Der Deutsche Bauernverband (DBV) und der Milchindustrie-Verband (MIV) hätten zu gerne mit den Bundespolitikern Tacheles geredet. Zu sehr beschäftigt die Bürokratie den Alltag von Milcherzeugern und -verarbeitern, verhindert insbesondere auf den Milchhöfen die notwendigen Investitionen in neue, größere, tierwohlgerechtere Ställe. Zeitgleich geben weiter Landwirte die Milchviehhaltung auf. Während es 2024 nach Aussage des MIV-Vorsitzenden Detlef Latka bei der Milchmenge eine Seitwärtsbewegung gab von minus 0,5 Prozent, verringerte sich zu Jahresbeginn die Rohmilchanlieferung um rund 2 Prozent. „Milch wird knapp bleiben“, war unisono der Tenor auf dem Milchforum in Berlin.
Dabei wäre laut DBV-Vizepräsident Karsten Schmal durchaus Geld für Investitionen auf den Höfen vorhanden. Aber kaum ein Landwirt traue sich derzeit an einen Stallneubau, der ihn bau- und planungsrechtlich „den letzten Nerv“ kosten und Jahre dauern würde. Karsten Schmal fordert mehr Planungssicherheit: „Wir denken nicht in Legislaturperioden, sondern in Generationen.“
Alle Welt rede vom Bürokratieabbau, aber niemand würde ihn sehen, formulierte Karsten Schmal seinen Eindruck vom Politikbetrieb in Berlin und Brüssel. Deshalb forderten die Initiatoren des Berliner Milchforums die zukünftige Regierung auf, nicht nur Wahlkampfversprechen zu machen, sondern endlich zu liefern. „Das hilft nicht nur der Milchindustrie, sondern der gesamten deutschen Wirtschaft“, sagte Detlef Latke. Er kritisierte nicht nur die Menge an Gesetzen und Verordnungen, sondern auch deren Qualität. Als Beispiele führte er das Kunststofffondsgesetz und die EU-Entwaldungsverordnung (EUDR) an. Bei Ersterem hätten selbst die geforderten FAQs nicht geholfen, die genauso unverständlich seien wie das Gesetz selbst. Aus Latkas Sicht nehme zudem das Umweltbundesamt die Eingruppierung bestimmter Produkte „scheinbar willkürlich vor“. Der MIV-Vorsitzende begrüßt zwar, dass die EUDR um ein Jahr verschoben worden ist, kritisierte aber die EU, bislang noch nichts daran zum Positiven für die Unternehmen verändert zu haben.
Verwaltung muss umgebaut werden
Auf dem Podium wurde vor etwa 500 Gästen darüber diskutiert, wie ein echter Politikwechsel und der Abbau von Bürokratie gelingen kann. Prof. Wolfgang Schröder, Politikwissenschaftler von der Universität Kassel, sagte angesichts der geplanten milliardenschweren Neuverschuldung der zukünftigen Koalition: „Wir brauchen mehr als Geld und Bürokratieabbau. Wir brauchen eine grundlegende Modernisierung des Verwaltungsapparates.“ Auch für die EU könnte jetzt die Chance einer echten Erneuerung bestehen, denn „die Weiterentwicklung der EU ist immer aus Krisensituationen entstanden“, so Schröder angesichts der weltpolitischen Lage.
Es komme deshalb jetzt darauf an, wie schnell eine neue Bundesregierung handlungsfähig sei. Dabei konnte sich Schröder einen Seitenhieb auf das Vorgehen der CDU/CSU nicht verkneifen. „Es gab noch nie eine Regierung in spe, die so dämlich war wie diese“, sagte er mit Blick auf die anhaltende Kritik der Union an den Grünen, obwohl man diese für eine Mehrheit braucht, um die milliardenschweren Investitionspakete durch den Bundestag zu bekommen.
MKS behindert den wichtigen Export
Der Ausbruch der Maul- und Klauenseuche (MKS) am 10. Januar in einer kleinen Herde von Wasserbüffeln in Brandenburg führte zunächst zu einem Einfuhrstopp einiger Drittländer. Ein herber Schlag für die exportorientierte deutsche Molkereibranche, die etwa 50 Prozent der angelieferten Milch nach der Verarbeitung innerhalb der EU und darüber hinaus vermarktet.
An dieser Stelle gab es auch mal ein Lob von der Industrie an die Politik. Gemeinsam mit dem Bundeslandwirtschaftsministerium sei es gelungen, viele Einfuhrbeschränkungen inzwischen wieder aufzuheben oder abzumildern; zuletzt für den wichtigen chinesischen Markt. Die Behörden hätten zudem schnell reagiert, sodass eine Ausbreitung der MKS verhindert wurde. Dennoch mahnte DBV-Vizepräsident Karsten Schmal zur Vorsicht angesichts eines weiteren MKS-Ausbruchs Anfang März in Ungarn, der nur etwa 350 Kilometer von der deutschen Grenze festgestellt worden ist.
Den Verkauf der Molkerei Uckermärker Milch an die Edeka und damit die weitere Vertikalisierung im Mopro-Bereich sieht der MIV-Vorsitzende Detlef Latka gelassen: „Auch Edeka kann dem Wettbewerb der Molkereien nicht entgehen. Sie werden ihre Erfahrungen mit Bauern und Milchpreisen machen“. Und er erwartet weiter stabil hohe Milchpreise.