Kaffee hat seit 1960 in Deutschland keine nennenswerte Verbraucherpreissteigerung erlebt. Dabei bemühen sich nahezu alle deutschen Kaffeeröster, über Spezialitätenkaffees und das Bewusstsein für bessere Qualitäten, zu denen Nachhaltig- keit als wichtiges Asset zählt, eine andere Preisbereitschaft zu erzeugen. „Und das lief ja lange Zeit auch gut“, findet Stefan Dierks, Director Sustainability Strategy bei der Melitta Group. Der Markt für Spezialitätenkaffees sowie die Kategorie Ganze Bohne sei in Deutschland und auch international stark gewachsen.
Armin Geiger, Leiter Vertrieb Deutschland bei Dallmayr Kaffee, bestätigt das: „Wir sehen seit Jahren, dass Ganze Bohne wächst. Selbst in den kritischen Phasen im letzten Jahr war die Kategorie dynamisch.“ Coronapandemie, Krieg in der Ukraine und die hohe Inflation haben für eine „Delle“ gesorgt, so Dierks. Eine Erholung sei aber durchaus vorstellbar.
Befragungen sprechen dafür: 41 Prozent der Verbraucher sind bereit, mehr für ein nachhaltiges Lebensmittel zu bezahlen. So das Ergebnis einer Retail-Studie der Unterneh-mensberatung Simon-Kucher. Befragt wurden 614 Konsumenten im August 2023. Fast alle großen Röster bieten bereits ein nachhaltiges Kaffeeangebot an: Lavazzas grüne Linie heißt Tierra. Dallmayr vertreibt unter Gran Verde Bio- und Fairtrade-zertifizierten Kaffee. J. J. Darboven platziert unter anderem mit Café Intención eine Fairtrade-Marke im deutschen LEH.
Engagement vor Ort zählt
Fest steht jedoch auch: Die Kaffeebranche kann nicht mehr auf den Verbraucher warten. Die Auswirkun-gen des Klimawandels auf die Branche sind beträchtlich. Bis 2050 werden viele Anbauflächen nicht mehr für den Kaffeeanbau geeignet sein. Aktuell stammt der Großteil des weltweit gehandelten Kaffees aus Brasilien, Vietnam, Kolumbien, Indonesien und Äthiopien, dicht gefolgt von Honduras, Indien, Uganda, Mexiko und Peru. Aufgrund der steigenden Temperaturen dürfte sich die Produktion von den tropischen Gebieten des sogenannten Kaffeegürtels in nördlichere Gebiete verlagern.
Die Unternehmen fahren deshalb immer häufiger zweigleisig. Zum einen versuchen die Kaffeehändler, den Verbraucher weiter sukzessive für Qualitäten zu sensibilisieren. Zum anderen müssen sie vor Ort die Bedingungen für den Kaffeeanbau verbessern. „Die Verbesserung vor Ort ist für Melitta aktuell der wichtigere Punkt“, sagt Stefan Dierks. Das sei ein Learning der jüngsten Zeit.
Das Unternehmen setzt sich für eine sektorübergreifende Zusammenarbeit ein. „Immer mehr Akteure erkennen, dass es diese vorwettbewerbliche Zusammenarbeit braucht, um die notwendige Tiefe, Breite und Geschwindigkeit zu erzielen“, sagt Dierks. Konkret denke Melitta über sogenannte regenerative Anbauregionen nach. „Die Agrarwirtschaft ist ein wichtiger Punkt, aber auch das Umfeld muss stimmen“, erklärt Dierks den Ansatz. Ein entsprechendes Pilotprojekt in Brasilien werde gerade konzipiert. „Wir haben Einladungen an andere Unternehmen – auch Röster – ausgesprochen, sich an diesem Projekt zu beteiligen“, so Dierks. Dabei gehe es nicht darum, einen eigenen Standard aufzubauen. „Zum Beispiel 4C Services, Fairtrade und Rainforest Alliance verfügen über Wissen, das für den Aufbau einer regenerativen Region sehr sinnvoll sein kann“, so Dierks. Deshalb wolle man gerne mit den bestehenden Standards zusammenarbeiten.
Eine Verschiebung der Kaffeeanbauregionen sei jedoch auch durch dieses Engagement voraussichtlich nicht zu verhindern. „Es wird Regionen geben, wo eine Aufrechterhaltung des Kaffeeanbaus nicht sinnvoll sein wird“, glaubt Dierks. Dennoch haben andere Länder und Regionen eine positivere Prognose.
Nachhaltigkeit lohnt finanziell
Dass sich nachhaltiger Anbau für die Farmen finanziell lohnen kann, zeigt ein Projekt der Melitta Group in Zusammenarbeit mit der Hans R. Neumann Stiftung. Farmgemeinschaften verarbeiteten organische Abfälle, die im Rahmen der Kaffeeproduktion entstehen, zu Dünger.
Der Ernteertrag der Farmen, die am Projekt teilgenommen haben, hat sich um bis zu 15 Prozent verbessert. Es wurde 30 Prozent weniger Kunstdünger benötigt. Das verbesserte die Rentabilität des Kaffeeanbaus um gut 20 Prozent. Melitta versucht nun, Start-ups für die Düngerproduktion aus Abfällen entlang der Kaffeekette zu initiieren.