Weleda Die Klimawirkung des Geldes

Weleda zählt zu den Pionieren in der Naturkosmetik. Der Hersteller will eine positive Wirkung auf Umwelt und Gesellschaft ausüben. Dr. Stefan Siemer (Bild), Leiter Nachhaltigkeitsmanagement, erklärt, warum es wichtig ist, auch den Klimafußabdruck der Unternehmensfinanzen in den Fokus zu nehmen.

Montag, 04. Oktober 2021 - Drogerieartikel
Bettina Röttig
Artikelbild Die Klimawirkung des Geldes
Bildquelle: Weleda

Weleda wird in Deutschland nach Umfragen von Facit Research als nachhaltigste Kosmetikmarke wahrgenommen: Worauf führen Sie diesen Erfolg maßgeblich zurück?
Dr. Stefan Siemer: Wenn eine Marke wie Weleda 100 Jahre überlebt hat, hat sie zunächst einmal schon den Beweis geliefert, dass ihr Konzept und das Produktportfolio funktionieren. Auch wird sicher gesehen, dass Weleda sich als Unternehmen stets treu geblieben ist und unser Nachhaltigkeitsengagement authentisch ist. Jeder Impuls zu ökologischen und sozialen Verbesserungen in Lieferketten, Herstellung und hinsichtlich der Qualität der Produkte kommt aus den Teams heraus. Sie fordern mich als Leiter des Nachhaltigkeitsmanagements jeden Tag aufs Neue – eine großartige Basis. Was man heute modern als „Social Entrepreneurship“ bezeichnet, war von jeher das Leitmotiv von Weleda. Ein Großteil unserer Rohstoffe ist biozertifiziert, zudem unterstützen wir die Umstellung auf biodynamischen Anbau, der die Bodengesundheit noch stärker fördert. Somit passt die Traditionsmarke mehr denn je zum Zeitgeist. Und last, but not least: Die Produktqualität muss natürlich immer wieder überzeugen, sonst nützt auch die beste Nachhaltigkeit nichts.

Über welche Nachhaltigkeitsthemen erreichen Sie Verbraucher aktuell am besten?
Was uns zuletzt in der Wahrnehmung beim Verbraucher geholfen hat, ist das Unverpackt-Projekt mit Alnatura. Hierauf haben wir eine unfassbar positive Resonanz seitens der Konsumenten sowie Medien erhalten. Ein abfallfreies Kosmetikgeschäft ist ein Zielbild für Konsumenten. Es geht nicht nur um eingesparte Verpackungen und Plastik, sondern insgesamt um Zero Waste und damit um zirkuläres Wirtschaften. Im Moment denken wir viel darüber nach, wie wir dieses Ziel über die gesamte Produktpalette, also auch für hochwertige Gesichtscremes, realisieren können. Daran müssen wir genauso wie die ganze Branche noch viel arbeiten. Ein zweites Thema, das Kunden und Handelspartner goutieren, ist unser Klimaschutz-Engagement.

Sie bringen die ersten klimaneutralen Produkte auf den Markt. Wie ist Ihr Ansatz dabei?
Bis 2022 werden alle Produkte weltweit rechnerisch klimaneutral sein. Hierfür werden wir jährlich rund 100.000 Tonnen CO2-Äquivalente ausgleichen, die im Unternehmen, für Rohstoffe, Verpackungen, Werbematerialien etc. anfallen. Bis 2025 wollen wir das Klima jährlich um 350.000 Tonnen CO2 entlastet haben. Der Ausgleich erfolgt über Effizienzverbesserungen, Maßnahmen in den eigenen landwirtschaftlichen Lieferketten, durch die Verwendung erneuerbarer Energien und vieles mehr. Bei unserer Bilanz sind wir sehr umfassend, wir zeigen auch die CO2-Emissionen, die durch die Nutzung und Entsorgung unserer Produkte durch Konsumenten entstehen.

Wie groß ist der Anteil der CO2-Emissionen, der durch die Nutzung Ihrer Produkte durch die Konsumenten verursacht wird?
Rund 58 Prozent des CO2-Fußabdrucks unserer Produkte entfallen auf deren Nutzung. Der Energieaufwand für das Erwärmen von Wasser für die tägliche Dusche oder das Vollbad ist beim Verwender groß und entsprechend auch die Klimawirkung unserer Bad- und Duschpflege-Produkte. Mir ist es aber wichtig, dass wir diese Zahlen anders betrachten und positive Nachrichten erzeugen in der meist negativen Klimadebatte. Zu oft wird der Konsument nur als Erzeuger von Klimagasemissionen und damit als Schädling gesehen. Dabei liegt eine enorme Chance darin, acht Milliarden Menschen als Nützlinge zu begreifen, die aktiv zum Klimaschutz beitragen können.

Dann geht es maßgeblich darum, Verbraucher zu sensibilisieren?
Eine Umerziehung von erwachsenen Menschen funktioniert eher selten und wäre auch nicht unsere Aufgabe. Aber wir können Konsumenten ausreichend Informationen an die Hand geben, um eine bessere Wahl zu treffen. Und wir können und wollen Produkte und Angebote schaffen, die nachhaltiger sind und zugleich attraktiv. Daran arbeiten wir in vielen Bereichen. Wenn es uns zum Beispiel gelingt, die Restentleerbarkeit der Flaschen und Tuben weiter zu verbessern, hat dies auch eine klimaschonende Wirkung.

Sie durchlaufen die „B-Corp“-Zertifizierung. Was bringt Ihnen diese?
„B-Corp“ fordert eine konsequente Ausrichtung des gesamten Unternehmens an einer nachweisbar positiven Wirkung für Gemeinwohl, Mensch und Natur. Genau dies entspricht unserem Selbstverständnis und wurde nun in den Unternehmensstatuten verankert. Wir haben uns nicht für die Zertifizierung entschieden, um einen Benefit in der Kundenkommunikation zu erzielen, sondern um unser Ziel systematischer zu verfolgen.

Was wurde durch den Zertifizierungsprozess unternehmensintern an Verbesserungen angestoßen?
Wir sind sehr gut im Tun, waren bisher jedoch noch nicht genauso gut im Reporting all unserer Nachhaltigkeitsmaßnahmen. Der Auditierungsprozess sorgt zuerst für mehr interne Transparenz unserer globalen Aktivitäten. Dass honoriert wird, wenn man sich verletzlich macht und sich sozusagen „nackt“ zeigt, ist eine positive Erfahrung und ein Schritt zu noch tiefergehenden Analysen und Maßnahmen. Aktuell befinden wir uns auf der Zielgeraden der ersten vollständigen Zertifizierung aller weltweiten Unternehmensbereiche. Wir wissen noch nicht, welchen Score wir am Ende erreichen, haben aber schon beschlossen, diesen stetig weiter zu verbessern. Somit haben wir intern noch eine zusätzliche Motivation geschaffen. Auch haben sich die Diskussionen innerhalb der Weleda AG durch die Verankerung unserer Mission in den Unternehmensstatuten auf allen Ebenen verändert: In der aktuellen Unternehmensstrategie ist jetzt zum Beispiel „We Act Impact Positive“ als verbindliches Ziel beschlossen und mit konkreten Zielen für Klimaschutz und Biodiversität hinterlegt und budgetiert.

Sozialstandards in Lieferketten und die respektvolle Beschaffung von Rohstoffen standen bei Weleda schon früh auf der Agenda. Welche Verbesserungen wurden entlang der Lieferketten erzielt?
Unsere landwirtschaftlichen Lieferketten und unsere Rohstoffe sind das Herzstück unserer Nachhaltigkeit. Im Jahr 2018 wurde Weleda als eines der ersten Unternehmen weltweit von der Union of Ethical Biotrade (UEBT) mit dem Label „Sourcing with Respect“ zertifiziert. Das Label garantiert, dass die Biodiversität erhalten wird und wir alle Beteiligten in den Lieferketten gerecht behandeln und fair bezahlen. Wir haben bereits an vielen Stellen eine positive Wirkung erzielt. Auch möchten wir unsere Agrarlieferkette nutzen, um mehr für den Klimaschutz zu tun. Gute Voraussetzung hierfür sind langfristige Verträge und Partnerschaften. Wir unterstützen unsere Lieferanten bei vielen Projekten wie der Umstellung auf Solarenergie.

Wo haben Sie Handlungsbedarf und Potenzial definiert, um Weleda als Unternehmen und Marke noch nachhaltiger auszurichten?
Für mich als Nachhaltigkeitsmanager muss das Glas immer halb leer sein: Ich sehe in allen Bereichen stets Möglichkeiten zu Verbesserungen. Ein großer Hebel ist der Bereich der Finanzen. Worein von uns gezahlte Steuern, Löhne und Gehälter, aber auch Geldanlagen fließen, hat beispielsweise eine deutlich höhere Klimawirkung als die Herstellung unserer Produkte. Wir werden darum noch stärker die Finanzen in den Fokus nehmen. Zudem haben wir ein Pilotprojekt mithilfe der App Codyo gestartet, um beispielsweise den Financial Carbon Footprint unserer Mitarbeiter besser erfassen zu können. Viele tracken freiwillig und anonym ihren eigenen Klimafußabdruck für Wohnen, Ernährung, Mobilität. Über die App können sie auch Handlungsempfehlungen für einen nachhaltigeren Lebensstil erhalten. Wir unterstützen sie, indem wir mobiles Arbeiten fördern, um Fahrstrecken unserer Mitarbeiter ins Büro zu reduzieren, und bieten in unserer Kantine an vier von fünf Wochentagen ausschließlich vegetarisches Essen an.

Ab 2022 wird Weleda 1 Prozent des weltweiten Bruttoumsatzes, aktuell mehr als 4 Millionen Euro, in Klima- und Umweltschutz investieren. In welche Maßnahmen fließt diese Summe?
Wir sind noch dabei zu entscheiden, in welche konkreten Maßnahmen die Investition fließt. Klar ist jedoch bereits, dass mehr als die Hälfte des Budgets in Klimaschutzmaßnahmen und der größte Rest in Maßnahmen zur Steigerung von Biodiversität und Bodengesundheit gehen wird.

Mit welchen Herausforderungen beschäftigen Sie sich derzeit noch?
Wenn wir einen nennenswerten positiven Impact generieren wollen, brauchen wir Unterstützung. Alleine können Unternehmen die großen Aufgaben nicht lösen, daher suchen wir stärker nach Kooperationen und Kollaborationen. Ein Beispiel hierfür ist eine Zusammenarbeit mit der gemeinnützigen Berliner Plattform Project.Together, mit der wir im Mai eine digitale Dialogserie gestartet haben. Im Rahmen der „Living Soil Journey“ sprechen internationale Vordenker und Praktiker aus dem Bereich Nachhaltigkeit über regenerative Landwirtschaft, faire Lieferketten, die wahren Kosten von Gütern, Grünes Geld und andere Zukunftsthemen. Dieses Projekt mündet im Sommer 2022 im „Living Soil Camp“, einem echten physischen Camp im Weleda-Garten in Schwäbisch Gmünd. Mit der Gemeinde Schwäbisch-Gmünd haben wir eine Bildungsinitiative namens Mundi gegründet. Hier sollen Bildungsarbeit zu Nachhaltigkeitsthemen geleistet und Netzwerke gefördert werden.

Inwiefern kooperieren Sie mit dem Handel, um Ihre höheren Nachhaltigkeitsziele zu erreichen?
Mit unseren Handelspartnern möchten wir in den kommenden Jahren enger zusammenarbeiten, um gemeinsam nachhaltiger zu wirtschaften, aber auch Kooperationen mit Wettbewerbern wünschen wir uns. Das ist wirklich ein Paradigmenwechsel, denn für Unternehmen ist es gar nicht so leicht, etwas Kontrolle abzugeben und aus freien Stücken Kompromisse einzugehen.

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