbranche zu revolutionieren. 1923 entwickelte der Biologe – inspiriert von einer Expeditionsreise in die Arktis – die erste Anlage zum Tiefgefrieren, den späteren Plattenfroster. Ein paar Jahre danach kaufte ihm die spätere General Foods Corporation das Patent für 22 Millionen Dollar ab. Am 6. März 1930 ging in den USA dann das erste tiefgekühlte Gemüse über den Ladentisch. Die von Birdseye entwickelte Schockfrostung gehört wohl zu den größten Erfindungen der Lebensmittelindustrie und hat eine bis heute boomende Branche hervorgebracht.

„Die Tiefkühlwirtschaft bietet frische und einfach zuzubereitende, bezahlbare Lebensmittel für alle“, betont Sabine Eichner vom Deutschen Tiefkühlinstitut (DTI). Und: Die Produkte seien nachhaltig, denn die Hersteller investierten schon lange in Umweltmanagementsysteme, Nachhaltigkeitszertifizierung, Energieeffizienz und Klimaschutz. Das DTI belegt das mit Leuchtturmprojekten wie dem „Check Food Waste“, mit dem die Tiefkühlbranche als Erste die Verluste in der Lebensmittelverarbeitung wissenschaftlich fundiert erfasst hat.

Preisorientierung bei TK deutlich
Dazu kommt der große Preisvorteil, der dieser Tage bei den Kunden besonders zieht. Das DTI und Globus hatten schon letzten Sommer in einer gemeinsamen Studie ermittelt, dass gerade bei Obst und Gemüse, aber auch bei Fisch oder Fleisch die Tiefkühlkost einen neuen Boom erlangt – weil sie günstig ist. Der Handel bestätigt diese Einschätzung mit fulminanten Zahlen. Und das, obwohl es auch eine durchschnittliche Preissteigerung von knapp 30 Cent pro Kilogramm über alle TK-Warengruppen hinweg gab. „Im Vergleich zum Jahr 2021 – und im Besonderen von September bis Dezember – konnte die TK-Abteilung 18,45 Prozent mehr Umsatz erzielen“, berichtet Lara Kusenberg, die mit ihrem Vater den Edeka-Markt Christian Kusenberg in Goch führt. Es werde mehr zu TK gegriffen, beschreibt die Kauffrau: „Starken Zuwachs haben bei uns die Fertiggerichte bekommen sowie Meeresfrüchte. Aber auch Geflügel und Gemüseprodukte laufen gut.“Auch der amtierende Preisträger des Tiefkühl-Stars, Bernd Wilger, Inhaber des Edeka Wilger in Borken, konnte 2022 „stetiges Wachstum verzeichnen“. „Wir haben letztes Jahr in den TK-Abteilungen 11 Prozent mehr Umsatz erzielen können“, sagt Wilger. Bei ihm sind es die Convenience-Produkte, die sich zum „absoluten Umsatztreiber“ entwickelt haben.

Von einer konstanten Sortimentsexplosion – bei einem Plus von 15,5 Prozent im Vergleich zu 2021 – spricht Stephan Cunäus, der Inhaber des 8.000 Quadratmeter großen E-Centers im Rostocker Warnowpark. Der Blick auf die einzelnen Sortimente bestätigt: TK-Obst wuchs um knapp 13 Prozent, TK-Snacks um knapp 10, Fertiggerichte, Fleisch und Eis um über 6 Prozent.

Keine Truhe ohne Pizza
Obwohl die Industrie auf breiter Front auch beim Rennerprodukt Nr. 1, der TK-Pizza, zum Teil deutliche Preiserhöhungen vornehmen musste, bleibt das Sortiment weit vorn in der Gunst von Handel und Kunden. Ein Beispiel: La Mia Grande von Dr. Oetker kostete von 2019 bis 2021 durchschnittlich 3,49 Euro – und ist jetzt für 4,19 Euro zu haben. Das ist ein Preissprung von 60 Cent beziehungsweise rund 17 Prozent. Bei Nestlé Wagner beispielsweise stieg der Preis für Steinofenpizza allein 2022 um rund 30 Cent auf 2,99 Euro. Der Preis für eine Gustavo-Gusto-Pizza bewegt sich sogar schon bei 4,69 Euro. Dennoch: Es gebe eine „stetig gleichbleibende Gewichtung, auch bei Preisanstieg“, sagt Edekaner Bernd Wilger. Der Rostocker Kaufmann Cunäus beziffert den Anstieg auf plus 8 Prozent. Und das werde auch so bleiben, vermutet der Berliner Hersteller Freiberger, denn eine Pizza im Außer-Haus-Konsum koste zwischen 8 und 12 Euro; auch die Lieferdienste seien nicht günstiger. „Der Verbraucher wandert höchstwahrscheinlich wieder in den LEH ab“, vermutet Thorsten Bertschis, Insight Analyst Sales bei Freiberger. „Pizza entwickelt sich immer noch positiv“, bestätigt auch Lara Kusenberg. In ihrem Markt in Goch würden die Beliebtheitsplätze eins und zwei weiterhin von Dr. Oetker belegt, auf Platz drei folge Gustavo Gusto.

Pizza wird größer, bunter und poppiger
Dabei wird der Markt für Pizza immer vielfältiger. Zuletzt legten die neuen Pinsa-Varianten einen fulminanten Aufschlag hin und konnten auf Anhieb im vergangenen Jahr allein bis Ende September 15 Millionen Euro umsetzen. Das sind immerhin schon 1,5 Prozent Marktanteil. Die Mischung aus drei Sorten Mehl und Sauerteig komme bei den Kunden gut an, beobachtet Bertschis. Insgesamt entwickeln sich die internationalen Varianten wie Pinsa oder Pide mit plus 18,2 Prozent im Absatz sehr positiv.

Grundsätzlich wird der Markt von den italienischen Pizza-Varianten geprägt. Laut Nielsen hat „italienisch“ 76,3 Prozent Marktanteil (Wert; 75,2 nach Absatz) – mit weitem Abstand. „Amerikanisch“ bringt es auf 4,3 Prozent. Beliebt beim Kunden sind auch die Rohteige zum Selbstbelegen (knapp 12 Prozent Marktanteil, Absatz). Flammkuchen dagegen verlieren – auf Absatzbasis minus 17,5 Prozent.

Große Pizzen zeigen weiter ein Umsatzwachstum im zweistelligen Bereich. Dieser Trend ist seit 2020 sichtbar – damals verzeichnete das Segment knapp 40 Prozent Plus. 2022 ging die Umsatzkurve nicht mehr gar so hoch, doch mit knapp 12 Prozent bleiben die Pizzen mit großem Durchmesser ein erfreulicher Umsatzbringer in der Tiefkühltruhe. Premium-Produkte schwächeln dagegen aktuell etwas, bleiben aber grundsätzlich stark (2021: plus 33,3 Prozent im Umsatz). Das ist wohl dem Spargedanken des Konsumenten geschuldet. Ähnliches zeigt sich auch bei Bio-Pizza; hier schlägt das Preisbewusstsein zu. Und: Krise hin oder her, bei Pizza ist der Trend zur Pop Culture (siehe Kasten links) einer der führenden. Die Influencer-Marken wie die Pizza oder der Eistee von Capital Bra wuchsen zuletzt um 24 Prozent im Umsatz, meldete die GfK. Dabei kauft die Hälfte der Shopper die Produkte auch nicht nur einmal, sondern immer wieder.

Eine Entwicklung im Zuge der Preisorientierung: Handelsmarken werden – wie derzeit in anderen Sortimenten auch sichtbar – deutlich stärker. Vor allem sind es die nachhaltigen, sprich vegan-vegetarischen Premium-Handelsmarken, die laut GfK beim Konsumenten beliebter werden. Deren fester Platz im Regal sei unbestritten, meint auch der Freiberger Sales Analyst Bertschis.

+6,2 %

Der Umsatz von Tiefkühlkost stieg 2022 – bei 3,6 Prozent Absatzminus. (Quelle: IRI)

+15 %

TK-Snacks sind laut IRI derzeit Umsatzbringer, auch der Absatz steigt (plus 3,9 Prozent).

Ob Marke oder Handelsmarke: vegan vorn
Tiefkühlkost ist da keine Ausnahme; gerade die veganen Artikel wie Pizza auf Pflanzenbasis profitierten. Das gilt für die Marke (Marktanteil 5 Prozent) wie auch für die Eigenmarke (Marktanteil 6,8 Prozent). Um plus 8,3 Prozent wuchs der TK-Veggie-Umsatzanteil im vergangenen Jahr. Ein Beispiel: Garden Gourmet von Nestlé zeigte sich in Umsatz und Absatz mit je über 40 Prozent Steigerung auf der Gewinnerspur. Edekanerin Kusenberg bestätigt: „Das vegane und vegetarische Sortiment entwickelt sich mit 24,85 Prozent Plus sehr gut – hier stehen Fertiggerichte, Eis und Fisch weit oben.“

Bei Bernd Wilger laufen Veganes und Vegetarisches nicht nur „überproportional gut“, sondern sind längst auf dem Weg zum festen Bestandteil der Tiefkühl-Abteilung – dieser sollte allerdings richtig „platziert und plakatiert werden“, damit der Kunde die nötigen Infos zu den Tiefkühlprodukten erhält.

Neue Produkte

Viel gelesen in Hersteller

HIT Produkte 2023

Im Gespräch - Hersteller