Innocent Zukunft für PET?

Innocent will sich trotz Einweg-Geschäftsmodell als nachhaltiges Unternehmen profilieren. Wohl auch um kommenden Debatten den Wind aus den Segeln zu nehmen.

Donnerstag, 02. Dezember 2021 - Getränke
Tobias Dünnebacke
Artikelbild Zukunft für PET?
Bildquelle: Innocent

Innocent hat ein Problem: Genau wie alle anderen Getränkehersteller, die in Einweg-Flaschen abfüllen, könnten neue gesetzliche Regelungen das ehemalige Start-up aus London in Deutschland hart treffen. Dosen und Plastikflaschen stehen auf der Abschussliste der neuen Regierung. Der Marktführer in der Gesamtkategorie gekühlte Säfte und Smoothies erklärte unlängst, früher als gesetzlich vorgeschrieben dem deutschen Einwegpfandsystem beizutreten. Seit Oktober sind die EAN-Strichcodes auf den Etiketten umgestellt. Das neue Verpackungsgesetz tritt zum 1. Januar 2022 in Kraft und hat eine Ausweitung der Pfandpflicht für Säfte zur Folge. Zwingen musste man Innocent aber nicht zum Beitritt. „Wir plädieren seit Jahren dafür, dass auch Säfte mit in das Pfandsystem aufgenommen werden, zuletzt mit einer Petition im Oktober 2020, wo wir über 75.000 Unterschriften sammeln konnten“, erklärt Tine Ringsgwandl, Nachhaltigkeitsexpertin bei Innocent, gegenüber diesem Magazin. Durch den schnelleren Beitritt würden bereits in diesem Jahr mehr als 15 Millionen Innocent-Flaschen davor bewahrt, im Gelben Sack und somit potenziell in einer Downcycling-Spirale zu landen. Das deutsche Pfandsystem hat sich laut Ökoverband Nabu mit einer werkstofflichen Verwertung von bis zu 98 Prozent bewährt. Der Gelbe Sack, in dem die nicht pfandpflichtigen Saftflaschen bisher landeten, kommt nur auf eine Verwertungsquote von 37 Prozent. Allerdings bedeutet „werkstoffliche Verwertung“ nicht, dass aus alten Flaschen auch wieder neue werden. Viel zu viel Material wandert in andere Industrien ab und ist dann für die Verwendung in der Getränkeindustrie nicht mehr zu gebrauchen. Henning Wilts, Leiter der Abteilung Kreislaufwirtschaft am Wuppertal Institut, sagte auf einer hybriden Pressekonferenz von Innocent: „Europa hat mit seinen wenigen Rohstoffen ökologisch und ökonomisch nur eine Chance, wenn wir zu einer echten Kreislaufwirtschaft werden. Nirgendwo wird das so deutlich wie beim Thema Kunststoff.“

Innocent will auf der Seite der Guten stehen, trotz Einweg
Innocent, seit 2013 mehrheitlich im Besitz von Branchenprimus Coca-Cola, bemühte sich von Anfang an um ein nachhaltiges Image, trotz Einweg-Plastik. Das Unternehmen trägt heute das B-Corp-Abzeichen. Ein hierzulande noch wenig beachtetes internationales Zertifikat, das Unternehmen für besonders positive soziale und ökologische Auswirkungen auszeichnet. In Sachen Recycling wollte Innocent schon früh zu den Musterschülern der Branche gehören. „Viele wissen es nicht, aber wir haben schon 2007 mit einer Flasche, die zu 100 Prozent aus recyceltem Plastik besteht, experimentiert“, so Ringsgwandl. Das Projekt scheiterte letztlich an einer noch nicht ausgereiften Technologie: Die Flaschen verfärbten sich über die Zeit braun und wurden vom Verbraucher nicht mehr angenommen. Die Verbesserung dieses Verfahrens und ein möglichst geschlossener Kreislauf innerhalb der Getränkeindustrie ist laut Ringsgwandl nun die große Aufgabe, vor der die Branche steht. Heute bestehen die Flaschen von Innocent zu 50 Prozent aus wiederverwertetem PET. Die Smoothie-Gebinde haben außerdem einen Anteil von 15 Prozent PET aus nachwachsenden Rohstoffen. Von dem Beitritt zum Pfandsystem verspricht man sich eine bessere, sortenreinere Trennung der Materialien. Eine wichtige Voraussetzung, um beim Thema PET wenigstens in die Nähe eines Kreislaufes zu kommen. Heutzutage wird der rPET-Markt nämlich von den Branchengrößen, also unter anderem der Innocent-Mutter, in Anspruch genommen. Kleinere Hersteller kommen an das Material kaum ran.

Klare Absage vom Marktführer an Glas-Flaschen
Der Weg Richtung Glas kommt für die Briten übrigens nicht infrage. „Entgegen der öffentlichen Wahrnehmung sind Glasflaschen unter Umweltgesichtspunkten nicht per se die bessere Wahl. So stellen Einweg-Glasflaschen eine dreimal höhere Belastung für die Umwelt dar als Einweg-PET-Flaschen“, heißt es dazu aus dem Unternehmen mit Verweis auf die (vergleichsweise) aktuelle Ökobilanz „Carbotech“ aus dem Jahr 2014.

Eigene CO2-neutrale Fabrik im Rotterdam Food Hub läuft an
Auch beim Thema Logistik will Innocent in der Branche voranschreiten. So wurde kürzlich die erste eigene Fabrik im „Rotterdam Food Hub“ eröffnet. Das Gewerbegebiet am Calandkanaal, am Eingang zur Maasvlakte, ist etwa 60 Hektar groß und wurde speziell für Unternehmen aus dem Bereich „Agrofood“ konzipiert. Nach einer Probezeit laufen seit Kurzem die ersten Säfte und Smoothies vom Band. Die Produktion hat eine Gesamtkapazität von bis zu 300 Millionen Litern pro Jahr für ganz Europa und arbeitet dabei CO2-neutral. Innocent war der erste Kunde, der den Rotterdam Food Hub als Standort gewählt hat, aus gutem Grund: Die Lieferkette läuft hier zusammen; der Saft und andere Zutaten kommen in Containern im Rotterdamer Hafen an. Der Standort sei eine vollständig CO2-neutrale elektrische Getränkefabrik und arbeite unter anderem mit der Gewinnung von Energie aus Windrädern und Sonnenkollektoren. Auch die Wärme aus der Fabrik wird wiederverwendet. Um vollständig CO2-neutral arbeiten zu können, ist der britische Safthersteller eine Partnerschaft mit der in Rotterdam ansässigen Zero Emission Transport Company Breytner und dem Joint-Venture-Partner HN Post & Zonen eingegangen. Sie liefern eine komplette Flotte von elektrischen 50-Tonnen-Lkw für den Tanktransport des Orangensaftes. „Der Bau unserer eigenen Fabrik im Rotterdam Food Hub wird die Lieferkette von Innocent um 20 Prozent verkürzen. Aber das ist noch nicht alles. Vom Zeichenbrett bis zur Produktion wurde der Mixer unter dem Gesichtspunkt der Nachhaltigkeit entwickelt“, erklärt Andy Joynson, der Standortleiter von Innocent, die Pläne mit der neuen Anlage in den Niederlanden.

Mammutprojekt für Innocent

Die erste firmeneigene Fabrik in Rotterdam konnte im Oktober den Betrieb aufnehmen. Die Produktion hat eine Gesamtkapazität von bis zu 300 Millionen Litern pro Jahr für ganz Europa und ist dabei CO2-neutral und nachhaltig. Innocent erklärte diesem Magazin, dass der Handelsmarkenspezialist Gropper weiterhin Säfte auf Basis von Äpfeln für Innocent produzieren wird. Auch dies im Sinne der Nachhaltigkeit und Eindämmung von Transportwegen: Am Bodensee gibt es viele Apfelplantagen.

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