Convenience-Food Schneller Genuss auf der Überholspur

Convenience-Food wird aktuell stärker nachgefragt als noch vor der Pandemie und deutlich von Ernährungstrends geprägt. Dabei ist das Marktpotenzial bei Weitem nicht ausgeschöpft.

Freitag, 04. November 2022 - Sortimente
Markus Heine
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Diese Prognose ist eindeutig: Convenience-Food und gesundes Essen to go gehören zu den zehn wichtigsten Ernährungstrends dieser Dekade – so steht es im Trendreport Ernährung 2022. In der zugrunde liegenden Umfrage, durchgeführt vom Netzwerk für Ernährung „Nutrition Hub“ und dem Bundeszentrum für Ernährung (BZfE), wurden über 100 Experten aus dem Ernährungssektor um ihre Einschätzung gebeten. 22 Prozent der befragten Experten sehen Convenience-Food unter den Top 10 der zukünftigen Ernährungstrends, konkret landete das schnelle und vorbereitete Essen auf dem sechsten Platz.

„Immer mehr Menschen können nicht kochen oder haben keine Zeit dafür, wollen aber gleichzeitig gesund essen. Sie sind daher auf Convenience-Food angewiesen“, erklärt Jutta Dierkes, Professorin für Clinical Nutrition an der Universität Bergen. Laut eines im Trendreport Ernährung 2022 erwähnten Berichts der Unternehmensberatung Deloitte sei der Markt für Convenience-Produkte in Deutschland im Vergleich zu China oder den USA noch relativ wenig entwickelt. In den kommenden drei Jahren werde ein Marktwachstum von 13 Prozent auf 5,3 Milliarden Euro erwartet. In den USA würden bereits 62 Prozent der sogenannten Millennials, geboren zwischen 1980 und 1999, Convenience-Angebote mindestens einmal pro Woche nutzen. Neben dem Zeitmangel der Menschen förderten kleinere Haushaltsgrößen, die Urbanisierung und das Altern der Gesellschaft diese Entwicklung.

Handel und Hersteller bereits auf Kurs
Der Handel weiß nur zu gut um die zunehmende Beliebtheit von Convenience-Produkten. Frank Pfeiffer, Sortimentsmanagement Globus Markthallen, betont, dass während der Pandemie eine überdurchschnittlich hohe Nachfrage festzustellen war. „Lockdowns und Gastronomie-Schließungen haben den gesamten Convenience-Bereich inklusive aller Subkategorien beflügelt“, so Pfeiffer. „Insbesondere Fertiggerichte, frische Teigwaren und andere Produktgruppen, die den Menschen die lange Zeit zu Hause erleichtert haben, profitierten in dieser Zeit.“ Allerdings sei die hohe Nachfrage mit der wieder geöffneten Gastronomie und dem verstärkten öffentlichen Leben außerhalb der eigenen vier Wände erwartungsgemäß zurückgegangen. „Dennoch ist Convenience stärker gefragt als vor der Pandemie, und neue Kunden konnten nachhaltig gewonnen werden.“

Edeka erklärt auf Nachfrage der LP, dass aus Sicht der Eigenmarken eine positive Entwicklung vorliege. Vor allem im Bereich „Frische Teige“ beziehungsweise Teigwaren wie Pizzateig sei eine stärkere Nachfrage festzustellen. Genannte Artikel würden vor allem bei Familien großen Anklang finden. Aber auch klassische Fertiggerichte für Mikrowelle oder Backofen verzeichneten weiterhin eine stabile Nachfrage.

Lebensmittelhersteller wie das Unternehmen Henglein, das Kartoffelprodukte und Teigwaren produziert, konnten von der gestiegenen Convenience-Nachfrage im LEH während der Coronapandemie profitieren. Laut Geschäftsführer Eckhard Voth habe man die Verluste aus dem Bereich der Gemeinschaftsverpflegung im LEH gut kompensieren und dabei den Marktanteil im LEH-Markt ausbauen können.

Gleiches sagt man bei Dicke Food, Anbieter hochwertiger Fleisch-, Wurst- und Milchprodukte sowie Traiteur-Artikel, großteils aus Frankreich, Spanien und Italien. Manfred Müller, Servicetheken-Coach: „Das Fehlen gastronomischer Angebote während der Coronapandemie hat insbesondere dem Servicethekenbereich bei Convenience hohe zum Teil zweistellige Zuwachsraten beschert. Der Konsument hat sich mit Freunden an ausgesuchten Theken mit hochwertigen Traiteur-Produkten versorgt. Trotz oder gerade wegen Corona wollte man nicht auf Genuss verzichten.“

Trotz guter Umsätze gestalteten sich die beiden letzten Jahre jedoch auch sehr herausfordernd, betont Barbara Held, Marketing Managerin International bei Frische-Convenience-Hersteller Hilcona: „Die Coronapandemie hat uns mit massiven Verlagerungen in allen Bereichen extrem gefordert. Zuerst brach das To-go-Geschäft ein, dann der Food-Service mit den Restaurants und die Gemeinschaftsverpflegung. Wachstum gab es dafür bei Produkten fürs Zuhause-Kochen.“ Aktuell seien jedoch nahezu alle Hilcona-Sortimente wieder auf oder deutlich über dem Vor-Corona-Niveau. „Noch nicht ganz zurück sind wir in der Gemeinschaftsverpflegung. Da spüren wir den höheren Homeoffice-Anteil“, räumt Barbara Held ein.

Preisvorteil für Tiefkühl-Convenience
Tiefkühlkosthersteller Frostkrone ist sich sicher, dass Convenience an Bedeutung hinzugewinnen und seine Erfolgsgeschichte weiterschreiben wird. „Hier ist noch viel Spielraum für Neuentwicklungen“, betont CEO Frédéric Dervieux gegenüber der LP. „Wir erleben eine Lust auf mehr Auswahl und Geschmacksvielfalt. Der Verbraucher wünscht sich Vielfalt, die ihm Freude beim Verzehr bereitet, ohne eine aufwendige Zubereitung.“ Im Alltag bleibe oft zu wenig Zeit, sodass gerne nach leckeren Produkten gegriffen werde, die entweder direkt verzehrt oder nebenher zubereitet werden können.

Zwar gibt es laut des Deutschen Tiefkühlinstituts (dti) vonseiten der Marktforschungsinstitute keine klare Definition des Convenience-Begriffs für das TK-Sortiment, im Konsumentenverständnis könne man die Teilsortimente Fertiggerichte, Snacks und Pizza jedoch als Convenience-Produkte verstehen. 2021 lag der Anteil der genannten Warengruppen laut dti-Absatzstatistik am Inlandsabsatz aller TK-Produkte im LEH (inklusive Heimdienste und Außerhaus-Markt) mit 1,1 Millionen Tonnen bei rund 29 Prozent. Auf Fertiggerichte entfiel dabei ein Anteil von fast 13 Prozent, Pizza beanspruchte 11 Prozent und Snacks (inklusive Käse) gut 6 Prozent. „Der Absatz von Tiefkühlpizza ist seit dem Jahr 2010 um rund 38 Prozent gestiegen und konnte zuletzt Umsätze in Höhe von 1,2 Milliarden Euro erzielen“, erklärt Sabine Eichner, Geschäftsführerin des dti.

Der Preisvorteil vieler TK-Produkte gegenüber gekühlter Convenience sowie ihre lange Haltbarkeit bei gleichzeitiger Frische könnte noch entscheidender werden. „Viele Verbraucher orientieren sich vor dem Hintergrund derzeitiger Krisen vor allem am Preis“, betont Sabine Eichner. Gemäß einer vom dti in Auftrag gegebenen Verbraucherstudie aus dem April 2022 nimmt der Preis die fünfte Position im Ranking der relevanten Ernährungsaspekte ein, direkt nach Frische, gesunder Ernährung, natürlichen Zutaten und Tierwohl. „Während alle diese Ernährungstrends im Vergleich zur letzten Befragung im September 2021 verloren haben, konnte der Preis als einziges Merkmal in allen Altersgruppen deutlich zulegen“, so Eichner. „Deutschland zeigt damit einmal mehr seine sehr rationale und sparsame Haltung beim Lebensmitteleinkauf.“ 13 Prozent der befragten Verbraucher würden angeben, bei der steigenden Inflation häufiger Tiefkühlprodukte zu kaufen.

Laut Sabine Eichner profitierten TK-Lebensmittel zudem generell vom Trend zu natürlicher, gesunder und nachhaltiger Ernährung, da sie zum einen mit ihrer Frische und Qualität überzeugten, zum anderen aber auch lange haltbar und praktisch portionierbar seien, sodass in den Haushalten weniger weggeworfen werde. Zudem setze sich der Megatrend zu einer vermehrt pflanzlich basierten Ernährung weiter fort.

Vegane und vegetarische Produkte gefragt
Die Edeka-Zentrale bestätigt diese Entwicklung: „Vegane und vegetarische Convenience-Produkte entwickeln sich positiv und profitieren von der wachsenden Zahl an Menschen, die sich vegan oder vegetarisch ernähren möchten. Welche konkreten Wege hier verstärkt eingeschlagen werden müssen, wird stark über das Verbraucherverhalten in den nächsten Monaten mitbestimmt werden.“

Aktuelle Zahlen untermauern den Trend zu einer vermehrt pflanzlich basierten Ernährung. Laut des Ernährungsreports 2022 vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) bezeichneten sich bereits 44 Prozent aller Deutschen 2021 als Flexitarier und verzichteten hin und wieder bewusst auf Fleisch. 7 Prozent ernährten sich vegetarisch und 1 Prozent vegan. 47 Prozent der Befragten hätten mindestens einmal vegetarische oder vegane Alternativprodukte zu tierischen Produkten gekauft, ein Anstieg von 4 Prozent zum Vorjahr. Bei den jüngeren Menschen zwischen 14 und 29 Jahren hätten sogar schon 64 Prozent entsprechende Produkte gekauft, bei den über 60-Jährigen 29 Prozent.

„Veggie-Produkte sind besonders gefragt“, erklärt auch Barbara Held von Hilcona und verweist zudem auf steigende Umsatzzahlen im Veggie-Fleischersatz-Markt (vgl. Nielsen IQ, veg. Fleischzubereitung, KW 35/2022). Auch Frostkrone CEO Frédéric Dervieux betont, dass der vegane und vegetarische Bereich das in der Unternehmensgruppe am schnellsten wachsende Segment sei.

Manfred Müller von Dicke Food traut der fleischlosen Begeisterung noch nicht so ganz: „Sicher nehmen wir den Trend oder, besser gesagt, den Hype wahr. Ich frage mich allerdings, was passiert, wenn die massive mediale Unterstützung und Präsenz nachlässt, die aus meiner Sicht nicht unerheblich die momentane Nachfrage treibt. Oder wenn sich der Fokus der Verbraucher auf die Herkunft der Zutaten, die Inhaltsstoffe und deren Gewinnung verschiebt. Wir sehen zwar die Notwendigkeit, vermissen aber zum Teil den ganzheitlichen Ansatz.“

Wettbewerb im Geschmackserlebnis
Das Zukunftsinstitut erklärt in seinen Food-Trends 2023, dass der Höhepunkt der Veganisierung längst noch nicht erreicht sei und vegane Alternativen bestimmter Traditionsspeisen zum Standard unserer kulinarischen Repertoires werden würden. So wie Chili sin Carne inzwischen genauso anerkannt sei wie Chili con Carne, werde es weitere Klassiker aus den verschiedensten Küchen geben, die sich als gleichwertige Alternativen durchsetzen könnten, von Köttbullar über Kimchi bis hin zur Kohlroulade. Dabei würden längst nicht alle veganen Varianten von bekannten Gerichten oder Zutaten überzeugen, der Wettbewerb um das Geschmackserlebnis, das dem Original am ähnlichsten sei oder dieses sogar übertreffe, werde den Markt in den kommenden Jahren jedoch mit weiteren Ersatzprodukten und kreativen Rezeptideen bereichern.

Henglein-Chef Eckhard Voth sieht sogar ein neues Wert-Paradigma bei Lebensmitteln: „Schon vor der Coronapandemie war der Endverbraucher kritischer als je zuvor. Durch die Pandemie haben Gesundheit und Sicherheit jedoch einen noch größeren Stellenwert im Bewusstsein der Menschen bekommen.“ Auch das Verhältnis zur Natur sowie ein reflektierter Ressourcenverbrauch seien beim Verbraucher verstärkt in den Fokus gerückt worden. Losgelöst von der Coronapandemie dürfte das Kochen zu Hause laut Voth weiterhin beliebt bleiben und womöglich sogar noch stärker betrieben werden. „Durch die derzeitige hohe Inflation lässt der Geldbeutel vieler Menschen nicht mehr allzu viel Spielraum für auswärtige Restaurantbesuche“, ordnet Eckhard Voth die aktuelle Situation ein. „Selbst zu kochen steht deshalb bei vielen Haushalten als kostengünstige Alternative wieder hoch im Kurs.“

Dabei würden die Verbraucher nicht auf hochwertige Zutaten verzichten wollen. Eckhard Voth: „In den schnelllebigen Prozessen des alltäglichen Lebens wird das tägliche Essen eine der wenigen Konstanten bleiben. Hochwertige Convenience-Produkte garantieren dabei ein einmaliges Geschmackserlebnis, wobei die Kreativität und das Kocherlebnis dem Endverbraucher überlassen bleiben. Folglich perfekt für alle, die gerne mal selbst kochen, dafür aber aufgrund ihres Lifestyles nicht viel Zeit aufwenden wollen beziehungsweise können.“

Barbara Held von Hilcona sieht den Wunsch der Konsumenten nach einem Mehr an Gesundheit, Wohlbefinden und Nachhaltigkeit: „Die Qualität eines Lebensmittels wird zunehmend ganzheitlicher definiert. Neben dem Geschmack oder pragmatischen Faktoren wie Preis und Convenience beeinflussen heutzutage auch sensorische, ökologische, tierethische und soziale Aspekte die Kaufentscheidung der Konsumenten. Alle diese Erkenntnisse fließen in unsere tägliche Arbeit mit ein.“

Insgesamt blickt Barbara Held optimistisch in die Zukunft: „Convenience-Produkte werden weiterhin ein hohes Potenzial haben, da sie den Alltag der Menschen erleichtern. Erfolgreich bleibt, wer die neuen Bedürfnisse der Shopper kennt und das Angebot darauf ausrichtet.“

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