Sie haben eine Umfrage zum nachhaltigen Konsum in Auftrag gegeben. Die Auswertung zeigte, dass Verbraucher bei Kosmetik stärker auf den Preis achten und Nachhaltigkeit eine recht geringe Rolle spielt.
Silvia Steinert: Der Fokus vieler Verbrauchern liegt aktuell vor allem auf dem Preis, daher waren die Ergebnisse nicht überraschend. Wir sind aber davon überzeugt, dass sich das Bild wieder verändern wird. Wir wollen uns grundsätzlich weiterentwickeln, auch bei Themen, nach denen noch nicht alle Verbraucher*innen fragen.
Welche wesentlichen Nachhaltigkeitsthemen sind für Cosnova besonders relevant?
Wir haben für Cosnova 2015 die grundlegenden Nachhaltigkeitsthemen festgelegt, die nicht nur intern, sondern auch in Zusammenarbeit mit Stakeholdern erarbeitet wurden. Diese Themen umfassen die Unbedenklichkeit der Produkte, Zero Waste, Menschenrechte, soziales Engagement und seit 2021 auch verstärkt Climate Action. Diese Themen sollen tief in die tägliche Arbeit aller Mitarbeitenden integriert werden, um Nachhaltigkeit nicht als Einzelinitiativen, sondern als Teil der Unternehmenskultur und -strategie zu verankern.
Wie stellt Cosnova sicher, dass die Nachhaltigkeitsziele in der gesamten Organisation umgesetzt werden?
Unser fünfköpfiges Nachhaltigkeitsteam besteht aus Experten, die sich jeweils einem Thema schwerpunktmäßig widmen und so die Organisation dabei unterstützen, gemeinsam geeignete Maßnahmen in unsere tägliche Arbeit zu integrieren und umzusetzen. Interne Kommunikationsinitiativen wie "Meet the Board" helfen dabei, regelmäßige Updates und strategische Kernthemen zu vermitteln. Zudem wurden Tools wie ein eigens programmierter interner ChatGPT-Assistent entwickelt, um z.B. Verbraucheranfragen zu Nachhaltigkeit schnell und effizient beantworten zu können. Auch Schulungen und Beratungen für Produktmanager*innen zur nachhaltigen Produktentwicklung spielen eine wichtige Rolle. Eine weitere Initiative ist unser „Sustainability Day“, zu dem unter dem Motto „Make up our future together“ alle Mitarbeitenden, aber auch externe Partner wie Journalisten, Handelspartner wie dm Drogerie-Markt und Keynote Speakern eingeladen waren, um gemeinsam an der Verknüpfung der Wertschöpfungskette zu arbeiten.
Wie gehen Sie bei der Überarbeitung der Produktformulierungen vor, um dem Anspruch „unbedenklicher“ Produkte gerecht zu werden? Wo sind hier die großen Knackpunkte?
Die Entfernung von problematischen Inhaltsstoffen wie Mikroplastikpartikeln und flüchtigen Silikonen ist technisch anspruchsvoll und zeitaufwendig. Diese Substanzen spielen oft eine wesentliche Rolle in der Produktperformance, und ihre Substitution erfordert umfangreiche Forschung und Entwicklung. Dennoch ist es uns gelungen, unsere Formulierungen erfolgreich umzustellen.
Wie lange haben Sie gebraucht, um festes Mikroplastik erfolgreich zu ersetzen?
Dieser Prozess begann 2017 mit Pilotprojekten und wurde bis 2023 vollständig umgesetzt, also zwei Jahre vor den gesetzlich vorgeschriebenen Fristen.
In welchen Produkten ist die Umstellung besonders herausfordernd?
Grundsätzlich war die Umstellung auf mikroplastikpartikelfreie Formulierungen in den Produktkategorien Mascara und Concealer herausfordernder als bei Puder oder Pencils, also Makeup in Form von Stiften. Bei einigen Stiften, wie dem Kajal Essence Long Lasting Eye Pencil, wurden bereits Silikone und Mikroplastikpartikel entfernt. Wir arbeiten aber aktuell daran, die Rezeptur auf unsere noch strengeren „Clean Beauty“-Anforderungen anzupassen. So bezeichnen wir die Produkte, die besonders umweltverträglich sind und einen hohen Anteil an natürlichen Inhaltsstoffen beinhalten.
Wie weit sind Sie bei der Eliminierung von flüssigen Polymeren?
Flüchtige Silikone haben wir als besonders problematisch identifiziert und daher priorisiert. Alle flüchtigen Silikone, also D5 und D6, haben wir bis Sommer 2024 vollständig aus unseren Produktformulierungen entfernt. Bis 2025 sollen mindestens 80 Prozent unserer Produkte beider Marken unseren Clean Beauty-Standards entsprechen, was auch die Entfernung von flüssigem Mikroplastik und anderen umstrittenen Inhaltsstoffen umfasst. Aktuell liegen wir bei 65 Prozent.
Lippenstift, Lidschatten und Co kommen in einer Unmenge an einzelnen Verpackungen daher. Wie kommen Sie hier voran?
Verpackungen machen rund 50 Prozent des CO2-Fußabdrucks unserer Produkte aus. Wir konnten zum Beispiel die Verpackung des „Catrice Liquid Camouflage High Coverage Concealers“ um rund 8,5 Prozent reduzieren, was etwa 18 Tonnen eingesparten Materials und etwa 34 Prozent weniger CO2 entspricht. Wir bemühen uns, den Einsatz von neu produziertem Kunststoff signifikant zu reduzieren. Bisher konnten wir bereits 300 Tonnen dieses so genannten Virgin Plastics einsparen, was der Einsparung von sieben Airbus A320 entspricht. Der Einsatz von recyceltem Material, auch aus dem Gelben Sack, ist ein Schritt in die richtige Richtung, jedoch bleibt die Materialverfügbarkeit eine kontinuierliche Herausforderung. Und nicht immer erfüllen Rezyklate die strengen Anforderungen in Bezug auf Ästhetik und Funktionalität, die wir an unsere Verpackungen stellen.
Welche Tools und Prozesse nutzt Cosnova, um diese Überarbeitungen besser zu steuern?
Um die Überarbeitung der Produktformulierungen und Verpackungen effektiv zu steuern und vor allem früher im Entwicklungsprozess Nachhaltigkeitskriterien zu berücksichtigen, arbeiten wir zum Beispiel mit "Makersite" zusammen. Das ist eine KI-basierte Plattform, die Transparenz in der gesamten Lieferkette schafft und es ermöglicht, den ökologischen Fußabdruck von Produkten zu analysieren. Mit diesem Tool können wir digitale Zwillinge unserer Produkte erschaffen und Daten der Lieferanten einbinden, inklusive Klimadaten. Auf der Basis können alternative Materialien und Inhaltsstoffe getestet und deren Auswirkungen auf den ökologischen Fußabdruck der Formulierung und Verpackung in Echtzeit bewertet werden.
Wie weit sind Sie mit der Implementierung?
Wir starten im CR-Team gemeinsam mit einigen Key Usern aus der Produktentwicklung und dem Verpackungsteam, um erste Erfahrungen zu sammeln und intern zu beraten. Bis Ende des Jahres soll die Implementierung umgesetzt sein. Auch mit Hilfe dieses Tools wollen die Produktentwicklung so gestalten, dass sie nicht nur den aktuellen gesetzlichen Anforderungen entspricht, sondern auch zukunftsorientierte Nachhaltigkeitsstandards erfüllt.
Regulatorien sind ein gutes Stichwort. Welche der Nachhaltigkeitsgesetzgebungen beschäftigen Sie aktuell besonders?
Wir haben die sich ändernden regulatorischen Anforderungen stets im Blick, wie beispielsweise die EU-Verordnung zur Reduzierung von Verpackungsabfällen (PPWR), die eine zunehmend strenge Recyclingfähigkeit und eine Reduktion des Materials insgesamt vorschreibt. Der Zeitpunkt, wann wir durch welches „Tor“ laufen müssen, ist klar, aber noch nicht immer, wie das erfolgt. Ein großer Zielkonflikt ist der Einsatz von Rezyklat, wie vorhin erwähnt. Aber woher kommt dieses, damit es auch als nachhaltig gelten kann? Hierzu braucht es weitere Diskussionen. Gleichzeitig müssen wir den Bedürfnissen und Erwartungen der Konsumenten gerecht werden, die einerseits Wert auf Nachhaltigkeit legen, andererseits aber keine Kompromisse bei der Produktqualität oder dem Preis eingehen wollen.
Die Produkte der Marken Essence und Catrice sind im Preiseinstieg positioniert. Nachhaltigkeit kostet zunächst einmal. Ist die Preispositionierung ein Problem für das Nachhaltigkeitsmanagement von Cosnova?
Wettbewerber mit höheren Margen geben mehr Geld aus für ihr Marketing. Wir fokussieren uns stattdessen auf die bestmögliche Produktqualität zu niedrigmöglichen Preisen. Nachhaltigkeit kostet etwas, aber hat auch viel mit Effizienz zu tun. Somit führen Nachhaltigkeitslösungen nicht zwangsläufig zu höheren Kosten. Wir verkaufen große Mengen an Kosmetik, daher sehen wir vor allem unseren großen Hebel, Veränderungen anzustoßen.
Dabei müssen Sie dennoch den Kunden mitnehmen. Was bedeutet das für Kommunikation und Marketing?
Wir spielen Nachhaltigkeitsthemen über unsere unterschiedlichen Marken- und Unternehmenskanäle. So stellen wir Nachhaltigkeitsinformationen zu unseren Produkten und Unternehmenstätigkeiten etwa auf Social Media, am POS und auf unseren Websites bereit. Immer so, dass es für die Konsumenten verständlich und nachvollziehbar ist und den Anforderungen des jeweiligen Kanals entspricht. Wir sehen zwar auch, dass diese Themen nicht immer die meisten Views generieren, aber dennoch eine relevante Zielgruppe erreichen. Unsere Produkte haben außerdem QR-Codes, über die zum Beispiel die INCI-Listen in leicht verständlicher Sprache abrufbar sind. Wir arbeiten für die Verbraucherkommunikation daran, unseren vorhin erwähnten ChatGPT-Assistenten, der bei der Beantwortung von Kundenfragen hilft und Antworten bündelt, künftig auch Verbrauchern zur Verfügung zu stellen.