Naturkosmetik Noch nachhaltiger

Die Naturkosmetik-Branche erweitert ihre Käuferschaft und Sichtbarkeit, doch auch Konkurrenz- und Kostendruck nehmen zu. Markenhersteller schrauben an ihrer Nachhaltigkeits-Performance, um Verbrauchererwartungen gerecht zu werden.

Freitag, 11. März 2022 - Drogerieartikel
Bettina Röttig
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Bildquelle: Aurelia Dubois, Unsplash

Shampoo, Bodylotion oder Gesichtscreme mit Siegel: In den Badezimmern der Bundesbürger halten immer mehr zertifizierte Naturkosmetikprodukte Einzug. Bereits jeder dritte Kosmetik-Käufer entscheidet sich nach Analysen der GfK-Marktforscher für grüne Pflege für Haut und Haar. Die Pandemie hat jedoch auch in diesem Segment für Veränderungen in den Konsummustern gesorgt.
Ludger Schalkamp, Chief Marketing Officer Lavera Naturkosmetik (Laverana): „In der Corona-Krise hat sich das Verhalten der Verbraucher verändert.“ Insbesondere während des ersten Lockdowns 2020 führte der Trend zum One-Stop-Shopping, um Kontakte zu vermindern, dazu, dass der konventionelle LEH und der Onlinehandel Marktanteile gewannen, während die Umsätze in den Drogeriemärkten zurückgingen. „Auch wir haben diese Verschiebung beobachtet. Gleichzeitig haben wir positiv wahrgenommen, dass die Nachfrage nach Natürlichkeit, ökologischer Verträglichkeit sowie Regionalität auch in der Corona-Krise gewachsen ist“, so Schalkamp. Dies habe den Naturkosmetik-Markt nicht nur im vergangenen Jahr weiter wachsen lassen, dieser Trend werde sich auch in Zukunft so fortsetzen, ist er sich sicher. „Die Nachfrage nach zertifizierter Naturkosmetik, die all die oben genannten Attribute erfüllt, ist vorhanden und wird sich weiter nach oben entwickeln. Das sehen wir auch in der Entwicklung unserer Marktanteile.“

Veränderte Konsumgewohnheiten
Nicht nur in der Wahl der Kaufstätten, sondern auch auf Sortimentsebene zeigen sich Verwerfungen. „Durch die Covid-19-Pandemie ist die Gesichtspflege relevanter denn je geworden“, weiß Stefan Heidrich, General Manager Logocos (Marken Sante und Logona) bei L’Oréal Deutschland.

Nachdem es im Frühjahr 2020 einen regelrechten Rekord-Ansturm auf feste und flüssige Seifen gegeben hatte, sei dieser im Geschäftsjahr 2021 ausgeblieben, gibt Seifen-Spezialist Speick ein weiteres Beispiel. Trotzdem sei die Nachfrage nach Seifen auf einem hohen Niveau geblieben, sodass Speick nach eigenen Angaben auch 2021 in dieser Kategorie das Jahr 2019 übertreffen konnte. Andere Segmente wie Sonnenpflege oder Haar- und Körperpflege hätten das Absatzniveau des Vorkrisenjahres 2019 jedoch nur knapp erreichen können. „Vor allem im Bereich der Sonnenpflege war zum Beispiel zu spüren, dass viele Menschen auf Urlaub verzichten mussten und sich nicht in gleichem Maße mit Sonnenschutzprodukten eingedeckt haben“, heißt es aus Leinfelden-Echterdingen. Über alle Kategorien hinweg konnte Speick für das vergangene Jahr jedoch eine positive Bilanz ziehen und ist auf einem „guten Vorkrisenniveau“ angelangt.

Eine bessere Sichtbarkeit durch breitere Angebote haben den Markt im vergangenen Jahr weiter wachsen lassen, zugleich nimmt die Wettbewerbsintensität im Markt weiter zu. Globale Unternehmen, Pioniere und kleine Start-ups kämpfen um die knappen Regalplätze, betonte Mirja Eckert, Gründerin The New bei Vorlage des aktuellen Naturkosmetik Branchenmonitors im Februar. Eine gute Nachricht: 2021 konnten vor allem die Markenartikler Erfolge verbuchen.

Druck auf die Margen
Derzeit kämpfen diese jedoch mit neuen Herausforderungen. Anke Kaffenberger, Marketingleitung Naturkosmetik für die Dach-Region bei Weleda: „Wir sind aktuell mit höheren Kosten auf der Beschaffungs-, der Energie- und der Produktionsseite konfrontiert.“ Diese Kostensteigerungen seien vielfältig und wirkten sich unterschiedlich auf die Produktbereiche aus. „Wir sind deshalb regelmäßig gefordert, unsere Wertschöpfungskette zu optimieren, um unsere Preise stabil zu halten“, so die Managerin.

Nachhaltiges Wirtschaften ist Teil der Unternehmensphilosophie von Weleda, so haben sich die Schweizer bewusst dafür entschieden, unabhängig von der derzeitigen Kostendynamik nicht nur Bio-Rohstoffe (derzeit rund 80 Prozent der pflanzlichen Rohstoffe) zu verwenden, sondern den Anteil an dem strengeren biodynamischen Standard weiter auszubauen und mittelfristig auf 40 Prozent zu erhöhen. Diese Entscheidung stellt einen Teil des Engagements für gesunde Böden dar. „Gesunde Böden sind nicht nur der wichtigste Kohlenstoffspeicher, den wir haben, sie sind auch ein Hotspot des Lebens. Eine Handvoll Boden enthält ungefähr so viele Lebewesen wie Menschen auf der Erde“, erklärt Kaffenberger. Weleda will Kunden mit der diesjährigen Marken-Kampagne „Schütze die Haut der Erde“ von Mitte März bis Ende Juni rund um das Problem des Verlusts fruchtbarer Böden sensibilisieren. Seit 2022 investiert Weleda jährlich ein zusätzliches Prozent des weltweiten Umsatzes in nachhaltige Initiativen, wovon dieses Jahr mit 250.000 Euro gesunde Böden unterstützt werden. Ein Fünftel des Betrages geht in den DACH-Raum. „Für jeweils 5 Cent wird ein Quadratmeter biologisch bewirtschaftete Ackerfläche ermöglicht, sodass Weleda 2022 in der Region DACH 1 Million Quadratmeter gesunde Böden fördert.“

Ein besonderer Fokus der Branche liegt auf dem Bereich Verpackungen. Speick arbeitet nach eigenen Angaben schon immer kontinuierlich daran, seine Produkte und Packmittel so nachhaltig wie möglich zu konzipieren. Dazu gehöre auch, vorhandene Packmittel ständig zu überprüfen und nach noch nachhaltigeren Optionen zu suchen. „Nachdem wir unsere Tuben sukzessive auf Bio-PE umgestellt haben, sind wir nun dabei, erste Packmittel wie unsere Flüssigseifenspender oder unsere Stifthülsen bei der Lippenpflege auf recycelte Kunststoffe umzustellen“, erklärt der Hersteller. Im Austausch mit den Lieferanten und Partnern werden neue Optionen für die Verpackung der Produkte geprüft, die den strengen Sicherheits- und Hygienekriterien für die zertifizierte Naturkosmetik gerecht werden.

Verpackungen werden grüner
„Bei allem, was wir produzieren, versuchen wir noch nachhaltiger als ohnehin schon zu handeln. So stellen wir zum Beispiel alle Packmittel auf nachhaltige Alternativen um“, erläutert Lavera-Manager Schalkamp. Ein konkretes Beispiel sind Tiegel in der Gesichtspflege, die von Kunststoff nach und nach auf Glas umgestellt werden. Ein weiterer Schwerpunkt sei der gänzliche Verzicht auf Kunststoff-Packmittel, wo immer dies möglich sei. So wurden feste Produkte für die Segmente Dusche und Haar eingeführt, die komplett auf Kunststoffverpackungen verzichten. Im Rahmen des Relaunches der Duschprodukte werden zusätzlich Nachfüllbeutel eingeführt, die den Anteil der Kunststoffe reduzieren, kündigt Schalkamp an.

Als dritte Maßnahme setze Lavera in kunststoffhaltigen Packmitteln den nach eigenen Angaben höchstmöglichen Anteil an Rezyklaten ein und stelle gleichzeitig die größtmögliche Recyclingfähigkeit sicher. So werden die neuen flüssigen Duschprodukte in einer 100-Prozent-Rezyklat-Verpackung angeboten. Beim Thema Verpackung sei man allerdings auch auf die Innovationskraft der Verpackungsindustrie angewiesen. „Die Nachhaltigkeit und die Qualität der Packmittel ist vor allem bei Naturkosmetik entscheidend für die natürliche Konservierung und für eine möglichst umweltschonende Verwendung – da müssen alle Parameter stimmen“, betont der Lavera-Manager.

Wasserschutzmaßnahmen
Auch Weleda arbeitet weiterhin mit Hochdruck daran, Produkte und Verpackungen so nachhaltig wie möglich anzubieten. Dabei achten die Schweizer auf einen hohen Anteil an recyceltem Kunststoff oder Glas, auf wasserfreie Formate oder Unverpackt-Konzepte. Bei der Rezeptur von Kosmetikprodukten zur Gesichts- und Körperreinigung „ist die biologische Abbaubarkeit von höchster Bedeutung, da sie beim Abwaschen direkt in unser Abwasser gelangen und später – nach der Kläranlage – zurück in den natürlichen Lebenszyklus der Natur fließen“, verdeutlicht Kaffenberger. Nachhaltig sei auch ein reduzierter Einsatz von Wasser bei der Erzeugung von Produkten. Im Sommer 2022 bringt Weleda vegane feste Duschen mit biologisch abbaubarer Formulierung in vier Duftkompositionen auf den Markt. Die Kartonverpackung wird einen Recyclinganteil von mindestens 55 Prozent haben und zudem frei von Plastik sein.

Wachstumspotenziale
„Im Trend sind definitiv neue Anwendungsformen wie feste Pflegen oder Nachfüllpacks“, weiß man auch beim Düsseldorfer Henkel-Konzern. Dieser bietet beispielsweise unter der Marke Nature Box Naturkosmetikprodukte an. Grundsätzlich schauten Konsumenten heute immer stärker auf die Inhaltsstoffe der Produkte und kauften verantwortungsbewusster ein. So sei einer aktuellen Puls-Befragung zufolge Nachhaltigkeit das Nr.-1-Kaufkriterium für Kunden der Marke Nature Box im Alter von 20 bis 45 Jahren (Quelle: Kantar September 2021). Das spiegelt sich nach Angaben der Düsseldorfer auch in der positiven Entwicklung der Marke im Vergleich zum Vorjahr wider. In der Kommunikation sollen Nachhaltigkeitsaspekte daher noch stärker in den Fokus gerückt werden, auch hinsichtlich der Verpackungen. So bestehen alle Nature-Box-Flaschenkörper seit Oktober 2021 zu 100 Prozent aus sogenanntem Social Plastic aus der Partnerschaft mit dem Sozialunternehmen Plastic Bank.

Die Marke i+m Berlin sieht in folgenden Trends Chancen für Wachstum im Segment der Naturkosmetik:
Wirkstoffe wie Vitamin C, AHA und BHA (Säuren für Peeling-Effekte) sowie Bakuchiol – ein Pflanzenextrakt, der aus den Samen und Blättern der Psoralea-corylifolia-Pflanze gewonnen wird und die Erscheinung von Fältchen mindern soll. Darüber hinaus sieht Marketingleiterin Beate Kroissenbrunner Potenzial im Trend zu minimalistischer Pflege, auch Clean Beauty genannt.

Lavera-Marketingchef Schalkamp erwartet, „dass effektive und unkomplizierte Produkte, die sich auf der Haut gut anfühlen und wirken, Marktanteile gewinnen“. Aus Sicht der Kunden sollten Inhaltsstoffe und Verpackungen zudem einen ökologisch vertretbaren Fußabdruck haben, meint er. Dabei achteten vor allem die jüngeren Konsumenten der Generationen Y und Z ganz besonders auf Schlagworte wie „vegan, tierversuchsfrei und natürlich“ und entschieden sich für einen bewussten Konsum, der möglichst wenig Auswirkungen auf die eigene Gesundheit und die Umwelt hat.

Grüne Kosmetik treibt den Gesamtmarkt

Mehr Bundesbürger entdecken zertifizierte Naturkosmetik für sich. 2021 gewann das Segment laut dem GfK Consumer Panel 1,6 Millionen zusätzliche Kunden. Damit entscheidet sich jeder dritte Kosmetikkunde in Deutschland für Naturkosmetik. Mit Blick auf den Gesamtmarkt für Kosmetik erwies sich das grüne Segment als das einzige mit positiver Entwicklung (plus 1,8 Prozent.). Einen bedeutenden Anteil an der Entwicklung haben die großen Kosmetikkonzerne, die in den vergangenen Jahren in den Bereich eingestiegen sind, beobachtet Mirja Eckert, Gründerin The New und Herausgeberin des Naturkosmetik Branchenmonitors. Die Drogeriemärkte als Haupteinkaufsstätte konnten wieder Marktanteile zurückgewinnen – zulasten der Verbrauchermärkte, Discounter und des Fachhandels.

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