AB Inbev Drive und Wille

AB Inbev hat in Deutschland große Ambitionen und wäre am liebsten Marktführer. Seit Ende 2019 leitet der Belgier Michel Pepa die Geschicke hierzulande. Die Entscheidung, Hasseröder nicht zu verkaufen, geht auch auf ihn zurück.

Freitag, 26. Februar 2021 - Getränke
Tobias Dünnebacke
Artikelbild Drive und Wille
Bildquelle: AB Inbev

Michel Pepa ist mit nur 30 Jahren der jüngste AB-Inbev-Deutschland-Chef, den es je gegeben hat. Mit dem Stopp des Hasseröder-Verkaufs 2018 hat der junge Belgier bereits starken Einfluss auf die Entwicklung des Geschäfts in Deutschland ausgeübt. Dass der ausgewiesene Preisstratege mehr will als bloße Zahlenspiele, macht Pepa im Interview mit der Lebensmittel Praxis unmissverständlich klar.

Herr Pepa, Sie sind mit 30 Jahren der jüngste AB Inbev Country Manager Germany, den es je gegeben hat. Was kann ein junger Brauerei-Manager besser als ein älterer Kollege?
Ich werde oft auf mein Alter angesprochen. Ich denke, wir schauen bei AB Inbev weniger auf Alter und Erfahrung als mehr auf die Frage: Wer hat den Drive und den Willen, etwas zu bewegen? Ich glaube an Wertwachstum und sehe eher die Chancen im deutschen Markt. Das ist mein Vorteil. Bei AB Inbev ist alles möglich. Dafür bin ich das beste Beispiel (lacht).

Sie haben als sogenannter Revenue Manager bereits Erfahrung in Märkten wie Spanien, Frankreich und Italien gesammelt. Wie unterscheidet sich Deutschland von den Bier-Märkten dieser Länder?
Es gibt in Deutschland über 14.000 SKUs (stock keeping unit, Marken und entsprechende Varianten; Anm. d. Verfassers) in der Kategorie Bier. Das ist der Wahnsinn. Im Vergleich sind die Märkte Spanien und Frankreich sehr konsolidiert. Einige wenige große Marken stehen einer überschaubaren Anzahl an Handelskunden gegenüber. Dagegen ist Deutschland sehr fragmentiert. Es gibt über 2.000 Brauereien und neben den großen mächtigen Handelskunden wie Rewe und Edeka eine Vielzahl lokaler Händler und Gastronomen. Hinzu kommt, dass der Kunde auf der einen Seite häufig lokal und regional denkt und konsumiert, auf der anderen Seite aber sehr preissensibel ist und sich beim Kauf stärker nach Promotions richtet als Konsumenten in anderen Ländern. Der deutsche Markt ist also auf vielen Ebenen komplex. Es gibt wohl nur eine Sache, die komplizierter ist als der hiesige Biermarkt: die deutsche Sprache (lacht).

Sie wohnen seit einiger Zeit in Bremen. Lernen Sie Deutsch?
Oh ja. Ich glaube, wenn man einen Markt wirklich verstehen will, muss man die Sprache der Leute sprechen. Ich bemühe mich also. Ich treffe mich auch in diesen Zeiten regelmäßig mit Kunden und ermutige sie, mit mir Deutsch zu sprechen.

Ihr Aufstieg zum Country Director Germany als Nachfolger von Florian Weins kam im November 2019 zum für Sie denkbar schlechtesten Zeitpunkt. Das Flaggschiff Beck’s konnte sich in diesem Corona-Jahr allerdings deutlich besser behaupten als viele Wettbewerber.
Das ist richtig. Ich hätte mir sicher einen anderen Start gewünscht. Wir verstehen und akzeptieren die coronabedingten Schließungen in der Gastronomie natürlich, aber sie treffen auch uns hart. Besonders bei den regionalen Marken wie Spaten oder Löwenbräu. Was wir hier im Außer-Haus-Konsum verloren haben, konnten wir durch die steigenden Absätze im Handel nicht wieder reinholen. Beck’s schnitt besser ab als viele Wettbewerber im Pils-Segment, da das Gastronomie-Geschäft für die Marke weniger bedeutend ist.

Wie ist denn der Gastronomieanteil bei Ihren Marken hierzulande?
Insgesamt liegt die Verteilung bei 85 Prozent (Handel) zu 15 Prozent (Gastronomie), bei Beck’s liegen die Anteile bei 90 zu 10. Man sollte aber nicht außer Acht lassen, dass es im Gastro-Geschäft die höheren Margen gibt. Auch uns trifft Corona hart.

Ihr großer Wettbewerber Heineken musste kürzlich erst verkünden, weltweit 8.000 Stellen zu streichen. Droht das auch AB Inbev?
AB Inbev war schon sehr effizient aufgestellt, bevor die Corona-Pandemie kam. Andere Unternehmen müssen da jetzt vielleicht nachjustieren. Viele Brauer in Deutschland fahren jetzt den Geschäftsbereich Gastronomie runter. Wir wollen das nicht. Wir glauben, die Gastronomie wird zurückkommen, und wir wollen da am Ball bleiben.

Zur Wahrheit gehört auch, dass der Biermarkt schon vor Corona schwierig war. Wie sieht Ihre Wachstumsstrategie aus?
Zwei Stichpunkte: Innovation und Regionalität. Nehmen Sie zum Beispiel die Neuheit Beck’s Unfiltered, die wir jetzt gerade einführen. Beck’s ist generell eine Marke, die für Innovation steht. Das erste Bier in einer Dose war in den 1950er-Jahren ein Beck’s. Beck’s Unfiltered ist ein eher mildes Pils, das mit seiner Ursprünglichkeit und Authentizität genau in die heutige Zeit passt. Dafür haben wir uns vom ursprünglichen Brauverfahren inspirieren lassen. Die Deutschen bevorzugen traditionellerweise ihr Bier mit höheren Bitternoten als Konsumenten in anderen Ländern. Aber hier findet derzeit ein Wandel statt hin zu milderen Bieren wie den Hellen aus Bayern, die sehr stark wachsen, nicht nur in Süddeutschland. Da wir starke bayerische Marken im Portfolio haben wie Spaten und Löwenbräu, gibt es genügend Wachstumspotenzial in diesem immer beliebter werdenden Segment. Spaten beispielsweise haben wir 2019 mit neuem Etikett, der Euro-Flasche und intensiven Aktivierungen auf der Fläche erfolgreich Impulse gegeben. Ähnliches planen wir für Löwenbräu in diesem Jahr.

Und die Regionalität?
Wir müssen nah am Kunden sein. Da tun sich internationale Konzerne manchmal etwas schwerer. Ich glaube aber, das ist ein wichtiger Baustein für den Erfolg. Eine meiner wichtigsten Maßnahmen war, die regionalen Büros beispielsweise in Berlin, Köln oder München wiederzueröffnen beziehungsweise zu stärken. Ich glaube, jemand in Bremen weiß nicht unbedingt, wie der Markt in Ostdeutschland oder München funktioniert.

Das AB-Inbev-Thema Nummer eins in Deutschland war zuletzt der gescheiterte Verkauf der Brauereien Hasseröder und Diebels. Es war der dubiose Finanzinvestor CK Corporate Finance als Übernahmekandidat im Gespräch. Der Deal kam nicht zustande. Stimmt es, dass Sie an der Entscheidung beteiligt waren?
Ja, das stimmt. Nach meiner Zeit in Frankreich war dieser Fall mein erster Berührungspunkt mit dem deutschen Markt. Ich wurde Anfang 2018 damit beauftragt, die Verkaufsoption noch mal neu zu bewerten und bin zu dem Schluss gekommen, dass eine Veräußerung falsch wäre. Wie bereits erwähnt: Deutschland ist ein sehr regionaler Markt und Hasseröder nach wie vor eine starke Marke. Diese Konsumenten hätten wir für immer verloren. Und das hätte man mit einem Wachstum bei Beck’s auch nicht kompensieren können.

Trotzdem muss eine Brauerei auch Geld verdienen.
Wie gesagt, es sind starke Marken, an die wir glauben.

Sie haben sich als sogenannter Revenue Manager besonders intensiv mit der Preisbildung beschäftigt. Wird es bald wieder Preisanpassungen geben wie zuletzt 2017?
Zunächst einmal, damit keine Missverständnisse aufkommen: Die Preise am Regal bestimmt der Handel. Darüber hinaus kommen Preisanpassungen im Markt immer mit großen Konsequenzen, gerade in Deutschland. Da muss man sehr vorsichtig sein. Gerade jetzt in Zeiten der Covid-Pandemie und geschlossenen Gaststätten. Ich möchte mich lieber darauf konzentrieren, Werte zu schaffen. Und wir haben hier gute Chancen: Internationale Biere wie Corona beispielsweise generieren eine gute Marge und sind auf Wachstumskurs. Wir haben schon über das Potenzial der hellen Biere gesprochen. Auch hier haben wir ein anderes Preisbild als bei Pils. Zu guter Letzt das Thema Neuheiten und Innovationen. Hier lohnt es sich, viel mehr Energie reinzustecken, als sich um den Aktionspreis von 10 Euro je Kasten Bier zu sorgen.

Zum Thema neue Kategorien und Innovationen: AB Inbev wird sicherlich schon an einem eigenen Hard Seltzer werkeln, oder?
Das ist richtig. Hard Seltzer ist in den USA ein sehr großer Markt geworden, die Kategorie aus verschiedenen Gründen attraktiv: Wir können so Konsumenten erreichen, die sich vom Bier abwenden. Hard Seltzer bedient außerdem den Trend zu einer gesünderen Lebensweise hin zu Getränken mit weniger Kalorien als ein klassisches Bier. Die Rezeptur ist bereits fertig, und wir suchen derzeit nach der geeigneten Brauerei, die das Produkt brauen wird. Wir planen derzeit mit der Einführung im Mai.

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