Oettinger „Wollen uns nicht verstecken“

Oettinger kommt nicht zur Ruhe. Nach dem Verkauf eines Betriebes in Gotha folgt ein Wechsel an der Spitze. Warum schwarzmalen nicht angesagt ist, erklärt Vertriebschef Peter Böck.

Dienstag, 31. Januar 2023 - Getränke
Tobias Dünnebacke
Artikelbild „Wollen uns nicht verstecken“
Bildquelle: Oettinger

Die Oettinger-Brauerei hat bewegende Zeiten hinter und wahrscheinlich auch noch vor sich. Dem plötzlichen Tod des Gesellschafters Dirk Kollmar 2014 folgte ein jahrelanger Streit um Firmenanteile unter den Eigentümerfamilien. 2019 dann die Einigung: Gesellschafterin Pia Kollmar (Schwester des verstorbenen Top-Managers) sicherte sich alle Anteile und sollte fortan auch operativ als Geschäftsführerin Finanzen, Controlling, Personal, IT und Logistik das Zepter in die Hand nehmen.
Doch auch wenn intern die größten Probleme gelöst waren, blieb der herausfordernde Bier-Markt in Deutschland. In seinem pessimistischsten Szenario sieht beispielsweise der Berater Harald Münzberg, der für viele Schwergewichte in der Brauindustrie gearbeitet hat, bis 2029 einen kumulierten Absatzrückgang von mehr als 115 Millionen Hektolitern auf die Industrie zukommen. „Die Konsolidierung wird voranschreiten sowie Verdrängung und Sortenvielfalt die Branche prägen“, so der Berater. Mit Corona haben solche Szenarien an Dynamik gewonnen und auch Oettinger belastet. Mit der Pandemie kam der Wegfall wichtiger Absätze in der Gastronomie und im Export. Pia Kollmar zog 2022 die Reißleine mit der Veräußerung des Standortes in Gotha. „Indem wir die Mehrwegkapazität verringern, passen wir uns nun fast schon überfällig den Marktgegebenheiten an“, so die Brau-Chefin, und sie erwähnte natürlich, dass sich die Kapazitäten bei der politisch in Verruf geratenen Dose nicht erhöhen würden und man der Mehrwegflasche treu bleibe.

Als seien diese Herausforderungen für eine Brauerei nicht genug, folgten auf Corona Krieg, massive Kostensteigerungen und eine lange nicht mehr dagewesene Inflationsrate. Seit einigen Wochen ist nun bekannt, dass Pia Kollmar den Vorsitz des Beirats von Oettinger übernimmt und die operative Leitung der Brauerei in die Hände von Gino Biondi übergibt. Der Mann ist in der deutschen Getränkebranche bisher ein unbeschriebenes Blatt. Der Italiener ist diplomierter Maschinenbauer und hat als Manager beispielsweise in der Firmenleitung von John Deere und Deutz gewirkt. „Mein neuer Kollege ist international erfahren, und wir sind uns sicher, dass er strategische Themenschwerpunkte mit Geschick und Weitblick ausgestalten und unsere Umstrukturierung – beispielsweise effizientere Anlagenauslastung und fortlaufende Kostenoptimierung – mit mir gemeinsam zügig umsetzen wird“, erklärt der Vertriebs- und Marketing-Chef von Oettinger, Peter Böck, gegenüber der Lebensmittel Praxis.

Neben der Zentrale in der schwäbischen Kleinstadt Oettingen in Bayern wird auch in Mönchengladbach und Braunschweig Bier gebraut. Zu den wichtigsten Sorten der Stammmarke gehören Pils und Export. Die Marke 0,5, ursprünglich ein Preiseinstiegsprodukt von Carlsberg, ging 2009 mit der Übernahme der Feldschlößchen-Brauerei ebenfalls an Oettinger. Der Name Oettinger steht wie kaum ein anderer für Kosteneffizienz und in der Aktion unschlagbare Kistenpreise von um die 5 Euro. Möglich machen dies ein weitgehender Verzicht auf Werbung, eine günstige Produktion sowie die eigene, den Handel beliefernde Logistik.

Oettinger verliert Alleinstellungsmerkmal
Diese steht jetzt teilweise zur Disposition. Steigende Kraftstoffpreise, sinkende Transportkapazitäten und Fahrermangel machen der gesamten Logistikbranche zu schaffen. „Wir werden uns aus der Streckenbelieferung mit eigenen Lkw in den Postleitzahlengebieten 0, 1 und 2 verabschieden“, erklärt Peter Böck. Die Marke Oettinger soll aber im Norden und Osten Deutschlands verfügbar sein. „Es gibt Interessenten aus dem Handel, die bereit sind, bis nach Oettingen zu fahren, um die Produkte abzuholen und in ihren Vertriebsgebieten zu distribuieren. Es wird sich zeigen, ob es künftig Zentrallagervereinbarungen geben wird oder sich Lösungen über den Großhandel finden“, so der Vertriebschef.

Inflation und Kostensteigerungen treffen ein Unternehmen wie Oettinger, das von seiner Natur aus stark auf Kante genäht ist, stärker als Wettbewerber mit sogenannten Premium-Marken im Portfolio. Auf der anderen Seite könnte die Marke gerade in Zeiten knapper Geldbeutel einen Wachstumsschub erleben. „Wann, wenn nicht jetzt, gilt es für die Verbraucher zu sparen, wo es geht?“, stellt Vertriebsgeschäftsführer Peter Böck die rhetorische Frage. Die Dosenmarke 0,5 Original wachse zweistellig, während sich Oettinger, die mit großem Abstand reichweitenstärkste Preiseinstiegsmarke, immerhin stabil halte.

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