Nach dem Hype Sodastream gegen Handelsmarken – warum der Marktführer auf Premium setzt

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Die Goldgräberstimmung im Wassersprudler-Segment ist vorbei. Nach dem Corona-Boom gewinnen günstige Eigenmarken an Bedeutung. Der Marktführer will sich mit einem Premium-Image abgrenzen.

Dienstag, 12. November 2024, 07:00 Uhr
Tobias Dünnebacke
Wassersprudler: Dirk Glassner von Sodastream
Mit Premium-Image gegen die Handelsmarken: Dirk Glassner von Sodastream. Bildquelle: Sodastream

Kein mühsames Schleppen schwerer Glasflaschen, sondern frisches Sprudelwasser jederzeit, kostengünstig und ökologisch vorteilhaft direkt aus der eigenen Küche. Dies sind die Versprechen der Hersteller von Wassersprudlern, die bei den Konsumenten offenbar verfangen. „Die Kategorie hat sich seit Anfang der 2010er-Jahre stetig und konsequent weiterentwickelt“, sagt Dirk Glassner, seit Anfang des Jahres Deutschlandchef bei Sodastream. Während der Corona-Pandemie entstand ein regel­rechter Hype um das Segment. Angesichts von Lockdowns und Homeoffice verbrachten viele Verbraucher mehr Zeit zu Hause und suchten nach praktischen Lösungen. „Corona führte zu einem enormen Anstieg der Marktdurchdringung, der das bisherige solide Wachstum fast überrollte“, sagt Glassner im Gespräch mit der LP. Doch der Hype ist in diesem Ausmaß ­vorüber. Laut GfK verliert das Sprudlersegment aktuell an Käuferreichweite im Vergleich zum Vorjahr (15,6 Prozent zum Halbjahr 2023 gegenüber 14,7 Prozent zum Halbjahr 2024). „Wir vernehmen im Markt, dass die Kategorie der ­Wassersprudler seit geraumer Zeit kein großes Wachstum mehr verzeichnet beziehungsweise stagniert“, erklärt auch der Verband Deutscher Mineralbrunnen auf Anfrage. Die Autoren einer aktuellen Wasserstudie von Nielsen konstatieren zudem, dass die Frequenz der Nutzung des ­Wassersprudlers kontinuierlich abnimmt. Insbesondere die tägliche Nutzung verliere an Bedeutung und liege sogar unter dem Vor-Corona-Niveau.

Der Marktführer in Deutschland ist das israelische Unternehmen Sodastream, das seit 2018 zum internationalen Konsumgütergiganten Pepsico gehört. Die Nummer eins im Segment hat laut Marktforschern einen Marktanteil von rund 80 Prozent, sieht sich aber mit einer immer stärker werdenden Konkurrenz günstiger Handelsmarken konfrontiert.

Konsumenten neigen zum Preiseinstieg

Die Handelsketten mischen seit einiger Zeit mit eigenen Geräten und sogenannten Universalzylindern auf dem Markt mit. Diese CO2-Kartuschen von Aldi, Lidl, Kaufland, dm, Rewe oder Edeka sind mit den gängigen Markensystemen kompatibel und bieten einen attraktiven Preisvorteil. So kostet ein Zylinder der Eigenmarke Ivorell bei dm derzeit 19,55 Euro, während die neuesten Sodastream-Kartuschen mit 28,75 Euro zu Buche schlagen – in einem Umfeld, das von Inflation und Konsumzurückhaltung geprägt ist, ein erheblicher Preisunterschied. Auch beim Tausch von leeren gegen volle Kartuschen schlägt die dm-Eigenmarke preislich den Marktführer (5,55 Euro gegenüber 6,95 Euro).

40

Millionen CO2-Zylinder wurden bei einem Umsatz von rund 272 Millionen Euro im Jahr 2023 laut GfK verkauft.

7

Prozent Promotion-Anteil bei Sprudlerpatronen gibt die GfK für 2023 an. Damit liegt das Segment deutlich unter dem Schnitt aller Konsumgüter von 22,6 Prozent 2023.

14,7

Prozent Käuferreichweite erreichte das Sprudler­segment im ersten Halbjahr 2024: laut GfK ein Rückgang von 1 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum.

 

Alexander Schwarz, GfK-Experte, beobachtet derzeit eine klare Tendenz zu solchen Handelsmarken: „In den letzten Jahren hat sich der Markt für klassische Zylinder stark in Richtung der Eigenmarken bewegt, was auf die Einführung neuer Produkte zurückzuführen ist.“ Diese Entwicklung zeige auch, dass Verbraucher zunehmend darauf achten, ihre Ausgaben zu optimieren.

Wie stark die Händler dem Platzhirsch Sodastream tatsächlich in den vergangenen Jahren zugesetzt haben, möchte Dirk Glassner nicht beziffern. Seit der Übernahme durch Pepsico agiert das Unternehmen bei der Veröffentlichung von Kennzahlen äußerst zurückhaltend. Insgesamt klingen die Prognosen aber für dieses Jahr optimistisch. Bestandsüberhänge bei den Geräten, die sich nach den Boomjahren aufgebaut haben, würden langsam abgebaut, was man bei Sodastream als positive Entwicklung interpretiert. In der ersten Jahreshälfte 2024 sei die Zahl der verkauften Geräte zweistellig gewachsen, erklärt Glassner, ohne absolute Zahlen zu nennen. Angetrieben wird dieses Wachstum vor allem durch Online-Kanäle und nicht auf der stationären Fläche bei Edeka, Rewe und Co. „Einige Unternehmen im Lebensmitteleinzelhandel haben sich noch nicht entschieden, wieder voll in diese Kategorie einzusteigen und entsprechende Aktionen zu starten. Deshalb fehlen dort einfach die Anreize“, sagt Glassner.

Auch der Verkauf von CO2-Zylindern hat sich laut Sodastream jüngst stabilisiert. Sorge wegen der günstigeren Handelsmarken hat Glassner nicht. „Bei Gasgrills tauscht man die Gasflasche auch immer dann, wenn sie leer ist. In solchen Momenten spielt die Verfügbarkeit oft eine größere Rolle als der Preis“, so der Sodastream-Geschäftsführer. Verbraucher achten demnach kaum darauf, ob die Füllung nun 6, 7 oder 8 Euro kostet.

Praktisch – und nicht kompatibel

Dennoch setzt das Unternehmen auf Abgrenzung gegenüber den preisaggressiven Eigenmarken. Das sogenannte Duo-System des Herstellers ist darauf ausgelegt, sowohl Glas- als auch Kunststoffflaschen zu füllen. Außerdem verkauft Sodastream Wassersprudler mit dem sogenannten Quick-Connect-System, das dafür sorgt, dass die Kartuschen nicht mehr eingeschraubt werden müssen, sondern einfach einrasten. Der Vorteil für den Hersteller: Das System ist nicht kompatibel mit den Nachahmer-Zylindern der Wettbewerber. Im Sommer war bekannt geworden, dass Sodastream eine Listung solcher Kartuschen beim Discounter Aldi erreichen konnte. „So konnten wir eine wichtige Distributionslücke schließen“, sagt Glassner. Die ­Heranführung der Verbraucher an das hochwertigere Duo-System gehört zur Wachstumsstrategie. Viele Kunden, die mit einer günstigeren Maschine eingestiegen seien, sind laut Sodastream nun daran interessiert, auf ein Modell mit Glasflaschen umzusteigen. Auch neue Sirup-Varianten bewirbt das Unternehmen derzeit unter dem Claim „Mix it real good“ massiv: Auch mit Unterstützung von Social-Media-Influencern will Sodastream im Zeitraum von Juni bis Dezember weit über 200 Millionen Werbekontakte und Ad Impressions erreichen. Neu sind die Sorten Maracuja und Holunderblüte. Auch im Zubehör sieht Glassner Chancen. Derzeit wird die Edelstahlflasche „Fizz&Go“ für den Unterwegsgebrauch online beworben. Eine Markteinführung im Lebensmitteleinzelhandel sei für 2025 angepeilt.

Werbung mit dem Öko-Versprechen

Neben der Bequemlichkeit und einem Kostenvorteil gegenüber dem Kauf von Mineralwasser und Softdrinks steht der ökologische Aspekt im Zentrum der PR-Strategie von Sodastream. Weltweit hätten die Konsumenten 2022 durch die Nutzung von Sodastream-Wassersprudlern den Abfall von 5 Milliarden Einweg-Plastikflaschen (0,5 Liter) eingespart, erklärt das Unternehmen. Die Kohlensäureflaschen für den Sprudler sollen zu 100 Prozent recycelbar sein (abgesehen von Verschluss und Banderole). Seit 2023 werden die Betriebsstätten von Sodastream nach Aussage des Unternehmens in Deutschland, Australien und den Niederlanden zudem vollständig mit erneuerbaren Energien betrieben.

 

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