Was sind Listerien?
Robert Römer: Listerien sind Bakterien. Sie vermehren sich sehr leicht, sind überall in der Umwelt zu finden – und nicht alle davon machen krank. Sie kommen in jedem Lebensmittel vor und sind relativ resistent, können sich im Vergleich zu vielen anderen Keimen noch bis minus zwei Grad vermehren. Für Infekte bei Menschen ist vor allem das Bakterium Listereia monocytogenes verantwortlich. Es löst eine seltene, aber vergleichsweise gefährliche Lebensmittelinfektion aus: die Listeriose.
Welche Menschen sind auf die Bakterien besonders anfällig?
Vor allem ältere Menschen können an der Infektion mit den Keimen sterben. Grundsätzlich sind Menschen mit einem geschwächten Immunsystem anfälliger für eine schwer verlaufende Listeriose.
Wie kommen denn die „Keime“ in die Wurst?
Prinzipiell können Lebensmittel auf dem gesamten Weg von der Produktion bis zum Verzehr mit Listerien verunreinigt werden: Das beginnt bei der Haltung und Schlachtung von Tieren oder dem Anpflanzen und Ernten von Gemüse, geht weiter über die Verarbeitung, Lagerung, Transport bis in den Handel.
Welche Produkte sind gefährdet?
Fast alle Ready-to-eat-Produkte sind gefährdet, weil sie vor dem Verzehr nicht mehr erhitzt werden. Aber auch kurz oder nicht gereifte Rohwürste wie beispielsweise Zwiebelmettwurst bedürfen besonderer Sorgfalt, da sich die Listerien im Fall einer Kontamination relativ ungehindert vermehren können.
Was hat QS mit Listerien zu tun?
Verhindern können wir eine Kontamination nicht. Wir helfen allen Beteiligten entlang der Produktionskette von frischen Lebensmitteln, ihre Systeme und Prozesse so auszugestalten, dass sie nicht nur im Bezug auf Listerien, sondern generell potenzielle Gefahren oder Kontaminationsquellen minimieren oder bestenfalls beseitigen.
Sie haben eine Arbeitshilfe entwickelt. Wie funktioniert diese?
Im Mai 2019 hat QS eine Arbeitshilfe zur Listerien-Prävention für Schlacht-, Zerlege- und Verarbeitungsbetriebe veröffentlicht, die Betriebe dabei unterstützt, das Risiko des Vorkommens von Listeria monocytogenes zu ermitteln und bei Bedarf zu verringern. Die Arbeitshilfe bietet Betrieben aus der Fleischwirtschaft eine Hilfestellung, um die Gegebenheiten im Betrieb systematisch zu bewerten und, falls notwendig, geeignete Maßnahmen einzuleiten. Zusätzlich bietet sie Unterstützung bei der Einstufung von Produkten gemäß der VO (EG) Nr. 2073/2005. Zudem gibt die Arbeitshilfe Handlungsempfehlungen zur Probenahme, Analytik und Ergebnisbewertung und liefert praxisnahe Beispiele, die im Falle von identifizierten Risiken oder bei positiven Ergebnissen als Anhaltspunkte für Anpassungen dienen können.
Führt jeder Listerienbefund im QS-System zu einer Sperrung?
Nein – definitiv nicht. Wenn Sie die Medien verfolgen, werden Sie feststellen, dass mehrere Betriebe in der Presse genannt wurden. Wir nehmen solche Meldungen selbstverständlich sehr ernst und handeln umgehend. Dazu gehört, dass wir uns selbst ein Bild vor Ort verschaffen, den Fall individuell prüfen und nach Faktenlage entscheiden. So wurden einige QS-Systempartner, die ein Listerienproblem hatten, gesperrt, andere wiederum nicht.
Warum häufen sich die Listerienfälle in den vergangenen Wochen?
Das täuscht. Es gibt nicht mehr Listerienfälle, sondern neue Analysemethoden, mit denen die Ursprünge der Listerien besser identifiziert werden können. Dadurch ist eine Zuordnung zu einem Produktionsbetrieb viel besser möglich als in der Vergangenheit.
Bringen mehr staatliche Kontrollen mehr Verbrauchersicherheit? Welche Aufgaben hat dabei QS?
Nein, allein durch mehr staatliche Kontrollen wird sich nicht viel ändern. Wichtig ist die Verzahnung staatlicher und privatwirtschaftlicher Kontrollen. Die bestmögliche Lebensmittelsicherheit wird nur dann erreicht, wenn die Unternehmen, die privaten Eigenkontrollsysteme und die staatlichen Institutionen zusammenwirken. Die Möglichkeit besteht schon längst und ist auch gemäß der neuen Kontrollverordnung (EU) 2017/625 weiterhin vorgesehen; in der Praxis wird diese Möglichkeit jedoch viel zu selten genutzt. Im QS-System werden jährlich mehr als 40.000 Audits von 300 Auditoren durchgeführt. In den Schlacht-, Zerlege- und Verarbeitungsbetrieben werden dabei über 100 Kriterien in jedem Audit überprüft, die sich unter anderem auf die Hygiene, Lebensmittelsicherheit und Rückverfolgbarkeit beziehen. Die Kontrollen im QS-System helfen mit, die Betriebe zu sensibilisieren sowie das jeweilige Optimierungspotenzial aufzuzeigen und natürlich auch das Kontaminationsrisiko mit Listerien zu senken.
Wie können Unternehmen mit einem Listerienfund umgehen, damit es nicht zu einer Krise kommt?
Die Unternehmen müssen zügig handeln, das Risiko bewerten, den Umfang abgrenzen sowie klar und eindeutig kommunizieren. Wer gegenüber der amtlichen Seite sowie als Teilnehmer an einem Eigenkontrollsystemen der Wirtschaft nicht zeitnah für die notwendige Transparenz sorgt, wird einen schweren Stand haben. Problematisch ist, dass in der öffentlichen Diskussion selten zwischen den vielen ungefragten Meinungen und der sachlich fundierten Information unterschieden wird. Deswegen müssen wir alle daran arbeiten, Betriebe vor teilweise leichtfertig abgegebenen Vorverurteilungen zu schützen.
Die Betriebshygiene gehört zu den häufigsten Beanstandungsgründen. Was ist hier besonders wichtig?
Reinigung und Desinfektion sind nicht von ungefähr die wesentlichen Punkte für die Lebensmittelsicherheit. Für den richtigen Hygienestatus benötigen die Betriebe geschultes Personal. Gerade im Verpackungsprozess von Produkten, die als „ready to eat“ für den Endverbraucher bestimmt sind, ist besondere Sorgfalt geboten.
Wo lauern vor allem Gefahren?
Überall dort, wo ich schlecht drankomme. Beispiele hierfür sind Ecken von Geräten, Räder von Transportwagen, Flex-Schläuche und aufgerollte Schläuche.
Was bedeutet das für die betriebliche Eigenkontrolle?
Man muss „Detektive“ unter den Mitarbeitern haben, die diese Stellen erkennen und vor allem in das Monitoring mit einbeziehen. Wichtig ist im Betrieb nach Listerien zu suchen und die Beprobung sinnvoll auszurichten. Die Bedeutung der betrieblichen Eigenkontrolle wird in guten Zeiten unterschätzt. Durch die neutralen Kontrollen im QS-Prüfsystem versuchen wir daher auch die Fokussierung auf eine nachhaltige und zuverlässige Eigenkontrolle der Betriebe zu stärken.
Wie sieht ein Listerien-Monitoring aus?
Der erste Schritt zur Einschätzung des Listerien-Risikos auf betrieblicher Ebene ist die Analyse der relevanten Einflussgrößen und die Bewertung der hergestellten Produkte. Neben der Reinigungs- und Desinfektionskontrolle spielt das Monitoring von Produkten, Rohstoffen und der Produktionsumgebung eine wichtige Rolle in der Listerien-Prävention. Die Unternehmen sollten einen Probenplan ausarbeiten, der risikoorientiert Rohstoffe, Halbfertigwaren und Fertigwaren berücksichtigt.
Der Fall Wilke ist abgeschlossen. Was ist da alles schiefgelaufen?
Wilke ist schon seit Jahren kein QS-Systempartner. Wir wissen deshalb auch nicht mehr als die Presse publiziert hat. Eines ist sicher – durch den Fall Wilke hat die Branche mal wieder einen Imageschaden erlitten.