2016 war für die deutschen Brauer nach einer langen Durststrecke mal wieder ein Jahr zum Durchatmen. Fußball-Europameisterschaft, das 500. Jubiläum des Reinheitsgebots und der warme Sommer bescherten der Branche immerhin ein leichtes Wachstum. Das dürfte sich 2017 aber kaum wiederholen. „Der Bierverkäufer Petrus hat uns im ersten Halbjahr kaum geholfen“, sagt Dr. Volker Kuhl, Geschäftsführer Marketing und Vertrieb bei der Veltins-Brauerei, über die Performance der deutschen Bierbranche im ersten Halbjahr 2017. Bedenkt man, dass es in diesem Jahr kein sportliches Großereignis zu feiern gibt, kann man sich ausmalen, wie schwierig es für die Brauer wird, am Ende keine Hektoliter zu verlieren. Umso überraschender, dass Veltins im ersten Halbjahr gegen den Trend mit 0,7 Prozent auf 1,49 Mio. hl zulegen konnte. Das Wachstum kommt dabei vor allem durch das weiterhin starke Dosengebinde, alkoholfreie Varianten sowie die Spezialitäten-Biere Grevensteiner Original und Ur-Radler. Eigentlich eine gute Position, um selbstbewusst am Markt aufzutreten. Anders als manche Wettbewerber will Veltins zunächst aber keine Preiserhöhung durchsetzen. „Bei der derzeitigen Kostenentwicklung ist es nachvollziehbar, wenn Brauereien ihre Preise gegenüber dem Handel erhöhen. Allerdings bleibt die Frage offen, wie weit der Verbraucher hier mitgeht. Wir sind da noch nicht sicher und wollen den Markt weiter beobachten“, erklärt Michael Huber, Generalbevollmächtigter der Veltins-Brauerei, bei der Vorstellung der Halbjahres-zahlen.
Die Preisanpassung bleibt bis auf weiteres offen
Offensichtlich tut man bei Veltins gut daran. Denn Krombacher nahm jetzt die zum 1. Oktober angekündigte und sicherlich erforderliche Preierhöhung für Flaschenbiere nach Abwägen der Chancen und Risiken wieder zurück. Auch Bitburger-Chef Axel Dahm erklärte in einem Interview mit dem Handelsblatt, dass die Preisstellung für Bier im Handel so nicht mehr tragbar sei und er die Kiste Bitburger am liebsten für 14 Euro verkaufen würde. Zwar moniert auch Huber, dass der Bierpreis heute der gleiche sei wie vor 21 Jahren und die 9,99 Euro pro Kiste sich trotz Rabatt und WKZ auch für den Handel nicht lohnen würden. „Da geht es darum, Zug in den jeweiligen Markt zu bringen“, erklärt Huber. Dennoch liegt das Thema Preiserhöhung in Meschede-Grevenstein derzeit nicht auf dem Tisch. Wachstum ist vor allem bei den Spezialitäten- und Traditionsbieren noch möglich.
Spezialitäten-Trend hält an, aber Konsolidierung ist in Sicht
Während die Marke Veltins mit einer Absatzentwicklung von -0,1 Prozent stabil lag, konnte das Traditionsbier Grevensteiner mit einem Wachstum von 22 Prozent überdurchschnittlich stark am Spezialitätentrend partizipieren. Grevensteiner und Ur-Radler machen aber mit einem Ausstoß von 82.337 hl einen noch geringen Anteil am gesamten Veltins-Portfolio aus. Trotzdem setzt man große Hoffnungen in das Segment. „Die Tatsache, dass unser Grevensteiner trotz eines starken Wettbewerbs von Paderborner bis Stauder so stark wachsen konnte, spricht für sich“, erklärt Vertriebs- und Marketingchef Kuhl. Trotzdem sei schon jetzt erkennbar, dass auch „dieser Markt irgendwann gesättigt ist und man nicht das x-te Keller-, Land- oder Marktbier braucht“.
Während sich alkoholfreie Varianten, Radler und Malz-Bier mit einem Plus von 5,2 Prozent (56.152 hl) ordentlich entwickelten, verloren die Fassbrausen (alkoholfreies Biermischgetränk in den Varianten Zitrone, Holunder, Apfel-Kräuter) fast 10 Prozent auf mittlerweile magere 26.490 hl. Die Mix-Range V+ liegt derzeit bei fast unveränderten 201.481 hl. Spaß bereitet der Veltins-Führungsriege um Huber, Kuhl und Herbert Sollich (Marketingdirektor) auch das Dosengeschäft. Das Gebinde legte nur für die Marke Veltins um 15,5 Prozent auf 73.720 hl zu. Eine Neulistung bei Aldi für die 0,5-l-Dose werde dieses Wachstum noch beflügeln, ist sich Huber sicher. Dabei sei es wichtig, auch im Harddiscount die Preisstellung hoch zu halten. Im Falle der Aldi-Listung soll der Preis über dem Niveau eines Halbliter-Kastens liegen.
„Auf Schalke“ ist Veltins- Gebiet
Bereits seit 1997 ist Veltins beim FC Schalke 04 engagiert und auch der Namensgeber der Veltins-Arena. Die Werberechte wurden jetzt bis zum Jahr 2027 verlängert. Versprochen wurde den Fans bei dieser Gelegenheit auch die laut Michael Huber „größte Freibierrunde der Fußball- Bundesliga“ beim ersten Heimspiel gegen Red Bull Leipzig am 19. August in Gelsenkirchen.
Absatzhoffnung Export bestätigt sich auch bei Veltins
Erfreulich entwickelt sich auch das Exportgeschäft, in dem die Sauerländer seit 25 Jahren aktiv sind. Hier konnte ein Zuwachs von 7 Prozent verzeichnet werden – 110.000 hl wurden allein im ersten Halbjahr jenseits der deutschen Grenzen vertrieben. Die Brauerei setzt seit der Jahrtausendwende auf eine Strategie der „forcierten Bearbeitung der Fokusmärkte Italien, Spanien, Niederlande, Großbritannien und USA“. Obwohl sich die Verkaufspreise auf dem britischen Markt nach dem Brexit wechselkursbedingt um 15 Prozent erhöht haben, rechnet Kuhl in Zukunft mit keinen signifikanten Veränderungen.
Auch für das zweite Halbjahr erwartet Huber keine großen Überraschungen. „Die spannendste Frage wird sein, wer Hasseröder und Diebels kauft“, erklärt der Veltins-Chef. Ansonsten profitiere man von der guten Situation auf dem Arbeitsmarkt. Lediglich das Thema politische Restriktionen im Rahmen einer neuen Regierungsbildung sei ein nicht abschätzbares Thema.