Friesland Campina Stärker fokussieren

Die internationale Großmolkerei Friesland Campina hat seit September einen neuen Chef für Deutschland, Österreich und die Schweiz. Im Interview spricht Guido Kühne (Foto) über die besonderen Herausforderungen der Molkereibranche – und die Chancen, wenn man sich fokussiert.

Freitag, 28. Januar 2022 - Molkereiprodukte
Wibke Niemeyer und Markus Wörmann
Artikelbild Stärker fokussieren
Bildquelle: Friesland Campina

Herr Kühne, Sie haben angekündigt, vorrangig in Kernmarken zu investieren und gleichzeitig die Kosten zu optimieren. Welche Schritte werden Sie konkret dazu gehen?
Guido Kühne: Wir kommen historisch von einem Markenportfolio von 14 Marken. Wir haben auch immer noch ein großes Portfolio, aber wir haben in den letzten Jahren den Fokus immer stärker auf drei Kernmarken konzentriert. Einmal natürlich unsere größte Einzelmarke Landliebe sowie Chocomel und Valess. Das sind unsere strategischen Wachstumsmarken, in die wir auch die größten Budgets hinsichtlich Entwicklung und Marketing investieren. Die Strategie dahinter ist überproportionales Wachstum bei diesen Kernmarken, und wir sind dafür bereit, Abschmelzungen im Restmarkenportfolio hinzunehmen. Das funktioniert recht gut.

Und die Kosten?
In den letzten zwei Jahren haben wir uns speziell im Produktionsbereich kostenoptimaler aufgestellt. Dazu gehörte auch, gewisse Linien zu reduzieren oder auch ganz einzustellen. Und es ist auch kein Geheimnis, dass wir Mitarbeiter abgebaut haben. Das ist mit dem Jahr 2021 abgeschlossen. Wir sind jetzt deutlich wettbewerbsfähiger.

Welche Chancen haben neue Produkte noch, wenn diese nicht aus den Ranges Landliebe, Chocomel oder Valess hervorgehen?
Ich würde es andersherum formulieren: Unsere Produktentwicklung konzentriert sich sehr stark auf diese Marken. Was passt zu diesen Marken? Wir machen aber auch im Restportfolio weiterhin Produktentwicklungen. Ein Beispiel ist die Marke Frico, Marktführer im Bereich Käsetheke. Auch hier investieren wir weiter in die Marke, aber auf einem anderen Level, als es bei den drei Kernmarken der Fall ist.

Stichwort Kosten: höhere Energie- und Treibstoffpreise, Mehrkosten für Papier, Kunststoffe und Verpackungen. In welchem Umfang trifft das Friesland Campina in der DACH-Region aktuell und perspektivisch?
Uns trifft das wie die gesamte Milchindustrie massiv. Wir haben zwei große Komponenten: Zum einen sind das große Veränderungen im Bereich Rohstoffe und Energie sowie Transport. Zum anderen haben wir auch in den letzten zwölf Monaten den Milchpreis um etwa 22 Prozent gesteigert. Auf den Literpreis sind das über 9 Cent. Das sind Welten. In der Summe haben wir ‧eine solche Kostensteigerung noch nicht erlebt.

Wie gehen Sie damit um?
Solche Kostenveränderungen intern aufzufangen, ist nicht möglich. Das kann niemand, auch Friesland Campina nicht. Wir müssen diese Kosten in den Markt weitergeben.

In welcher Größenordnung müssten die Preise denn steigen, um die Kostensteigerungen aufzufangen? Reden wir über 10, 20 oder 25 Prozent?
Das ist sehr unterschiedlich, weil natürlich auch der Milchanteil in einem Produkt unterschiedlich hoch ist. Bei Käse oder Quark ist er sehr hoch, bei Joghurts eher niedriger. Aber um einmal eine Größenordnung zu nennen: Wir reden beim Gesamtabgabepreis sicher von einer Steigerung im zweistelligen Prozentbereich, die notwendig wäre.

Wie gestalten sich die Gespräche mit dem LEH aktuell dazu?
Wie soll ich es formulieren? Das einfachste Wort ist: schwierig. Dennoch sind wir eigentlich in konstruktiven Gesprächen, und das ist keine Worthülse, denn die Gespräche sind bereits weit fortgeschritten. Wir haben die letzten ein, zwei Jahre das Thema Preisentwicklung in einem Geben und Nehmen beidseitig gestaltet. Das zahlt sich jetzt natürlich für uns aus. Wir sind mit keinem aktuell in einer Konfliktsituation.

Wie sehr spielen in solchen Gesprächen die Forderungen der Politik nach einer höheren Wertschätzung und damit auch nach einem höheren Preis für Lebensmittel eine Rolle?
Wir haben zwar aktuell einen Personenwechsel im Bundeslandwirtschaftsministerium, aber auch wenn sich Name und Bilder austauschen, bleiben die Forderungen seit Jahren dieselben. Es hat relativ wenig ‧gebracht. Dennoch sollte die Wertschätzung in der Bevölkerung speziell auch für Basislebensmittel deutlich erhöht werden.

Wie nehmen Sie die Wertschätzung gegenüber Lebensmitteln in anderen Ländern wahr?
Wie gesagt: Was Endverbraucher- wie auch Abgabepreise an den Handel angeht, haben wir in Deutschland die niedrigsten Preise, auch im Vergleich zu Ländern, die wir vielleicht noch als entwicklungswürdig ansehen, beispielsweise in Osteuropa. Es ist für mich absurd, dass wir dort höhere Preise erzielen als in einem so weit entwickelten Land wie Deutschland. Deutlich höhere Preise finden wir aber auch in unseren direkten Nachbarländern, seien es die Niederlande, Frankreich, Spanien oder Italien.

Mit Landliebe haben Sie bundesweit eine starke Marke im LEH-Regal. Ist noch mehr von der Marke Landliebe zu erwarten?
Zunächst einmal ist Landliebe eine der wenigen nationalen Marken im Mopro-Bereich, die wirklich über alle Segmente im Regal streut, inklusive Käse, Butter und der gesamten Weißen Linie. Und ja, es gibt noch Potenzial für die Marke Landliebe, zum Beispiel bei Bio- und pflanzenbasierten Produkten, die wir noch in diesem Jahr auf den Markt bringen werden.

Gerade bei Landliebe sieht man fast die gesamte Bandbreite an Verpackungen, von Kunststoffen über Verbundverpackungen bis Glas. Welche Entwicklung gibt es hier?
Bereits jetzt ist Landliebe einer der großen Player im Glasbereich, sowohl bei Milch und Kakao als auch bei Joghurt. Zudem verwenden wir ausschließlich Mehrwegglas. Das ist Teil unserer Gesamtstrategie. Ich bin mir sicher, dass der Landliebe-Joghurt im Glas in Zukunft noch breiter distribuiert sein wird – nicht nur weil es eine gesetzliche Regelung in Zukunft geben wird, die jeden Händler verpflichtet, Mehrwegglas zurückzunehmen. Somit eröffnen sich dadurch für uns im Discountbereich mehr Möglichkeiten. Nach unserer Überzeugung werden wir deshalb die nächsten Jahre im Glasbereich überproportional wachsen.

Verschwinden die Kunststoffverpackungen komplett?
Im Bereich Joghurts und Desserts haben wir aktuell noch Kunststoffverpackungen. An dieser Stelle beginnen wir schon durch Reduktion und alternative Kunststoffe den Verbrauch zu verringern. Wir haben darüber hinaus vor, an dieser Stelle einen größeren Schritt zu machen, denn die Zukunft wird nicht in Kunststoffverpackungen liegen. Mehr möchte ich noch nicht dazu sagen, weil es im Detail noch nicht präsentationsfähig ist.

Befürchten Sie bei einer gesetzlichen Verpflichtung zur Rücknahme von Mehrwegglas, dass der Handel die Handlingkosten an Sie ganz oder in Teilen weiterreicht?
In der Tat werden auf einige Händler riesige Investitionen, beispielsweise in Rücknahmeautomaten, zukommen. Und das Thema Handling wird vom Handel bereits anmoderiert. Auf der anderen Seite ist der Konsument aber auch bereit, für Produkte im Glas mehr zu bezahlen. Ich glaube deshalb, dass alle Marktteilnehmer, also Konsument, Händler und Hersteller, vom Benefit der höheren Wertschöpfung und Nachhaltigkeit profitieren.

Bio, Weidemilch oder ohne Gentechnik: Welche Attribute ziehen die meisten Kunden an?
Drei Dinge sind dies: Ohne Gentechnik – hier war Landliebe Vorreiter, und heute ist es eigentlich Standard. Dann der Bio-Bereich, der auch bei Molkereiprodukten im letzten Jahr wieder prozentual zweistellig gewachsen ist. Dieser Trend wird weitere Marktanteile erobern. Und die dritte Sache: Haltungsformen. Wir sehen ja bereits, dass erste Eigenmarken das im Mopro-Bereich umsetzen. Das Ganze wird erstmalig dazu führen, dass es einen einheitlichen Marktstandard geben wird, sowohl für Handel als auch Hersteller. In drei bis fünf Jahren werden die Haltungsformen drei und höher im Mopro-Bereich zum Standardkriterium und andere Labels verdrängen.

Den niederländischen Klassiker Chocomel gibt es seit einiger Zeit auch in einer zuckerfreien Variante. Wie ist die Entwicklung der Marke generell im deutschen Markt und im Speziellen bei der zuckerfreien Variante?
Wer in Nordrhein-Westfalen lebt, wird die Marke schon seit gut zehn Jahren im Regal finden. 2018 haben wir damit begonnen, Chocomel zu einer nationalen Marke aufzubauen. Ende 2021 kann man sagen: Wir haben es geschafft. Chocomel liegt in der gewichteten Betrachtung bei einer Distributionsquote von 75 Prozent im Bereich Retail und Discount. Wir haben parallel die Regalpräsenz ausgebaut. Zunächst gab es nur die Dose und die 1-Liter-Verpackung. Inzwischen gibt es eine zuckerfreie und eine Frischmilch-Variante. Und es gibt erste To-go-Produkte im Kaffeebecher – auch mit Macchiato-Geschmack. Die zuckerfreie Variante hat derzeit einen Anteil von 10 Prozent am Gesamtverkauf, was unseren Erwartungen entspricht.

Und wie verkauft sich Chocomel beispielsweise in Tankstellen und anderen Convenience-Stores?
Wir sind dort mit der Dose vertreten. Aber der Verkaufsanteil von Mopro-Produkten in Tankstellen und Stores ist erstaunlich klein. Dennoch ist der Bereich für den Erstkontakt mit dem Produkt sehr wichtig, speziell hier unsere Dose, die oft auch in der Nähe von Red Bull platziert wird. Und ich würde mir natürlich wünschen, dass jeder Energy-Drink-Kunde auch einmal zu unserem Chocomel greift. Aber so weit sind wir im Moment noch nicht.

Müsste sich dafür in den Tankstellen noch mehr an der Präsentation verändern?
Sicher könnte man auch hier noch etwas optimieren, aber es zeigt sich immer mehr, dass der Impulsbereich im klassischen stationären LEH für die To-go-Produkte im Mopro-Bereich immer wichtiger wird. Hier stehen die erfolgreichen Produkte mit einer guten Drehzahl. Sie liegt dort etwa 20- bis 30-mal höher als in einer Tankstelle. Deshalb kann man sagen: Hier spielt die Musik.

Ihre Valess-Produkte sind weiterhin auf Kuhmilchbasis. Soll das so bleiben oder wird es eine vegane Range, beispielsweise aus Hafer- oder Sojamilch, geben?
Valess wird auf Kuhmilchbasis bleiben. Die Rezepturen sind der USP der Produkte, die dadurch den einzigartigen Geschmack erhalten.

Wie erfolgreich ist Valess aktuell?
Vor zwei Jahren haben wir begonnen, Valess aus dem Nischendasein auf die nationale Bühne zu heben. Inzwischen haben wir die Distribution stark ausgebaut. Die Marke konnte dadurch ihren Marktanteil fast verdoppeln und liegt aktuell laut Nielsen bei 8 Prozent, und das in einem Markt, der im letzten Jahr um 29 Prozent gewachsen ist. In der Summe führt das zu einem enormen Wachstum von Valess über alle Vertriebskanäle.

Den Molkereien wird Mutlosigkeit unterstellt, weil sie, statt innovative Produkte in die Kühlregale zu bringen, eher auf Masse setzen. Was entgegnen Sie den Kritikern?
Man kann zunächst einmal sehen, dass bei Mopro ein anderes Marktumfeld herrscht als im restlichen FMCG-Bereich. Im durchschnittli‧chen Mopro-Regal findet man mehr als 1.000 einzelne Produkte von über 100 verschiedenen Marken, die von über 50 Molkereien stammen. Das findet man in keinem anderen LEH-Regal. Eine Innovation muss aber heute nicht nur eine gewisse Einzigartigkeit haben und aus dem Regal herausstechen, sondern sie verlangt vom Hersteller auch gewisse Investitionen. Dieser Mix ist nicht immer herzustellen und die Flop-Raten im Mopro-Bereich dadurch relativ hoch.

Was tun Sie gegen Flops?
Wir haben intern die Anforderungen an Neuprodukte extrem nach oben geschraubt. Wir wollen uns auf weniger Produkte konzentrieren, die dafür eine gewisse Einzigartigkeit haben und bei denen wir sicherstellen können, dass wir ausreichend Budgets zur Unterstützung haben. Hört sich einfach an, ist es aber nicht immer, denn im Mopro-Bereich sind die Budgets deutlich enger als beispielsweise bei der Kosmetik.

Was bedeutet dies für die angesprochene Konzentration auf die Kernmarken?
Wir wollen mittelfristig bei unseren Kernmarken Landliebe, Chocomel und Valess den Anteil der Innovationen am Gesamtgeschäft auf über 20 Prozent ausbauen. Das ist ein ambitioniertes Ziel, denn die meisten Mopro-Anbieter sind auf einem Level von 10 bis 12 Prozent. Das funktioniert nur, wenn wir unsere Ressourcen von der Produktentwicklung bis zum Marketing auf diese Produkte konzentrieren. Dasselbe gilt auch für unsere Vertriebsbudgets. Dabei reden wir nicht nur über Werbung, sondern auch über Listungsgelder, die im Mopro-Bereich nicht klein sind, sondern ein signifikanter Kostenblock bei Neuprodukten. Wenn man also eine Innovation ins Regal bringen möchte, sollte man sicher sein, dass das Produkt Erfolgspotenzial mitbringt.

Müsste sich der Handel bei Listungsgeldern etwas zurücknehmen?
Ich glaube, dass das Niveau der Listungsgelder im Mopro-Bereich auf Dauer nicht zu halten ist. Wo weniger Eintritt bezahlt wird, sehen wir deutlich mehr Start-ups und kleinere Unternehmen, die den Markt beleben. Im Mopro-Bereich wird der Markt von den großen Playern dominiert. Das ist auf Dauer nicht gut.

Zur Person

Guido Kühne ist seit 1. September 2021 Managing Director für Friesland Campina in Deutschland, Österreich und der Schweiz (DACH). Bereits seit März 2018 war er Geschäftsführer Vertrieb bei Friesland Campina Germany. Guido Kühne kam von Kraft Heinz, wo er ebenfalls das DACH-Geschäft leitete. Davor hatte er mehrere führende Positionen in FMCG-Unternehmen wie Procter and Gamble, Bahlsen sowie Hakle und Vileda inne.

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