Lockdowns und Homeoffice haben die Nachfrage nach Beauty-Produkten verändert. Verändern sich auch bei Mitarbeitern eines Beauty-Konzerns wie L’Oréal die Gewohnheiten oder bilden sie eine Ausnahme?
Anna Weste: Auch die Mitarbeiter von L‘Oréal gehen weniger zum Sport, ins Restaurant oder auf Partys. Aber wahrscheinlich schminken sie sich auch im Home-Office und für Video-Konferenzen mehr als der Landesdurchschnitt, weil sie vielleicht eine größere Passion für Beauty-Routinen und in vielen Fällen wahrscheinlich auch eine größere Produktauswahl haben.
Eva Leihener-Stefan: Bei Logocos verfügen wir über eine eigene Produktentwicklung und haben unsere Neuheiten in den Bereichen Make-up, Haarpflege, Gesichtspflege etc. auch in Corona-Zeiten selbst fleißig getestet. So gab es zum Beispiel Online-Schmink-Sessions, die in Zeiten der Kontaktbeschränkungen Freude und Abwechslung in den Alltag gebracht haben.
2020 hat der L’Oréal Konzern coronabedingt weltweit ein Umsatzminus von gut 6 Prozent hinnehmen müssen. Auch die Pflegegewohnheiten der Deutschen haben sich verändert. Was bedeutet dies für die Marken der Division Consumer Products, Frau Weste?
Weste: Der Beauty-Markt hat sich im vergangenen Jahr fundamental verändert. Die Kategorien Make-up und Haarstyling haben gelitten, weil die Anlässe, sich zu schminken und zu stylen fehlten. Die Haut- und Körperpflege-Segmente haben jedoch profitiert vom Verbrauchertrend, sich selbst etwas Gutes tun zu wollen. Die Verwendung von Tuchmasken nahm zu, Bade- und Pflegerituale wurden intensiviert, was neue Chancen eröffnet. Ein sehr dynamisches Wachstum erfuhr der Bereich der Heim-Colorationen. Der Haaransatz wächst auch, wenn Friseursalons geschlossen sind. Wir konnten beweisen, wie einfach es ist, das Haar zu Hause zu colorieren und dass das Farbergebnis überzeugend ist. Wir hoffen, dass wir diese Kunden auch dauerhaft gewinnen können und wir sind überzeugt, dass sowohl die Lebensfreude als auch der Make-up-Konsum zurückkommen wird.
Nachhaltigkeit insgesamt hat einen weiteren Aufschwung erlebt. Inwiefern haben die Naturkosmetikmarken von Logocos profitiert?
Leihener-Stefan: Der bewusstere Konsum lässt den Naturkosmetikmarkt wachsen, davon profitieren auch die Logocos-Marken. Zudem können wir sehen, dass die Maßnahmen, die wir seit der Übernahme durch L’Oréal in den vergangenen rund 30 Monaten eingeleitet haben, ihre Wirkung zeigen. Insbesondere die Relaunches von Logona und Sante, die konsumentenorientiertere Ansprache sowie Produktinnovationen haben die Marken nach vorne gebracht. Wir haben für die Marke Sante, die sowohl im Bio-Fachhandel, als auch im konventionellen Lebensmittelhandel und in Drogeriemärkten erhältlich ist, insgesamt ein starkes Wachstum von 13,4 Prozent erzielt.
Wie ist für Sante aktuell die Gewichtung der Vertriebsschienen?
Leihener-Stefan: Das Verhältnis Bio-Fachhandel zum Bereich LEH und Drogeriehandel war bisher immer 50:50. Aktuell verändert sich das Verhältnis zu Gunsten des konventionellen Handels.
Das Angebot an Naturkosmetik wird in Drogeriemärkten und im LEH breiter, der Wettbewerb für Sante größer. Worauf ist das Wachstum hier primär zurückzuführen?
Leihener-Stefan: Auf den Distributionsausbau und die Qualität unserer Produkte. Die Positionierung der Marke sorgt für eine hohe Nachfrage. Sante ist unsere Marke für die junge Bio-Generation. Sie trifft mit dem Claim „Care for you and the World“ den aktuellen Zeitgeist. Punkten konnte die Marke 2020 mit Haarpflege, neuen Gesichtspflegeserien, ebenso Handpflege. Im zweiten Halbjahr 2020 stieß die neu aufgelegte Linie der dekorativen Kosmetik auf große Resonanz.
Wo sieht L‘Oréal Veränderungen im Verbraucherverhalten auf Produktebene, die Handel und Hersteller länger begleiten werden?
Weste: Die Megatrends „Gesundheit“, „Wellness“ und „Nachhaltigkeit“ prägen den Markt langfristig. Sich etwas Gutes zu tun ist in der konventionellen Kosmetik wie in der Naturkosmetik gleichermaßen Treiber. Unsere Käufer interessieren sich sehr stark für natürliche Inhaltsstoffe, Produkte, die eine naturnahe oder eine zertifizierte Naturkosmetik-Positionierung haben. Wir beobachten auch eine Professionalisierung des Gesichtspflegerituals. Verbraucher bauen mehr Pflegeschritte ein, um deutlichere Effekte zu erzielen, zum Beispiel Seren und Tuchmasken. Das sogenannte Layering, das Auftragen verschiedener Gesichtspflegeprodukte übereinander, wird beliebter. Darüber hinaus sehen wir ein großes Interesse der Verbraucher am Thema nachhaltige Verpackungen. Hierauf legen wir einen großen Fokus. 2021 werden wir unser gesamtes Haarpflege-Portfolio auf Flaschen auf Basis von rPET umgestellt haben. Bei Logocos ist dies schon der Fall. Ein Beispiel aus unserer Forschung und Entwicklung in Paris ist eine Papiertube, die unter der Marke Garnier Bio im vergangenen Jahr auf den deutschen Markt gekommen ist.
Nachhaltigere Verpackungen waren für Logocos ein wichtiges Ziel. Was wurde hier erreicht, Frau Leihener-Stefan?
Leihener-Stefan: Für Logocos hat sich gerade im Packaging-Bereich unheimlich viel getan. Zu meinem Start bei Logocos war ich sehr überrascht, dass es bei diesem Thema einen großen Nachholbedarf gab. Wie Anna Weste sagte, sind wir mit der Umstellung auf rPET-Flaschen im Haarpflege-Sortiment schon sehr weit. Die nachhaltigen Shampoo-Flaschen haben wir aus der Logocos heraus selbst gestemmt. Das gilt auch für den Verzicht auf Silberfolierungen und die Umstellung auf recycelbare Etiketten und nachhaltige Klebematerialien. Aber wir haben noch viel Arbeit vor uns. Dabei hilft uns L’Oréal. Wir können auf ein Team von 300 Mitarbeitern zurückgreifen, die in Paris jeden Tag an der Entwicklung kreativer, nachhaltiger Verpackungslösungen arbeiten. Auch haben wir im Einkauf von nachhaltigen Verpackungsmaterialien, deren Preise steigen, gemeinsam eine stärkere Verhandlungsposition.
Was sind darüber hinaus die wichtigsten Errungenschaften für Logocos seit Übernahme durch L’Oréal?
Leihener-Stefan: Wir haben in den vergangenen zweieinhalb Jahren die Marken geschärft und konsumentenorientierter ausgerichtet und haben mit Innovationen Markenwachstum geniert. Wir haben investiert in die Sicherheit und Qualität am Standort, aber auch in die Produktion. Diese haben wir allein im letzten Jahr um 30 Prozent steigern können. Auch in die CO2-Neutralität und die Biodiversität am Standort haben wir investiert. Was mich besonders stolz macht, sind die Logocos-Mitarbeiter, von denen ich sehr viel gelernt habe und die sie sehr offen waren für Neues. Das beginnt bei der Digitalisierung, über papierloses Arbeiten bis zu einer neuen Datenorientierung.
Sie haben nun die Leitung von Logocos abgegeben. Welche To-dos haben Sie Ihrem Nachfolger auf den Weg gegeben?
Leihener-Stefan: Aus meiner Sicht gilt es vor allem den Nachhaltigkeitsfahrplan weiter voran zu bringen. Die Marken sollen nicht nur von innen, sondern auch von außen grün sein. Beim nachhaltigen Packaging haben wir aufgeholt, es gibt aber noch viel zu tun. Konsumentenwünsche noch stärker zu antizipieren und mit Innovationen zu überraschen – das wird ebenfalls eine der wichtigen Aufgaben sein, und das kann L’Oréal. L’Oréal kann Marken ausbauen, versteht Konsumenten. Ziel ist es, mit vereinten Kräften dafür zu sorgen, dass sich die Logocos-Marken wieder als Pioniermarken bezeichnen können.
Logocos wird als eigenständige Business Unit in die Consumer Products Division von L’Oréal Deutschland integriert. Was bedeutet dieser Schritt?
Weste: L’Oréal ist bekannt dafür, Marken ihren Wurzeln gerecht groß zu machen. Genau diese Aufgabe haben wir nun für die Logocos-Marken. Nachdem es nach der Übernahme zunächst darum ging, die Firmenhistorie und den Kern der Logocos zu begreifen, wollen wir im nächsten Schritt die Konsumenten noch besser verstehen und die L’Oréal-Kompetenz so nutzen, dass wir den Charakter der Marken bewahren, diese aber zudem mit viel Power aufladen und weiter wachsen lassen. Darin ist unser Team der Konsumgütersparte erfahren. Im neuen Geschäftsbereich wird ein Fokus darauf liegen, die Distribution für die Marke Sante im konventionellen Handel auszubauen. Hier können wir nun mit konventioneller Kosmetik und zertifizierter Naturkosmetik eine andere Kategorie-Kompetenz in den klassischen Handel bringen, hauptsächlich für die Bereiche Haut-, Haarpflege und Make-up.
Was ändert sich konkret durch die Umstrukturierung?
Leihener-Stefan: Wir haben die Aktivitäten unterteilt in den operativen Teil, zu dem die Logocos-Fabrik in Salzhemmendorf gehört, und in einen Business-Teil mit Vertrieb und Marketing. Die neue Geschäftseinheit Logocos ist zum 1. Februar in Düsseldorf eingezogen. Das Büro in Hannover wurde geschlossen.
Weste: Die Business Unit Logocos, geleitet von Stefan Heidrich, wird eigenständig unter der Division Consumer Products geführt. Die Geschäftseinheit setzt sich zusammen aus langjährigen Logocos-Mitarbeitern, erfahrenen L’Oréal-Mitarbeitern und ganz neuen Gesichtern. Das Marketingteam der Logocos wird in Düsseldorf unter anderem die eigene Produktentwicklung vorantreiben. L’Oréal hat die L’Oréal hat fundiertes Konsumentenwissen und vielfältige Möglichkeiten neue Bedürfnisse zu erforschen, somit können wir diese Stärke für die Entwicklung von Innovationen für Logocos nutzen. Auch die Marken-Aktivierung fällt in das Aufgabengebiet des Marketings. Das Vertriebsteam teilt sich auf in ein Expertenteam für den Bio-Fachhandel und mein klassisches Vertriebsteam, das im guten Austausch mit unseren bestehenden Partnern im konventionellen Lebensmittelhandel und Drogeriesegment ist.
Was hat sich noch verändert?
Leihener-Stefan: Eine weitere große Veränderung war der Umzug des Versands von Salzhemmendorf in das neue große Versandzentrum in Muggensturm. So können wir Synergien nutzen, um Transportkosten einzusparen, wir können gleiche Kunden gemeinsam gut abdecken, und uns professionalisieren. Diese Maßnahme hat uns Platz und Kapazitäten in Salzhemmendorf geschaffen. So ist es möglich, die Produktion auf der Kräuterwiese weiter auszubauen, um beispielsweise auch die Zahnpasta intern produzieren zu können. Ab Ende März, Anfang April sollen die ersten Zahnpasta-Tuben vom Band laufen.
Synergien bedeuten oft auch Rationalisierungsmaßnahmen. Wurden im Zuge der Neustrukturierung Stellen gestrichen?
Leihener-Stefan: Es gab viele Verlagerungen von Arbeitsplätzen. Viele Mitarbeiter sind aus Salzhemmendorf mitgekommen nach Düsseldorf, andere nach Muggensturm bei Karlsruhe. Es sind auch Mitarbeiter unseres Eigenmarkengeschäftes Bio Cosmetics International von Hannover zurückgekehrt auf die Kräuterwiese, um die strategische Anbindung an unsere Forschung und Entwicklung zu haben. Generell haben wir allen von Arbeitsplatzverlagerungen betroffenen Mitarbeitern Stellen angeboten. Einige konnten aus persönlichen Gründen nicht umziehen. Diesen haben wir entweder Altersteilzeitangebote gemacht oder sehr gute Abfindungsangebote gemacht.
Wo profitiert L’Oréal von Synergieeffekten durch die stärkere Integration von Logocos?
Weste: Unsere Marken haben alle den Anspruch, sich nachhaltiger aufzustellen, das ist die Zukunft. Zudem gibt es bei der Logocos ein ganz besonderes Wissen über Inhaltsstoffe und Formulierungen. Somit haben wir zum einen die Marketingteams eng vernetzt. Wir sind gerade dabei, ein neues Team aufzusetzen, das sich mit dem Bio-interessierten Konsumenten beschäftigt, der über alle Kategorien und Marken hinweg aktiv ist. Die Logocos-Teams werden mit den klassischen L’Oréal-Teams zusammenarbeiten, über Themen wie vegane Inhaltsstoffe diskutieren. Ein Trendinhaltsstoff ist aktuell Hanf, wie in Garnier Bio eingesetzt. Hierzu gibt es viel Transferwissen. Das F+E-Team der Logocos ist zudem sehr stark vernetzt mit der Pariser Entwicklungsabteilung. Es gibt einen sehr regen Austausch zu neuen Formulierungen und Inhaltsstoffen, nachhaltigem Packaging etc. So können wir von Deutschland aus nun auch einen guten Einfluss nehmen auf das internationale Portfolio, vielleicht auch der globalen Marken.
Gibt es konkrete Beispiele für Produkte anderer L’Oréal Marken, die bereits durch den Input der Logocos kreiert wurden?
Leihener-Stefan: Wir haben gerade erfahren, dass eine Marke im Luxus-Segment unseren Sante Concealer einführen wird. Auch unsere festen Shampoos werden übernommen.
Weste: Lokale französische Marken wie La Provencale Bio entwickeln aktuell Make-up-Linien. Hier erfolgt auch ein intensiver operativer Austausch mit Logocos.
Zur Person
Anna Weste ist seit Mai 2019 Geschäftsführerin der Division Consumer Products bei L’Oréal Deutschland. Der Posten wurde aufgrund der strategischen Bedeutung der Division sowie der Integration des Naturkosmetik-Herstellers Logocos neu geschaffen. Bevor sie in ihr Heimatland zurückkehrte, war Weste General Manager des Geschäftsbereichs Consumer Products für L’Oréal Japan. Vor ihrer Tätigkeit in Japan war sie für die Marke L’Oréal Paris in Deutschland verantwortlich, davor sammelte sie Erfahrungen in der Konzernzentrale von L’Oréal als internationale Marketingleiterin für die Marke Maybelline New York.
Eva Leihener-Stefan startete ihre Karriere bei L‘Oréal vor rund 21 Jahren im Marketing von L’Oréal Paris. Nach führenden Positionen im internationalen Marketing, darunter Australien, wurde sie 2015 Geschäftsleiterin von L’Oréal Paris in Deutschland. Seit 15. November 2018 verantwortet sie als Vorstandsvorsitzende der Logocos Naturkosmetik AG die Integration des Naturkosmetik-Pioniers in den L‘Oréal-Konzern. Zum 1. März 2021 hat sie die Verantwortung für das operative Geschäft an Stefan Heidrich übergeben, der in der neu geschaffenen Funktion als Business Unit General Manager an Anna Weste berichtet.
Der Naturkosmetik-Hersteller Logocos wurde 1978 in Hannover gegründet. Logocos produziert die Marken Logona, Sante und Heliotrop sowie Handelsmarken. Im August 2018 übernahm L’Oréal Deutschland das Unternehmen.