Gerolsteiner Brunnen Eine Panne beim Kreislauf

Der Gerolsteiner Brunnen lud zum parlamentarischen Abend nach Berlin, um seiner Forderung nach einem Erstzugriffsrecht für recyceltes Plastik Nachdruck zu verleihen.

Sonntag, 07. Mai 2023 - Getränke
Tobias Dünnebacke und Petra Klein
Artikelbild  Eine Panne beim Kreislauf
Bildquelle: Gerolsteiner

Geschlossener Kreislauf gern – nur wie? Das fragen sich derzeit viele Getränkehersteller in Bezug auf ihre Einwegflaschen. Die EU-Verordnung über Verpackungen und Verpackungsabfälle (PPWR) schreibt in Zukunft gestaffelt über mehrere Jahre verbindliche Quoten von recyceltem Material in Einweg-Plastikgebinden vor. Ab 2040 soll der Rezyklatanteil bei PET schon bei 65 Prozent liegen.

Ein löblicher Ansatz, um Rohstoffe einzusparen und auch das Einweg-System in der Getränkewirtschaft nachhaltiger zu gestalten. Der Teufel steckt nur wie so häufig im Detail: Es ist überhaupt nicht genug recyceltes PET (rPET) am Markt verfügbar oder wenn, dann steigen die Kosten in einem Rahmen, der für viele Abfüller nicht mehr darstellbar ist.

Derzeit werden über 55 Prozent der deutschen recycelten PET-Flaschen in anderen Produkten verwendet und können aufgrund der veränderten Materialeigenschaften nicht zurückgewonnen und zu neuen Getränkeflaschen recycelt werden, heißt es in einem Positionspapier des größten deutschen Marken-Mineral-brunnens Gerolsteiner. „Dies verstößt gegen den Grundsatz der Kreislaufwirtschaft und gefährdet die Fähigkeit von Getränkeherstellern, auf das notwendige Material in Lebensmittelqualität zuzugreifen und die verbindlichen EU-Rezyklatziele zu erreichen“, heißt es dort weiterhin. Notwendig sei ein „rPET-Vorkaufsrecht“ für die Getränkeindustrie.

Um diesen Forderungen mehr Nachdruck zu verleihen, lud Gerolsteiner-Chef Roel Annega zu einem parlamentarischen Abend, um mit Experten aus Wissenschaft und Politik über diese Frage zu diskutieren. „Es ist keine Wettbewerbsverzerrung, wenn wir sagen, wir wollen unser Material zurück. Wenn ich Wertstoffe für Autoreifen aus dem Kreislauf heraushole, habe ich zwar Reifen, aber eine Panne für den Kreislauf“, erklärte der Gerolsteiner-Chef in Berlin. Ulrich Rust, Geschäftsführer Technik und Logistik Gerolsteiner Brunnen, erklärte in der Diskussionsrunde: „Die Preise für rPET gehen durch die Decke, der Kreislauf ist durchbrochen, und die Nachhaltigkeit liegt brach. Das kann es nicht sein.“ Benedikt Kauertz, Fachbereichsleiter Industrie und Politik, IFEU, Heidelberg, ein Spezialist für Ökobilanzen, betonte, dass die Recyclingfähigkeit der Sekundäranwendung über die Sinnhaftigkeit entscheide: „Am sinnvollsten ist ein zu 100 Prozent recyclingfähiger Kreislauf.“

Ein Recycling durch den Kleiderschrank sei die schlechteste aller Varianten, so Kauertz mit Blick auf rPET als Bestandteil in der Textilindustrie, beispielsweise in T-Shirts. Er betonte, dass sich die Kreisläufe insgesamt optimieren müssten. Er stimmte mit der Runde überein, dass eine Art Erziehungssystem nötig sei.
In der Diskussion wurde deutlich, dass die Politik noch in der Meinungsbildung ist. Fabian Gramling von der Unionsfraktion unterstrich, dass es gelte, die Branchen zu schützen, die „ihre Hausaufgaben gemacht haben“. Jan-Niclas Gesenhues, Parlamentarier der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, brachte eine Lenkungsabgabe ins Spiel. Damit könne verhindert werden, dass sich jemand Wettbewerbsvorteile auf Kosten der Umwelt verschaffe. Judith Skudelny, FDP-Fraktion, betonte, sie sehe das Problem, habe aber noch keine abgeschlossene Meinung. Dass eine Lösung nur von der Politik kommen kann, unterstrich der Technik-Chef von Gerolsteiner aber deutlich. „Wir können und wollen nicht weiter der Rohstoffproduzent für Textilien und Reifen sein. Wir benötigen daher einen gesicherten Zugriff auf das Material, das wir in den Kreislauf gebracht haben“, so Ulrich Rust.

Gerolsteiner musste zurückrudern
Wie akut die angespannte Rohstofflage ist, kann Gerolsteiner selbst belegen. Im Frühjahr 2022 konnten PET-Einwegflaschen mit einem Rezyklatanteil von 75 Prozent auf den Markt gebracht werden. Aufgrund der geringen Verfügbarkeit und der hohen Preise von rPET sei man aber seit dem Jahreswechsel gezwungen, das ambitionierte Ziel eines Rezyklatanteils von 30 Prozent wieder herabzusetzen. „Auch wenn dies den EU-Vorgaben für 2030 immer noch entspricht, bedauern wir, für den Moment, hinter unsere eigenen Ansprüche zurücktreten zu müssen“, heißt es. „Die Politik hat alle Möglichkeiten, hier einzuwirken, wird dieser Aufgabe aber bislang nicht ausreichend gerecht“, so Gerolsteiner-Chef Annega.

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