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Der Bäcker in der Vorkassenzone als Frequenzhilfe für den Vollsortimenter: Dr. Susanne Eichholz-Klein, Bereichsleiterin bei der IFH Retail Consultants GmbH in Köln, beobachtet derzeit eine Art Verschiebung der Verhältnisse , bedingt durch die Investitionen des Handels in Gastrokonzepte sowie Auftritt und Sortiment des Bäckers in der Vorkassenzone. „Bislang haben die Bäckereien in der Vorkassenzone eher von der Frequenz des LEH profitiert, der neue Ansatz geht eher von einer gegenseitig wirkenden Attraktivitäts- und Frequenzverstärkung aus“, sagt sie im LP-Gespräch (s. S. 50). Die Konsequenz: „Eine funktionierende Vorkassenzone schafft auch für den LEH-Betreiber zusätzliche Frequenz und führt dann für Bäckereibetreiber und den LEH zu einer Win-win-Situation.“ Der qualitative und quantitative Ausbau der Sortimente mit regionalen/saisonalen Spezialitäten, süßen und salzigen Snacks sowie Kuchenstücken – Vorkassenzonen-Bäcker und Backstationen im Handel sind neben den klassischen Frischeabteilungen (in Bedienung) Visitenkarten eines Händlers. Die Vorkassenzone wandelt sich von der Problemzone zum Frequenzverstärker. Die Aufwertung des gesamten Auftritts lässt sich exemplarisch auch an den Veränderungen im Bereich der SB-Bäcker sehen: Filialen der Wiener Feinbäckerei Heberer, von Back-Werk oder der Konzeptstore von Back-Factory in Kassel (s. Seite 60) sehen eigentlich so aus, wie die Filiale eines erfolgreichen Handwerksbäckers aussehen könnte, ja vielleicht sogar sollte. Und auch bei den Discountern haben Sortiment und Auftritt nicht mehr viel mit den Anfängen zu tun. Grenzen setzt diesen aber das Prinzip Discount selbst: Aus Kostengründen verbieten sich eigentlich Konzepte mit Gastro-Charakter oder „Brot und Backwaren in Bedienung“. Um bei der Wertschöpfung nicht zurückzubleiben, wird in Sortimente investiert. Doch ob das reichen wird, muss sich erst zeigen.
Für den Vollsortimenter könnte eine Entwicklung von Vorteil sein, der die Gesellschaft für Konsumforschung (Consumer Index 05/2014) unter dem Titel „Eine Gesellschaft im Zeitstress“ nachging. Danach veränderten Arbeitswelt und Freizeitangebote die Lebensführung gerader jüngerer Menschen so, dass sie stark unter Zeitstress litten. Die Folge: Sie gehen immer seltener zum Einkaufen (170 Mal im Jahr 2013), Haushalte mittleren Alters immerhin zwischen 220 und 236 Mal. Sie kaufen zudem eher ungeplant und impulsträchtiger ein, was laut GfK nicht nur die Entwicklung von Produktneuheiten oder Promotioneffizienz beeinflussen werde, sondern Art und Weise des Einkaufens und damit des Verkaufens. Wer nicht häufig einkaufen geht, der will alles möglichst an einem Ort finden – impulsstark und wertig präsentiert. Hier kann dann eine moderne Vorkassenzone dem Vollsortimenter helfen.
Gleichzeitig beobachtet die GfK einen „Durchhänger der Discounter“ in den ersten fünf Monaten des Jahres. Ihr Wachstum liegt um 0,7 Prozent hinter dem Gesamtmarkt, hinter dem der LEH-Food-Vollsortimenter sogar um 3,5 Prozent. Für die GfK spielt hier auch die gute Wirtschaftslage , verbunden mit derzeit niedrigen Zinsen, eine Rolle: „Bürger geben ihr Geld lieber aus, als es zur Bank zu tragen: bevorzugt für werthaltige Immobilien, aber auch für ,wertvollere’ Lebensmittel“, schreiben die Marktforscher. Ihr Fazit: „Dies kommt den LEH-Food-Vollsortimentern zugute, die trotz aller Sortiments- und Qualitätsanstrengungen der Discounter in den Augen der Verbraucher offenbar immer noch das höherwertigere Angebot haben.“
Aufgewertete Vorkassenzone, mehr Gastro-Konzepte: Wo bleiben da SB-Regal und Backstation im Markt? Brot und Backwaren in den SB-Regalen des LEH haben mit 0,7 Prozent Umsatzminus (Nielsen; MAT KW 14/2013 zu KW 13/2014; siehe Grafik S. 52) eine Schwächephase. Das ist vor allem dem Einbruch bei Ganzbroten geschuldet: 20 Prozent Absatz-Minus, 15,75 Umsatz-Minus. Für Impulse im SB-Regal sorgt die Aufbackware. Das Wachstum ist mit 0,8 Prozent zwar etwas abgeschwächt, das Segment profitiert aber immer noch vom Frischeschub fürs gesamte Sortiment durch Backstationen: Mit Aufbackware haben Verbraucher jederzeit frische Brötchen auf dem Teller – Handelsmarkenhersteller Sinnack spricht von „Convenience-Produkten für zu Hause“. Zusätzlichen Schub sollen neue Produkte bringen: Harry-Brot greift mit Steinofen-Panini, Kartoffel-Roggenkrüstchen und Vital+Fit-Mehrkornbrötchen den Trend zu rustikaleren Varianten auf, Sinnack startet gerade mit den mit Markenbutter verfeinerten Kaiserbrötchen. Internationale Spezialitäten wie Wraps, Naan- und Pita-Brötchen sieht Prof. Dr. Ulrike Detmers, Mitgesellschafterin Mestemacher Gruppe, als Profilierungssortiment für den Vollsortimenter, nicht zuletzt wegen der zunehmenden Internationalisierung der Bevölkerung. Im an sich wachsenden Markt der Schnittbrote sind laut Lieken Vollkornbrote derzeit leicht r? ?ckläufig: Neuere und jüngere Zielgruppen will Lieken mit der Lieken-Urkorn-Kerni-Range und einer veränderten Kommunikation ansprechen. Der Trend zur Regionalität sollte sich auch im SB-Regal widerspiegeln (haltbare Roggenbrote von Mestemacher, Pema). Ebenso sollte der Kunde im SB-Regal kleinere Gebinde finden. Für Detlef Brandes, Geschäftsleitung Vertrieb bei Kuchenmeister, kann auch die Aufwertung eher im Preiseinstiegssegment angesiedelter Produkte durch „substanziell bessere Qualitäten in Verbindung mit einer starken Marke erfolgreich sein“. Sein Beispiel: die Kuchenmeister Milchbrötchen Butter unter der Marke Kerrygold.