Die Kühlregale des Handels waren in den vergangenen Jahren das Ziel der Produktentwickler im vegetarischen und veganen Segment. Vor allem Alternativen zu fleischlichen Klassikern für Bratpfanne und Grill, aber auch pflanzlicher Ersatz für Milch, Joghurt und Käse eroberten neue Meter in der Pluskühlung. Nun sollen neue Veggie-Produkte auch die Nachfrage in den Tiefkühltruhen und im Trockensortiment beleben.
Insgesamt macht das vegetarisch-vegane Sortiment dem Handel auch im Corona-Jahr große Freude. Hersteller berichten von dynamischen Zuwächsen, und gerade hat der Discounter Penny eine eigene vegane Marke vorgestellt, die Produkte für alle Temperaturzonen anbietet.
Auch bei Tegut sei die Nachfrage nach vegetarischen und tierfreien Produkten nach wie vor stark steigend, berichtet Ricarda Block (Einkäuferin/Category Manager Einkauf Frischesortiment bei Tegut). Generell würden vegane Produkte stärker bevorzugt, beobachtet Block – zum einen, da das Angebot an veganen Produkten seitens der Industrie wachse und vegetarische Produkte hin zu veganen Qualitäten entwickelt würden, zum anderen, weil sich die Zielgruppe erweitert habe. „Hier sind die Flexitarier eine große Kraft geworden.“
Laut ihrem Kollegen Felix Pembaur (Einkäufer/Category Manager für die Bereiche Tiefkühlkost, Alternative Ernährung, Brotaufstriche und Cerealien) verzeichnet Tegut im TK-Bereich insbesondere bei Pizza und Eis eine starke Nachfrage nach veganen Alternativen, aber auch im veganen Trockensortiment verzeichnet das Unternehmen ein deutliches Wachstum. Neben einem guten Geschmack rücke bei den veganen Artikeln auch immer mehr ein „cleanes“ und kurzes Zutatenverzeichnis in den Fokus der Verbraucher. Auch Bio ist laut Pembaur im veganen Sortiment ein zentrales Kaufkriterium.
Eigenständige pflanzliche Produkte erwünscht
Das bestätigt eine aktuelle Umfrage im Rahmen des Projekts The V-Place, an dem die Universität Hohenheim beteiligt ist. Befragt wurden Verbraucher und Experten in Dänemark, Deutschland, Frankreich, Italien, Spanien und Polen zu den entscheidenden Faktoren für die Kaufentscheidung bei pflanzenbasierten Lebensmitteln. Ein Ergebnis: Käufer veganer Produkte wollen einen stärkeren Fokus auf Bio- und Regionalprodukte. Auffällig sei die Sorge, pflanzenbasierte Lebensmittel hätten einen zu hohen Verarbeitungsgrad und zu viele Zusatzstoffe.
Verbraucher und Experten wünschten sich zudem im veganen Angebot eine größere Vielfalt – sowohl an Zutaten als auch an Fertigprodukten. Neben mehr Imitaten sollen auch mehr eigenständige neue pflanzliche Lebensmittel auf den Markt kommen, die Nachhaltigkeit und Gesundheitsaspekte berücksichtigen.
Diesen Wünschen kommt die Campofrio Food Group unter der Marke Aoste nach, die bisher für Salami und Fleischprodukte steht. Seit einigen Wochen zählen Gemüse-Sticks in den Sorten Tomate-Paprika, Karotte sowie Rote Beete zum Sortiment. Sie bestehen aus den jeweiligen Hauptzutaten und weiterem Gemüse (Kichererbsen, Kartoffeln) sowie Kräutern und werden im Ofen gebacken. „Wir sehen ein sehr großes Potenzial für unsere Marke Aoste im veganen Bereich. Bereits seit einiger Zeit beobachten wir, dass dieses Segment stetig wächst, denn ein bewusster und ausgewogener Ernährungsstil steht bei vielen Verbrauchern im Fokus“, sagt Maren Groppe, Senior Brand Manager Campofrio Deutschland. Eine Herausforderung bringen die Neuprodukte mit sich: die Frage der richtigen Platzierung. „An dieses Thema tasten wir uns momentan heran“, so Groppe. Aus der Marktforschung wisse man, dass der Verbraucher die Produkte als Erstes im Regal für salzige Snacks vermute. Aber auch Tests im Umfeld von Obst und Gemüse waren erfolgreich.
Dass die Platzierungsfrage insbesondere vor dem Hintergrund der sehr heterogenen Zielgruppe noch nicht abschließend geklärt ist, zeigt Tegut. „Wir gehen mittlerweile den Weg, dass wir vegane Produkte im Trockensortiment nicht mehr im Block platzieren, sondern diese der jeweiligen Kategorie zuordnen“, so Felix Pembaur. So finden Tegut-Kunden vegane Schokolade bei den traditionellen Schokoladen in der Süßware.
Vegan-Spezialist Veganz empfiehlt über alle Handelsformate hinweg noch immer die Blockplatzierung für den Trockenbereich. Den neu orientierten Verbrauchern könne man hier ein komplettes Angebot Frühstück, Mittagessen, Abendbrot, Sweets und Snacks offerieren und Impulse setzen, erklärt Veganz-Gründer und -CEO Jan Bredack. Das Berliner Unternehmen konzentriert sich aktuell vor allem auf Produktinnovationen im Kühl- und Tiefkühlbereich, die Fleischklassiker ersetzen sollen. Zu den Festtagen soll die erste vegane Ente in die Kühlregale kommen. Für das erste Quartal 2021 kündigt Bredack eine vegane Lasagne, „Hühnerfrikassee“ und Pizzasnacks für die Tiefkühlung an.
Konkurrenz hat Veganz im TK-Bereich von der Nestlé-Marke Garden Gourmet. Im vergangenen Jahr wurden drei Pizzavarianten mit Nestlé Wagner limitiert im Handel lanciert. Die Nachfrage entwickelte sich positiv, berichtet Heike Miéville-Müller, verantwortlich für Garden Gourmet in Deutschland. Das Geschäft mit gefrorenen Fleischersatzprodukten fange gerade erst an. Mit Garden Gourmet fokussiere man sich heute vor allem auf den Bereich der gekühlten Produkte, sagt sie. Bei „rohen“ pflanzlichen Burgerpatties sei die Marke in Deutschland laut Miéville-Müller mit einem Anteil von mehr als 70 Prozent Marktführer. Nestlé analysiere jedoch, in welchen Kategorien sich für Garden Gourmet Möglichkeiten zur Sortimentserweiterung ergeben könnten. Ein Fokus in der Produktentwicklung und Kommunikation liege auf überschaubaren Zutatenlisten und guten Nährwerten.