Das Hoch ist erst mal vorbei. Aber einen Abgesang des Frühstücks zu verfassen, das trifft es auch nicht. Vielmehr ist Konsolidierung angesagt. In der Pandemie, in der Zeit von Homeschooling und Homeoffice, feierte das Frühstück daheim eine Renaissance. Mit der langsamen Normalisierung des Lebens – Rückkehr in die Büros, Kinder wieder in der Schule – passt sich das Frühstücksverhalten der Bundesbürger der neuen Realität an. Das macht sich auch bei den Brotaufstrichen bemerkbar, wie die Zahlen von Nielsen IQ Market Tracks zeigen. Bis zur KW 9 ging mit Blick auf die Vorjahresperiode (YTD) der Umsatz mit Brotaufstrichen insgesamt um 3,5 Prozent zurück (270,4 Millionen Euro; LEH + DM) – bei einem Absatzrückgang von 7,8 Prozent. Bei den Discountern Aldi Süd und Nord, Lidl und Norma zeigt sich ein stärkerer Rückgang: Der Umsatz liegt bei 64,1 Millionen, ein Minus von 4,7 Prozent, 10,7 Prozent weniger im Absatz, die Preise zogen um 6,7 Prozent an.
Für eine Konsolidierung auf wahrscheinlich höherem Niveau als vor der Pandemie spricht die neue Rolle von Homeoffice: So geht Christian Kamphoven, Senior Brand Manager Natural Spreads bei Schwartauer Werke, zwar davon aus, dass einige Bundesbürger in Sachen Frühstück unter der Woche wieder zu alten Verhaltensmustern zurückkehrten. Dennoch werde mobiles Arbeiten weiterhin Bestandteil des beruflichen Alltags bleiben. „Unsere Prognose ist daher, dass das Frühstücken unter der Woche zwar zurückgehen, aber nicht unter das Niveau vor der Pandemie fallen wird.“
Rohstoffe werden Hauptproblem
Was Produktion und Entwicklung bei den süßen Brotaufstrichen mit Sicherheit beeinflussen wird, ist die Lage auf den Rohstoffmärkten. So berichtet Kamphoven etwa davon, dass der Engpass bei Ölen dazu geführt habe, dass die Rezepturen für die Schoko- und Haselnusscremes zum Teil überarbeitet werden mussten. Der österreichische Marmeladen- und Konfitürenspezialist Darbo ist nach eigenen Angaben zwar gut durch die zwei Krisenjahre der Pandemie gekommen. Der Ukrainekrieg als Preistreiber ändert aber die Lage: „Wir als Premiumanbieter verarbeiten allerdings nur exquisite Fruchtqualitäten – die sind knapp und damit teuer“, sagt Vorstand Martin Darbo. Nachdem die Früchte der mit Abstand größte Kostenfaktor seien, „ist man vor gelegentlichen Preisanpassungen nicht gefeit“.
Dennis Lange, Marketingleiter bei der Bio-Zentrale, befürchtet sogar die Einstellung diverser Produktgruppen, wenn es nicht gelinge, die entlang der gesamten Wertschöpfungskette gestiegenen Kosten durch Preiserhöhungen zu kompensieren. Die Lage wird für das Unternehmen zusätzlich dadurch erschwert, dass Unternehmen, die zuvor aus der Ukraine konventionell hergestellte Rohstoffe oder Waren bezogen hätten, nun zum Teil Waren in Bio-Qualität in Deutschland oder anderswo kauften. Das treibe die Preise zusätzlich.
Für den Mai prognostizierte die Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) beim Konsumklima einen Indexwert von historisch tiefen 26,5 Prozent. Im Consumer Index für den März, erschienen am 29. April, beschreiben die Marktforscher nun auch die Rückkehr der Kunden zu Handelsmarken. In Zahlen heißt dies bezogen auf Frühstücksprodukte: Um 3,6 Prozent legte der Handelsmarken-Anteil im ersten Quartal 2022 gegenüber dem Vorjahresquartal zu. Zahlen, die Michael Berghorn, Vorsitzender der Geschäftsführung bei Friedrich Göbber, beunruhigen: „Es zeichnet sich ab, dass die gesamte Nachfrage der Konsumenten vor einer bedeutsamen Veränderung stehen wird.“ Das Unternehmen beobachte die Lage genau und „wird gegebenenfalls Strategien anpassen“.
Was gerade angesagt ist
Es gibt bei Brotaufstrichen fürs Frühstück einige Trends, die nicht immer neu sind, aber beim Verbraucher gefragt sind und bleiben:
Zuckerreduktion ist bei Konfitüren ein wichtiges Thema, sagt Martin Darbo. „Dieses Sortiment entwickelt sich sehr dynamisch.“ Auch die Schwartauer Werke haben mit der „Schwartau Extra Weniger Zucker“-Konfitüre eine Range für die gesundheitsbewussten Kunden im Angebot.
Bio-Qualitäten: Mit drei Sorten launcht Darbo derzeit eine Range von Bio-Fruchtaufstrichen (Erdbeere, Heidelbeere, Sauerkirsche).
Passierte, fein pürierte Konsistenzen: Diese eigneten sich laut Martin Darbo aber nicht nur fürs Frühstücksbrot, sondern auch fürs Backen oder für Desserts.
Klimaneutral: Der Fruchtaufstrich Zentis „NaturRein“ besteht nicht nur aus lediglich drei Zutaten (Früchte aus streng kontrolliertem Anbau, Gelierzucker und Zitronensaftkonzentrat). „Das Sortiment ist komplett klimaneutral“, sagt Oliver Böcker, Gesamt-Geschäftsführer Marke. Die CO2-Emissionen entlang der Wertschöpfungskette werden kompensiert.
Premium: Mit dem irischen Hersteller Folláin betritt ein neuer Player für Fruchtaufstriche den Markt. Die Iren sind nach eigenen Angaben Marktführer im Heimatland. Die sechs Produkte der Range „Nichts als Früchte“ werden ohne raffinierten Zucker hergestellt. Sie enthalten nur die namensgebende Frucht, Traubensaft zur Süßung sowie Apfelpektin. Das wird auch prominent auf der Vorderseite des 340-Gramm-Glases ausgelobt. Die Werbetrommel wird mit Online- und Social-Media-Aktivitäten oder PoS-Displays gerührt. Das Familienunternehmen Folláin (irisch: gesund) wurde 1988 gegründet und produziert ausschließlich in Irland. Die Zutaten stammen laut Unternehmen, abhängig von der Sorte, primär aus Irland oder der EU.
Wachstum mit Nüssen
Mit der starken Marke Milka setzte Mondelez 2020 ein Zeichen bei den süßen Brotaufstrichen: Die Milka Haselnusscreme hat sich laut Livia Kolmitz, Leitung Unternehmenskommunikation DACH Mondelez International, „sehr erfolgreich im Segment etabliert“. Für das Unternehmen birgt das Frühstück auch nach dem Abflauen der Pandemie „ein großes Marktpotenzial“.
Immer mehr Raum im Handelsregal nehmen derweil die auf Mandel, Cashew- oder Erdnuss basierenden Brotaufstriche ein. Ihnen gelang erfolgreich der Sprung aus dem Bio- oder Naturkostladen in den klassischen Lebensmitteleinzelhandel. Denn sie garantieren weitere Vielfalt beim Frühstück. Und unterstützen die Versorgung mit Protein.
Von einem ungebremsten Wachstum für Nussaufstriche spricht auch Sandra Spremberg, Marketing Director DACH Allos Hof-Manufaktur. Sie verweist auf die Innova Market Insights 2022, die ein 20-prozentiges Wachstum für Nussaufstriche sehen. Seit 2021 ist die Bio-Peanutbutter der britischen Marke Whole Earth in den Varianten „creamy“ sowie „crunchy“ im Portfolio. Sie besteht zu 99 Prozent aus Bio-Erdnüssen plus eine Prise Meersalz. Dabei seien Erdnussbutter oder -muse sehr vielseitig: Spremberg nennt die Frühstücksbowl mit Cerealien und Früchten, die durch ein oder zwei Löffel Erdnussbutter zusätzliches Protein erhält. „Hier sehen wir weiteres Potenzial.“
Alternativen zu klassischen Nuss-Nougat-Cremes stehen auch bei Zentis im Fokus. Neben der laut Oliver Böcker „beliebten“ Erdnussbutter in zwei Varianten nennt der Gesamt-Geschäftsleiter Marke die neuen „45 % Haselnuss Cremes“: „Mit einem Nussanteil von 45 Prozent sind die beiden Varianten Creamy und Crunchy doppelt so nussig wie die klassischen Nuss-Nougat-Cremes.“ Die Produkte sind ohne Kakaozusatz und ohne Palmöl hergestellt.
Für die Bio-Zentrale decken die Nussmuse einen weiteren Trend im Food-Bereich ab: „Im Zuge der veganen und flexitarischen Ernährungsweise einer wachsenden Verbraucherzahl rücken verstärkt vegane Rezepturen in den Fokus“, sagt Dennis Lange, Marketingleiter Bio-Zentrale. Das Erdnussmus Kakao Crunchy erweitert das süße Aufstrichsortiment. Es enthält kein Palmöl und ist gluten- sowie laktosefrei.
Auch wenn das Wachstum bei den Frühstücksprodukten derzeit etwas abgeflachter ist: Die Berufswelt hat sich durch die Pandemie so verändert, zwei oder drei Tage Home-office in der Woche könnten für viele zur Dauerlösung werden. Das Frühstück daheim unter der Woche sollte also kein Auslaufmodell sein.