Diese Untersuchung des Öko-Instituts im Auftrag des NABU (Naturschutzbund Deutschland) sorgt für Gesprächsstoff. In dem kürzlich veröffentlichten Papier wird eine Steuer auf Getränkeverpackungen als Instrument für eine Stärkung des Mehrwegsystems vorgeschlagen. Im Entwurf der Umweltschützer spiegelt die Höhe der angestrebten Steuer einer Getränkeverpackung deren jeweilige Klimabelastung in der Herstellung wider. So würde zum Beispiel die Belastung für eine 1-Liter-Flasche für Erfrischungsgetränke bei der Kunststoff-Einwegflasche 0,62 Euro betragen, bei der Kunststoff-Mehrwegflasche, die 20-mal neu befüllt wird, nur 0,06 Euro pro Nutzung (siehe Grafik). Bei einem hohen Einsatz von Recycling-Kunststoff (mindestens 75 Prozent) reduzieren sich die Steuerbeträge jeweils um circa 65 Prozent. Ziel sei nicht, möglichst hohe Steuern einzunehmen, sondern Angebot und Nachfrage von Mehrweg zu vergrößern. Zudem würde der Einsatz von Recyclingmaterial gefördert. „Die Bundesregierung darf die Mehrwegquote im Verpackungsgesetz nicht weiter ignorieren. Die Strategie, die Quotenerfüllung nur dem Markt zu überlassen, ist gescheitert. Wir brauchen eine Umweltsteuer auf Getränkeverpackungen, mit der sich unterschiedliche Klimabelastungen auch in unterschiedlichen Preisen niederschlagen“, fordert NABU-Bundesgeschäftsführer Leif Miller.
Die Vorschläge sorgten unmittelbar für Kritik aus verschiedenen Reihen. So erklärte Günther Guder, Vorstand beim Verband Pro Mehrweg, dass man nach wie vor eine sogenannte Lenkungsabgabe präferiere, um sicherzugehen, dass die eingenommenen Mittel nicht im Haushalt versacken, sondern gezielt für die Förderung von Mehrwegsystemen genutzt werden könnten. „Das beste Beispiel für eine Steuer, die im Haushalt versackt, ist die Sektsteuer, die unter Kaiser Wilhelm die Kriegsmarine finanzieren sollte. Diese Steuer haben wir bis heute“, so Guder. Man brauche die Mittel aber, um die Kreislaufwirtschaft bei Getränken zu stärken. „Da gibt es so viele Baustellen. Auch die Winzer fangen an zu diskutieren, ob sie weiter eine Enklave bilden oder möglicherweise an einem Pool-System für ihre Flaschen mitarbeiten wollen“, so Guder im Gespräch mit der Lebensmittel Praxis.
Kurt Schüler von der Gesellschaft für Verpackungsmarktforschung bemängelte methodische Schwächen der NABU-Studie, die sie insbesondere aus den Reihen der Einwegindustrie angreifbar machten. So dauerte es dann auch nicht lange, bis sich das Forum Getränkedose zu dem Vorschlag der Umweltschützer äußerte. Geschäftsführerin Claudia Bierth: „Die recycelte Studie des Öko-Instituts lässt die klimaschädlichen Transporte im Bereich Mehrweggetränkeverpackungen vollkommen außer Acht. Eine reine Materialsteuer führt nicht zu mehr Umweltschutz. Es ist schade, dass sich der NABU nicht mehr dafür einsetzt, die Ökologie von Einweg und Mehrweg zu verbessern.“
„Wir brauchen die Mittel, um Mehrweg weiter zu fördern. Auch die Weinbranche denkt um.“
Günther Guder, Verband pro Mehrweg
Methodisch wird die Datengrundlage hauptsächlich dafür bemängelt, dass bei der CO2-Belastung der einzelnen Gebinde, woran sich die Höhe der Steuer orientieren soll, wichtige Faktoren außer Acht gelassen wurden. So wird die Belastung durch Transporte nicht berücksichtigt, was, so der Vorwurf der Kritiker, das Ergebnis erheblich verzerrt. Kisten voller Glas-Leergut haben, besonders bei weiten Strecken, eine erheblich schlechtere Klimabilanz als geschredderte Dosen oder PET-Flaschen. Katharina Istel vom NABU ist trotzdem überzeugt: „In unserem Modell spiegelt die finanzielle Mehrbelastung die tatsächlichen Unterschiede in der Klimabelastung wider.“ Die Steuer könne auch mit einer Mehrwegangebotspflicht für den Handel kombiniert werden. Im Gegensatz zu einer pauschalen Abgabe nur auf Einweg sei das vorgeschlagene Steuermodell differenzierter: „Dies stärkt die umweltpolitische Legitimation“, so Istel. Doch auch an diesem Punkt muss Günther Guder, der mit seinem Verband Pro Mehrweg ja grundsätzlich auch das Ziel verfolgt, Einweg einzudämmen, einlenken: „Ich sehe es kritisch, dass in diesem Modell auch Mehrwegverpackungen besteuert werden sollen. Es sind hauptsächlich mittelständische Betriebe und der Getränkefachgroßhandel, die von Mehrweg leben. Gerade diese Branche wurde durch Corona, Gastroschließungen und zuletzt explodierende Kraftstoff-Preise hart getroffen.“ Dass die Quote generell auf 70 Prozent erhöht werden muss, daran hat Guder keinen Zweifel. „Es gibt eine klare Regelung aus Europa: Abfallvermeidung vor Verwertung. Die 30 Prozent Einweg, die bleiben würden, reichen aus, um spezielle Konsumanlässe, wo solche Verpackungen Sinn machen, abzudecken“, so Mehrweg-Experte Guder.