Proteine Der Löffel zu mehr Muckis

Der Markt mit Molkereiprodukten schwächelt. Gegen den Trend aber legen proteinreiche Joghurts, Dessert und Quarks zu – einem fitnessorientierten und aktiven Lebensstil sei Dank.

Sonntag, 23. April 2023 - Molkereiprodukte
Dr. Friederike Stahmann
Artikelbild Der Löffel zu mehr Muckis
„Der Kundenstamm für pflanzliche High-Protein-Produkte wächst schnell.“
Patrick Neyret, Category Director Plant based Danone DACH
Bildquelle: Schwarzwaldmilch, Arla, Contact One GmbH, DMK, Peter Eilers, Karwendel, Ehrmann, Käserei Loose

No sports, only whisky.“ Diese Antwort soll angeblich Premierminister Churchill auf die Frage eines Journalisten gegeben haben, was das Geheimnis seines hohen Alters sei. Dieser historischen Aussage schließt sich heutzutage kaum noch jemand an. Ganz im Gegenteil: Eine aktuelle Umfrage zur Häufigkeit an Fitnessstudio-Besuchen zeigt, dass in Deutschland rund 32 Prozent der Männer und etwa 26 Prozent der Frauen zumindest gelegentlich im Studio trainieren. Im Durchschnitt verfügen rund 10 Millionen Bundesbürger über eine Mitgliedschaft bei einem Fitnessclub. Wenn auch nicht wirklich alle ihre Mitgliedschaft aktiv mit Sport an den Geräten verbinden, rangiert der Fitnesssport vor Fußball (7 Mio. Mitglieder) und Turnen (5 Mio.) auf Platz eins.

Deutschland bewegt sich. Kein Wunder, denn, was das Thema Fitness betrifft, hat ein Bewusstseins- und Wertewandel in unserer Gesellschaft stattgefunden. Churchills Aussage gehört der Vergangenheit an. Mittlerweile ist jedermann bekannt, dass regelmäßiges Fitnesstraining – egal welcher Couleur – zahlreiche wirtschaftliche und gesundheitliche Vorteile für jeden Einzelnen mit sich bringt. Der Trend zur sportlichen Betätigung nimmt nach einem coronabedingten Abschwung aktuell wieder zu.

High Protein – gilt wann ?

Für die Angabe „Proteinquelle“ gibt es gesetzliche Regeln. So müssen bei Angaben wie „High Protein“ mindestens 20 Prozent des Energiegehalts im Endprodukt aus Eiweißen bestehen. Beispiel: Ein Pudding enthält 80 Kilokalorien und 10 Gramm Eiweiß. Da in einem Gramm Eiweiß vier Kilokalorien stecken, ergeben sich 40 Kilokalorien aus Eiweiß; somit 50 Prozent des Energiegehalts.

Der gesamte Markt rund um das Thema profitiert davon und erfährt ein starkes Wachstumspotenzial. Vom Laufschuh bis zum Lebensmittel. Ob in Brot, Müsli, Pizza, Energieriegel oder im Milchprodukt hat sich im Zuge der Sensibilisierung für gesunde Lebensweisen ein regelrechter Hype rund ums Eiweiß entwickelt. Zur deutlich wachsenden Warengruppe in diesem Segment gehören hier auch High-Protein-Produkte aus dem Mopro-Regal, die gut in den Zeitgeist der gesunden Ernährung und der gesundheitlichen Vorsorge passen. Aus gutem Grund. Nicole Liedloff, Marketing Director Brand Retail beim DMK, erklärt es: „Süße Produkte wie Fruchtquark oder der oft als ungesund angesehene Fruchtjoghurt haben in den letzten zwei Jahrzehnten massiv verloren – ganze 191.000 Tonnen. Menschen vermeiden Zucker und mischen sich ihre Produkte selbst.“ Naturprodukte konnten dagegen um 209.000 Tonnen wachsen. Bedenkt man, dass hier kein Fruchtanteil enthalten ist, fällt das Konsumplus sogar noch höher aus. „Naturprodukte, die einen Mehrwert oder etwas Besonderes anzubieten haben, kommen beim Verbraucher entsprechend gut an“, resümiert die Managerin.

In Zahlen ausgedrückt heißt das: Im Vergleich zum Vorjahresmonat (2/2022 vs. 2/2023) konnten die Eiweißangereicherten der Weißen Linie ein Mengenwachstum von rund 9 Prozent hinlegen, „sodass sich im Zusammenspiel mit höheren bezahlten Preisen ein deutliches Umsatzplus von 29,4 Prozent zum Vorjahresmonat ergibt“, hat der GfK-Marktexperte Dr. Robert Kecskes analysiert.

Im Gegensatz zum gesamten Milchmarkt dominieren bei den Eiweißreichen Marken und nicht wie sonst die No-Name-Labels. Was sich nicht zuletzt in den Preisen bemerkbar macht. Laut den Marktforschern von Nielsen IQ kostete 2022 das durchschnittliche Produkt der Eiweißreichen der Weißen Linie 3,67 Euro. Dabei liegt zwischen dem Markenprodukt mit 4,21 Euro und der Eigenmarke die stattliche Summe von 1,27 Euro.

Schwarz ist Trumpf
Zu verdanken sind die „guten“ Zahlen des Ab- und Umsatzes nicht zuletzt auch den Lebensmittelhändlern, die die häufig schwarz designten Produkte wertig platzieren. Zu diesem Schluss könnte man jedenfalls kommen, wenn man die Ergebnisse einer Umfrage des Marktforschungsinstitutes Mafowerk aus dem Oktober 2022 interpretiert. Dort gaben über 50 Prozent der Befragten an, dass sie im Geschäft selbst auf die proteinreichen Molkereiprodukte aufmerksam gemacht wurden. Foodblogger und Influencer spielten dagegen mit unter 10 Prozent eine untergeordnete Rolle bei der Akquirierung. Interessant ist auch, dass, wer am Mopro-Regal zu Eiweißreichen greift, vorher noch keine speziellen Protein-Produkte aus der Sporternährungsindustrie verwendet hat. Es sind also echte Neukunden und keine Umsteiger. „Seit aus dem Trend ein Hype geworden ist, entdecken immer mehr ‚Normal‘-Verbraucher Protein für sich“, beschreibt Günter Brandmeier, Geschäftsführer der Käserei Loose, die Entwicklung der einstigen Zielgruppe Leistungssportler, die jetzt um Breitensportler ergänzt wird.

Was High-Protein-Pudding-Käufer am PoS vereint, ist die gemeinsame Leidenschaft für Sport. Und zwar für Alltagssport. Und dafür gibt es keine Altersbeschränkung. In der Folge greift die 24-jährige Medizinstudentin genauso begeistert zum High- Protein-Pudding wie die 53-jährige Managerin eines Globalplayers der Automobilzulieferindustrie. Dem stimmt Susanne Bagaméry, Leiterin Produktmanagement bei der Molkerei Ehrmann und damit auch zuständig für das umfangreiche High-Protein-Segment, zu: „Wenn wir die Altersgruppen betrachten, dann variieren diese von ganz jung bis hin zu älteren Verwendern 60plus, die ebenfalls bewusst genießen wollen, jung geblieben sind und offen für Neues sind.“ High Protein ist also in der Mitte der Gesellschaft angekommen? Nicht ganz. Für pflanzliche High-Protein-Produkte der Weißen Linie gilt nämlich: „Junge, sportlich-bewusste Erwachsene sind etwas stärker vertreten“, kennt Patrick Neyret, Category Director Plant based bei Danone, die Käufer von Alpro-Puddings und -Drinks.

Die Bandbreite an Eiweißreichen im Mopro-Regal lässt inzwischen kein Teilsegment mehr aus. Es reicht von Naturquark, der stärksten Kategorie, über Desserts, Kefir, Fruchtquark, Milchmischgetränke (plus 26,8 Prozent, 2022 vs. 2021, Quelle: Nielsen IQ), pflanzliche Drinks, Naturjoghurt, Fruchtjoghurt, H-Milch, Eiskaffee (mit einem Plus von 50 Prozent der Aufsteiger des Jahres 2022) und Milchreis bis zu Frischmilch. Ein weiteres Produkt, was stark vom Protein-Boom profitiert, ist körniger Frischkäse. „Besonders ist hier, dass neue Nutzer sofort als Heavy User einsteigen und diese auch sehr stark aus jüngeren Altersklassen kommen“, freut sich Nicole Liedloff.

Mit Pudding zur Power
Das Produktbild proteinreicher Milcherzeugnisse hat sich in den letzten Jahren vom klassischen „unspektakulären“ Magerquark zum echten Fitness-Food entwickelt. Auch deshalb, weil es nicht nur um mehr Eiweiß geht. „Für die jüngere, fitnessorientierte Zielgruppe spielen insbesondere ein hoher Proteingehalt, ‚low fat‘ und wenig oder kein Zuckerzusatz eine große Rolle“, zeigt Gernot Döffinger, Leitung Marketing bei Karwendel, die Verquickung mehrerer Trends auf.

Daher verwundert es nicht, dass bei der Allgäuer Molkerei aktuell Quark-Joghurt-Cremes ohne zugesetzten Zucker, mit geringem Fettgehalt, gleichzeitig aber hohem Proteinanteil der Renner im Sortiment sind. Aber auch das Thema Genuss fehlt nicht. So laufen bei Ehrmann der High-Protein-Pudding und Mousse Schoko sowie der Pistacia-Drink besonders gut. Die Geschmacksfavoriten bei den Skyrs von Arla sind nach den Plain-Produkten die Vanille- und Himbeervarianten.

Werbung auf vielen Kanälen
Gepusht wird der Markt durch diverse Marketingaktionen der Hersteller. Neben Trade-Marketing mit Handzetteln, Bundling-Aktionen, Couponing sowie Zweitplatzierung hat Schwarzwaldmilch zu Beginn des Jahres im Endverbraucher-Marketing bereits eine Ambient-Kampagne umgesetzt. „Darüber hinaus bauen wir auf Social Media und Aktivitäten im Sport-Sponsoring – zuletzt beispielsweise im Rahmen des Freiburger Marathons Ende März“, beschreibt Moritz Collmar, Leiter der Presseabteilung der Freiburger Molkerei, den Marketingmix.

Auf die Präsenz bei der weltgrößten Fitnessmesse setzt man unter anderem bei der Käserei Loose. Durch Verkostungen des Sauermilchkäses sollen Neuverwender akquiriert werden. „Die Zielgruppe ist vor allem digital unterwegs, darum pushen wir das Thema im dritten Quartal unter anderem mit Influencerkooperationen“, so Patrick Neyret für Danone. „Wir setzen in diesem Jahr auf digitalen Content, Influencer und eine starke PoS-Präsenz. Auch sind wir mit einer Kampagne im TV vertreten“, zeigt Katharina Eichmüller, wo überall für Arla Skyr geworben wird. Ähnlich sieht auch der Marketingbaukasten von Ehrmann aus.

Aufmerksamkeit ist den Eiweißreichen so gewiss. Wer aber übertreibt, erzeugt Wirbel. Das zeigt ein Beispiel aus Österreich. So geht der „Werbeschmäh des Monats März“ von Foodwatch an die Niederösterreichische Molkerei (NÖM). Der Claim für deren High-Protein-Pudding verspricht neben „mehr Power“ und „mehr Leistung“ auch „mehr innere Kraft“. Für Foodwatch Österreich ist gerade Letzteres ein gewagtes Versprechen. Heidi Porstner, Leiterin der NGO, meint: „Dass man durch den Verzehr von High-Protein-Pudding innere Kraft bekommen soll, dieses Versprechen finden wir absurd.“

Bilder zum Artikel

Bild öffnen „Permissible Indulgence (übersetzt: ‚erlaubter Genuss‘) spielt für Verbraucher eine immer größere Rolle.“
Katharina Colette Eichmüller, Brand Managerin Arla Skyr
Bild öffnen „Der Kundenstamm für pflanzliche High-Protein-Produkte wächst schnell.“
Patrick Neyret, Category Director Plant based Danone DACH
Bild öffnen „Körniger Frischkäse wird seinen Platz in einer modernen, proteinhaltigen Ernährung weiter verankern.“
Nicole Liedloff, Marketing Director Brand Retail DMK
Bild öffnen „Das Potenzial der eiweißreichen und fettarmen Produkte der Weißen Linie ist noch lange nicht ausgeschöpft.“
Gernot Döffinger, Leitung Marketing Karwendel
Bild öffnen „Als Trends im High-Protein-Segment sehe ich Taste-Flanker, die auch ausgefallen und exotisch sind.“
Susanne Bagaméry, Leiterin Produktmanagement Ehrmann
Bild öffnen „Wir haben es uns zur Aufgabe gemacht, über Protein aufzuklären.“
Günter Brandmeier, Geschäftsführer Käserei Loose

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