Neuer Chef, neue Perspektiven Veltins erzielt Absatzrekord – rechnet aber mit schwierigen Zeiten für die Branche

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Für das vergangene Jahr meldet der neue Veltins-Chef Volker Kuhl einen Absatzrekord. Mit Blick auf die Gesamtbranche sieht er aber harte Zeiten aufkommen.

Donnerstag, 06. Februar 2025, 06:40 Uhr
Tobias Dünnebacke
Veltins-Abfüllung am Standort Meschede: Wachstum auf rückläufigem Markt. Bildquelle: Veltins

Der „Doc“ Volker Kuhl stand lange zumin­dest medial im Schatten seines großen Vorgesetzten Michael Huber. Die 75-jährige Unternehmerikone hatte nach einer Zeit in der Musikbranche (bei der er nach eigener Aussage Jimi Hendrix in persona erlebt hat) mehrere Transportfirmen gegründet und viele Jahre den Beleuchtungshersteller Trilux geleitet. Ganz nebenbei war Huber 29 Jahre Generalbevollmächtigter der sauerländischen Brauerei Veltins und damit neben Inhaberin Susanne Veltins die treibende Kraft hinter einer der größten deutschen Brauereien im Familienbesitz. Seit Anfang 2025 ist damit Schluss, und „der Doc“, wie Huber seinen Marketinggeschäftsführer immer wieder in Anspielung auf seinen akademischen Grad nannte, übernimmt in der Funktion des Sprechers der Geschäftsführung die alleinige Verantwortung.

Der Start hätte für Kuhl schlechter ausgehen können. Der neue Veltins-Boss konnte auf seiner ersten großen Pressekonferenz trotz des 2024 weiterhin rückläufigen Biermarktes einen Wachstumsschub beim Absatz von 3,1 Prozent auf 3,36 Millionen Hektoliter verkünden. Nach Aussage von Kuhl der höchste Ausstoß aller Zeiten für Veltins. Auch der Umsatz legte im Jahr des 200-jährigen Bestehens der Brauerei mit einem Plus von 4,1 Prozent auf 459 Millionen Euro zu. Zum Vergleich: Der Marktführer Krombacher musste kürzlich ein Minus von 1,1 Prozent auf 5,675 Millionen Hektoliter bilanzieren. Verlässliche Zahlen zum gesamten Biermarkt werden vom Statistischen Bundesamt Ende Januar vorgelegt. Bis November verlor der Gesamtmarkt 1,4 Prozent Absatz. Kuhl erwartet für das Gesamtjahr ein Minus von 1 Prozent (83 Millionen Hektoliter) im deutschen Markt.

Gewinner und Verlierer im Portfolio der Veltins-Brauerei

Rainer Emig, Vertriebsdirektor Handel, zog zur Fußball-Euromeisterschaft 2024 ein ernüchterndes Fazit. Trotz großer Kraftan­stren­gungen einiger Brauereien sei es nicht gelungen, das Turnier für Absatzimpulse zu nutzen. „Große Sportevents können die Massen nicht mehr zu einem höheren Bier-Konsum bewegen“, so der Vertriebschef. Auch der Trend hin zu alkoholfreien Alternativen werde nicht helfen, die strukturellen Probleme der Branche zu lösen. „Alkoholfreie Biere sind erfolgreich. Aber wir haben in 20 Jahren im Gesamtmarkt 11 Millionen Hektoliter verloren und nur 3 Millionen Hektoliter durch alkoholfreies Bier gewonnen“, setzt Emig den Trend in Relation.

Preiserhöhung „aktuell“ nicht geplant

Kuhl betont, dass derzeit keine Preisanpassung bei Veltins geplant ist. Diese Aussage gelte für mindestens das erste Halbjahr. Für das laufende Gesamtjahr will Kuhl auch aufgrund sich ständig ändernder Kosten für Rohstoffe ein Drehen an der Preisschraube nicht explizit ausschlie­ßen. Zuletzt waren Produkte der Brauerei Anfang 2024 teurer geworden, was auch die unterschiedlichen Wachstumsraten bei Absatz und Umsatz erklärt. Kuhl machte deutlich, dass er für die durch Inflation stark belasteten Haushalte sein Bier erschwinglich halten möchte.

Bei allen Herausforderungen sind die Sauerländer aber nicht für Trübsal bekannt. Es gebe durchaus Hoffnung für die Branche. Die Brauerei könne im Stammgeschäft mit Veltins, eines der wenigen Pils-Biere, das überhaupt noch Zuwächse verzeichnet, punkten. Hinzu kommen erfolgreiche Neueinführungen wie das Helle Pülleken (20,5 Prozent Absatzplus 2024, Markteintritt 2020). Mit Veltins Helles Lager (Einführung im vergangenen Jahr) will man im wachsenden Segment der internationalen Biere mitmischen.

„Große Sportevents können die ­Massen nicht mehr zu einem höheren Bier-Konsum bewegen.“
Rainer Emig, Veltins

Mit Blick auf die gesamtwirtschaftliche Situation im Land nennt Volker Kuhl den hohen Beschäf­tigungsgrad und die Lohnzuwächse in den meisten Branchen als Gründe für Hoffnung auf Besserung. Auch könne eine neue Regierung politische Stabilität und Verlässlichkeit für Unternehmen zurückbringen. Für den Biermarkt bleibe es außerdem wahr, dass die Konsumenten in der Regel nicht auf Handels- oder Preisein­stiegsmarken zurückgreifen, auch wenn das Geld etwas knapper wird. „Trotz dieser Lichtblicke glaube ich, dass es zwischen der Marktmacht des Handels auf der einen Seite und den hohen Beschaffungskosten und Investitionsstau auf der anderen zu Konsolidierungen in der Braubranche kommen wird“, prophezeit der neue Veltins-Chef.

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