Die ambitionierten Bio-Ziele des neuen Bundeslandwirtschaftsministers Cem Özdemir sorgen für eine vorsichtig optimistische Stimmung in der ganzen Bio-Branche. Getrübt wird diese aktuell jedoch durch die hohen Rohstoff- und Energiekosten und damit verbundenen Verhandlungen mit dem Handel über nötige Preiserhöhungen.
„Wir haben uns 30 Prozent Öko-Landbau bis 2030 vorgenommen – dieses Ziel soll sich auch an der Ladentheke wiederfinden“, bekräftigte Özdemir Ende Januar erneut seine Marschrichtung und stellte regionale Bio-Wertschöpfungsketten in den Fokus. Für die Bio-Branche ein positives Signal. Doch es bedarf einiger Weichenstellungen, damit Landwirte und Produzenten auch von der Strategie profitieren können.
Wachstum für alle?
Bioland-Präsident Jan Plagge bezeichnet das 30-Prozent-Ziel als „gut und vielversprechend“. Der nächste konsequente Schritt auf diesem Weg müsse jedoch sein, dieses an den zentralen Punkten im GAP-Strategieplan (siehe Info Seite 53) zu verankern, damit mehr Betriebe ermutigt und befähigt würden, auf Öko umzustellen, mahnen etwa Bioland und der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW). „Nur so kann verlässlich und langfristig an der Erreichung des Ziels gearbeitet werden“, betont Plagge.
Johannes Mauss, Geschäftsführer der Bio-Zentrale, begrüßt den Vorstoß Özdemirs. Bio komme immer mehr in der Mitte der Gesellschaft an. Auch sei es eine Tatsache, dass mehr Bio-Anbau gut für das Klima sei. Zugleich fordert er, es müsse ‧darauf geachtet werden, dass die Entwicklung nicht zulasten kleiner Hersteller, Produzenten und Bauern gehe, da große Marktteilnehmer aufgrund ihrer Marktmacht und finanziellen Ausstattung die Umsetzung schneller voranbringen könnten. „Wir brauchen zukunftsfähige mittelständische Strukturen, die ein solides Rückgrat für die Versorgung mit Bio-Lebensmitteln darstellen.“
Auch Teigwaren-Spezialist Alb-Gold begrüßt das Ziel, die ökologisch bewirtschafteten Flächen in den nächsten Jahren zu verdreifachen. Die Trochtelfinger erhoffen sich konkret, durch höhere Volumen bei heimischem Bio-Dinkel vom Ausbau des Öko-Landbaus profitieren zu können, sagt Matthias Klumpp, Leitung Nachhaltige Entwicklung & Kommunikation. Der Anbau von Bio-Dinkel funktioniere hierzulande gut. Anders sehe dies jedoch beim klassischen Pasta-Rohstoff Hartweizen aus. „In Deutschland sind vor allem die klimatischen Voraussetzungen für Hartweizen der limitierende Faktor“, erklärt er. Der konventionelle Anbau funktioniere deutlich besser als der ökologische. „Bio-Hartweizen in entsprechend hoher Qualität aus regionalem Anbau beziehen zu können, wird auch mit der neuen Strategie eine Herausforderung“, gibt sich Klumpp zurückhaltend.
Sollen mehr höherpreisige Bio-Lebensmittel verkauft werden, sind auch die Handelsunternehmen gefragt, diese stärker zu vermarkten. Tegut liegt heute schon bei einem Bio-Umsatzanteil von über 30 Prozent. Einige selbstständige Händler wie Edeka Struve arbeiten intensiv daran, auf eine ähnliche Größenordnung zu kommen.
Aktuell hakt es in der Zusammenarbeit zwischen Bio-Produzenten und Handel jedoch ebenso in den Preisverhandlungen wie bei konventionellen Lebensmitteln. Der Grund auch hier höhere Kosten vom Anbau über die Rohstoffverfügbarkeit und Produktion bis hin zu Logistik und Verkauf, erklärt der Geschäftsführer der Bio-Zentrale. Man sei im aktiven Dialog, um mit den Handelspartnern gemeinsam einen Weg zu finden. „Dass das für beide Seiten nicht einfach ist, liegt bei diesen enormen Veränderungen bei so ziemlich allen preisrelevanten Themenfeldern auf der Hand“, so Mauss.
Auch Rila Feinkost-Importe, mit der Marke Rinatura Bio in den Öko-Regalen der Supermärkte vertreten, hat als international agierendes Unternehmen in allen Bereichen – Rohstoffe, Energie, Verpackung, Logistik, Löhne und Gehälter – Preisentwicklungen, die mit dem Handel besprochen werden müssen, heißt es aus Stemwede. Gleiches berichtet Teigwaren-Hersteller Alb-Gold. „Wir nähern uns in den Gesprächen langsam an“, sagt Alb-Gold-Manager Klumpp zu den Verhandlungen mit dem Handel.
Innovationszyklen unverändert
In „normalen“ Jahren würden sich Hersteller und Händler traditionell im Februar zur Biofach in Nürnberg in die Augen sehen und über Innovationen sprechen. Viele Markenartikler richten ihre Produktentwicklung und -launches an der Messe aus. Nach einem digitalen Format 2021 soll eine physische Messe erst Ende Juli 2022 stattfinden. Was bedeutet dies für die Planungen?
Für die Molkerei Berchtesgadener Land ist „nach der Biofach immer auch wieder vor der Biofach“. Trotz der Unklarheit im vergangenen und in diesem Februar, ob und in welcher Form die Messe stattfinden würde, hat das Unternehmen seine Entwicklungsprozesse von Produkt und Packaging weiterhin auf diesen Zeitraum ausgerichtet.
„Eine wichtige Konstante“ im jährlichen Terminkalender stellt die Biofach für die Bio-Zentrale dar. Keine digitale Messe könne diesen persönlichen Austausch mit den Kunden, Lieferanten und der Branche ersetzen, meint Mauss. Die Timings zur Handelseinführung neuer Produkte hat das Unternehmen für die Jahre 2021 und 2022 nicht verändert.
Axel Frerks, Geschäftsbereichsleiter Vertrieb und Marketing bei Davert (Midsona): „Die Biofach ist als Weltleitmesse jedes Jahr unsere wichtigste Messe, daher nutzen wir sie immer gerne, um allen Besuchern anhand unserer Neuprodukte die Innovationsfähigkeit und Food-Begeisterung von Davert zu zeigen.“ Die Form der Messe sei dabei nicht ausschlaggebend. Die digitale Biofach im vergangenen Jahr und die Verschiebung der Messe in diesem Jahr hätten gezeigt, dass Davert ein sehr agiles Unternehmen sei, das schnell auf Veränderungen eingehen könne. Der Bio-Pionier habe die Verschiebung der Messe als kreative Ideenquelle genutzt und wolle das Thema „Sommer“ aufgreifen, verrät Frerks.
Ein Blick auf die Neuheiten zeigt, mit welchen Zusatzattributen die Branche punkten will: proteinreich, kohlenhydratarm und vegan. Auch nachhaltige Verpackungen sind immer stärker im Fokus.
Ab April kommen die neuen Produkte von Davert in den Handel. Die neue Pea-Protein-Range umfasst sieben Fleisch-Ersatzprodukte auf Erbsenproteinbasis. Zudem bringt die Marke alternative Semmelbrösel aus Erbsen und Bohnen in die Regale. Das Produkt ist im Vergleich low carb und bringt eine Extra-Portion Eiweiß mit. Rinatura Bio launcht ‧eine neue proteinreiche Couscous-Sorte auf Basis von Kichererbsen und roten Linsen.
Mit einer neuen Alternative zu klassischen Schoko-Nuss-Cremes erweitert die Bio-Zentrale aktuell ihr Frühstückssortiment. Ende Februar startet eine groß angelegte Kommunikationsoffensive mit Radiospots zum Ausbau der Markenbekanntheit. Die Molkerei Berchtesgadener Land stellt derzeit die letzten Verpackungen um, um den Einsatz von regionalem Zuckerrüben-Zucker zu kommunizieren. Ebenso laufen die Umstellungen auf nachhaltige Alternativen der Kartonflaschen und Knusperbecher.