Fruchtsaft Kurzfristig kein Ende der Saft-Krise

Paul Mohr (Foto), Managing Director von Inverto (Tochter der Boston Consulting Group) und Experte für Konsumgüter und Lebensmittel, erläutert Details zur  Preisexplosion bei Orangensaft.

Mittwoch, 05. Juni 2024, 11:49 Uhr
Tobias Dünnebacke
Artikelbild Kurzfristig kein Ende der Saft-Krise
Bildquelle: Inverto

Die gestiegenen Preise für Orangensaft sind ein Resultat aus einer Kombination aus Angebotsverknappungen durch klimatische und krankheitsbedingte Einflüsse sowie erhöhten Produktions- und Transportkosten. Die Unternehmensberatung Inverto, Spezialist für den Einkauf und Lieferketten, unterstützt in dieser  angespannten Situation die Hersteller. Managing Director Paul Mohr kennt die Situation auf den internationalen Märkten sehr genau: „Da in den USA, hier speziell in Florida, die Erntemengen durch die Gelbe Drachenkrankheit um mehr als drei Viertel gesunken sind, importieren auch die USA aus Brasilien und sind für  brasilianische Produzenten attraktive Handelspartner geworden“, so der Experte. Auch in Europa seien Erntemengen gesunken. Speziell in Spanien wurden aufgrund der Trockenheit knapp 25 Prozent weniger produziert. Spanien ist der größte Zitrusproduzent in der EU und der sechstgrößte in der Welt.

Der Handlungsrahmen, in dem Hersteller reagieren können, sei aktuell begrenzt. „Die Möglichkeiten sind limitiert, da Orangensaft zu 100 Prozent aus Konzentrat oder Direktsaft besteht. Insofern bleibt neben einer Anpassung des Produktportfolios, beispielsweise durch einen stärkeren Fokus auf Saftgetränke wie ‚Nektar‘, der aus Konzentrat, Wasser und Zucker besteht, nur die Option, günstigere Rohware in niedrigerer Qualität zu verwenden, sofern diese Hersteller / Fruchtsaft am Markt verfügbar ist“, so Mohr gegenüber der Lebensmittel Praxis.

Ein prominentes Beispiel ist Granini Trinkgenuss Orange des Herstellers Eckes-Granini. Das Produkt ist heute kein Fruchtsaft mehr, sondern ein Nektar und enthält statt 100 Prozent Orangensaft nur noch 50 Prozent. Verbraucherschützer monieren eine intransparente Kommunikation gegenüber den Kunden. Der  Hersteller selbst verteidigt sein Vorgehen: Nur so könne der Preis angesichts der aktuellen Lage stabil gehalten werden.

Klare Kommunikation

Auch Wettbewerber Valensina setzt zunehmend auf Produkte mit geringerem Fruchtsaftanteil. Dazu zählen Eistees und „Saftlimos“, die sich durch einen Fruchtgehalt von 10 bis 20 Prozent auszeichnen sollen. Mohr versteht solche Schritte, rät aber unbedingt zur Transparenz. „Um den Preisanstieg in Grenzen zu halten, können Hersteller den Orangensaft verdünnen oder ihn in Mischsäften durch andere Saftsorten ersetzen. Das müssen die Hersteller allerdings transparent kommunizieren, und dafür gibt es klare Deklarationspflichten“, so der Berater. Die meisten Kunden würden die Preisentwicklung auf den Weltmärkten gar nicht kennen. Hersteller und Händler sollten die Situation erläutern und transparent machen, warum sie darauf mit Preiserhöhung oder Qualitätsveränderung reagieren müssen, dann entstehe der Eindruck der Täuschung gar nicht erst. Der Verbraucher hat am Ende die Wahl: Wer will und es sich leisten kann, gibt mehr aus für den reinen Orangensaft. Wer das nicht kann oder will, kann beispielsweise auf die günstigeren Nektare zurückgreifen.

Bereits heute gibt es erste Anzeichen dafür, dass die Verbraucher ihr Einkaufsverhalten angesichts der hohen Preise anpassen. „Aufgrund der Preissteigerungen konsumieren die Verbraucher in Deutschland insgesamt weniger Fruchtsaft, nicht nur Orangensaft“, so Mohr. Wurden im Jahr 2021 noch 1,65 Milliarden Liter in Deutschland konsumiert, liegt die Prognose für 2024 nur noch bei 1,53 Milliarden Liter, was einem Rückgang um fast 8 Prozent entspricht. (Statista Market Insights). Deutschland zählt traditionell zu den Ländern mit vergleichsweise hohem Saftkonsum pro Kopf. Der Pro-Kopf-Verbrauch von Orangensaft in Deutschland lag laut Fruchtsaftverband im Jahr 2023 bei 6,8 Litern.

 
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„Die meisten Kunden kennen die Preisentwicklung auf den Weltmärkten gar nicht.“

Paul Mohr, Managing Director von Inverto

 

Keine kurzfristige Abhilfe

Lösungen für Hersteller sind in Sicht, können aber nur mittelfristig helfen. „Mexiko ist der zweitgrößte Exporteur, liefert aber  traditionell überwiegend in die USA. Es wäre durchaus möglich, alternative Lieferquellen zu erschließen, es erfordert jedoch ausreichend Zeit, um eine effiziente Produktion und Lieferkette in signifikanter Größenordnung aufzubauen“, weiß Managing Director Mohr. Zudem sei Innovation im Agrarsektor unerlässlich. Es bedarf beispielsweise neuer, resistenterer Sorten, veränder ter Anbauformen, neuer Anbaugebiete und wirksamer Mittel gegen durch Schädlinge verursachte Krankheiten wie die Drachenkrankheit.

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