Plötzlich Chefin Wie Laura Opferkuch den Süßwarenhersteller Hosta transformiert

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Fünf Jahre steht Laura Opferkuch an der Spitze von Süßwarenhersteller Hosta. Ein Gespräch über Dankbarkeit, die neue Führungskultur und Geschmack.

Montag, 28. Oktober 2024, 07:00 Uhr
Susanne Klopsch
Laura Opferkuch hatte 2019 gerade die letzten Prüfungen für das zweite juristische Examen abgelegt, als ihr Vater Hermann plötzlich starb. Sie musste sich entscheiden. Das Familienunternehmen Hosta übernehmen oder nicht? 
Juristische Karriere oder 
Unternehmerin? Sie entschied sich für Hosta. Sprang ins kalte Wasser und schwamm los: „Es war eine Herausforderung, aber ich habe mich durchge­kämpft“, sagt die 34-jährige CEO heute. Bildquelle: Herzblutfotografie

War Ihnen von Anfang an klar, dass Sie nach dem Tod Ihres Vaters in die Geschäftsführung einsteigen würden oder vielleicht sogar müssen?
Laura Opferkuch: Mein Vater hat mich nie unter Druck gesetzt, das Unternehmen zu übernehmen. Aber es war irgendwie vorbestimmt, der Weg war geebnet. Schon als Kind hat er mich zu jedem Treffen mitge­nom­men. Mit drei oder vier Jahren war ich das erste Mal in Ghana bei der Kakaoernte dabei.

Sie haben nie daran gedacht, zu verkaufen?
Dieser Gedanke kam für mich nie in Frage. 2019 hatten viele Mitarbeiter Angst: Sie kannten mich nicht wirklich und dachten, ich würde vielleicht alles verkaufen und als Rechtsanwältin arbeiten. Aber das war für mich nie eine Option. Ich bin meinen Mitarbeitern, meinem Opa und meinem Vater gegenüber dankbar für das, was sie in den letzten 75 Jahren aufgebaut haben. Mit welcher Leidenschaft sie das gemacht haben, das sehe ich jeden Tag. Ich hätte es nie übers Herz gebracht, das aufzugeben. Es wäre ein Verrat an mir selbst gewesen.

Aber wirklich Ahnung von Unternehmensführung hatten Sie nicht, oder?
Mir fehlten anfangs die grundlegenden Kenntnisse, wie der Vertrieb funktioniert, was der Einkauf macht und wie die Prozesse ablaufen. Ich musste es erst lernen. Ich hatte ja keine Berufserfahrung. Dabei half auch das Jurastudium: Man lernt, schnell Aufgaben zu erfassen und zu verstehen, wie alles zusammenhängt.

Jetzt stehen Sie fünf Jahre an der Spitze des Unternehmens und haben ein neues Leitbild für Hosta eingeführt: „Hostafari“. Was bedeutet das?
Als ich 2019 angefangen habe, wollte ich erst einmal verstehen, was der Kern von Hosta ist. Klar, ich kannte die Sicht meines Vaters, aber was denken die Mitarbeiter? Wie sehen sie Hosta? Um die Mitarbeiter richtig mitzunehmen, muss man ihre Sichtweise verstehen. Man kann nicht einfach sagen, „Ich sehe das so und so“ und dann stur seinen Weg gehen. „Hostafari“ steht für die Reise dieser Transformation, neue Werte zu etablieren und die Menschen mitzunehmen. Viele Mitarbeiter sind ja schon seit Jahrzehnten dabei und kennen das Unternehmen viel besser als ich. Deshalb war es mir so wichtig, beide Sichtweisen zu kombinieren. Wir hatten zwei Workshops mit Mitarbeitern aus der Produktion, dem Einkauf, also wirklich querbeet. Es war toll zu sehen, dass sich unsere Denkweisen nur in Nuancen unterschieden haben. Das hat mich sehr gefreut.

Sie wollen teamorientiert, wertschätzend und 
authentisch führen: Wie wird aus diesem Vorsatz 
tatsächlich gelebte Unternehmenskultur?
Ich bin fest davon überzeugt, dass die Etablierung dieser Werte nachhaltig die Strukturen und die Kommunikation im Unternehmen verbessert. Dadurch können Projekte effizienter gestaltet werden. Oft liegt es nämlich an der mangelnden Kommunikation, dass Dinge nicht vorwärtsgehen. Wir haben zudem viele langjährige Mitarbeiter, die einen anderen Führungsstil gewohnt sind. Diese müssen wir erst einmal mitnehmen und ermutigen, offen zu sprechen, anstatt sich nur aufzuregen.

Wie soll das gehen?
Wir führen alle zwei Wochen ein Werte-Check-in durch. Letzte Woche war zum Beispiel das Wort „authentisch“ dran. Wir stellen Fragen wie: „Wann hast du dich das letzte Mal authentisch gefühlt?“, „Wie könnte dich deine Führungskraft unterstützen, um dich noch authentischer zu fühlen?“ oder „Gab es Momente, in denen du dich nicht authentisch bei der Arbeit gefühlt hast?“. Das dient als Stimmungsbarometer und hilft den Führungskräften, Probleme zu erkennen, über die nicht offen gesprochen wird.

Das Unternehmen

Hosta wurde 1949 von 
Hermann Opferkuch gegründet, dem Großvater von Laura Opferkuch. Produziert wird in Stimpfach (Baden-Württemberg) mit 160 Mitarbeitern. Nippon und Mr. Tom sind die Kernmarken hierzulande. Zum Unternehmen gehört die Holdinggesellschaft Hosta International mit Töchtern in Großbritannien, den Niederlanden und Italien. Es gibt zudem die Mehrheitsbeteiligung an der Wawel S. A. in Polen und der Kakaoverarbeitungsfirma Wamco in Ghana.

Haben Sie weitere Beispiele?
Wir haben sogenannte „Change Guides“ eingeführt. Diese kommen aus verschiedenen Abteilungen und tragen die neuen Werte ins Unternehmen. Sie achten darauf, dass diese auch eingehalten werden und geben Feedback. Wenn jemand zum Beispiel nicht wertschätzend mit einem Kollegen spricht, wird darauf hingewiesen. Es geht darum, ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass ein einfaches „Danke“ im Alltag oft untergeht. Ich finde es wichtig, sich für die Hilfe und die Fortschritte zu bedanken und Erfolge zu feiern. Wir haben gerade den ersten Line-Extender seit Beginn von Mr. Tom, unserem Erdnussriegel herausgebracht, und ich bin unglaublich stolz darauf. Es war ein riesiges Projekt, und es ist toll, den Mitarbeitern zu sagen, dass sie großartige Arbeit geleistet haben. Das freut die Leute und zeigt, dass ihre Arbeit wertgeschätzt wird.

Wie reagieren die Mitarbeiter?
Es gibt zwei Lager: Die eine Hälfte findet es gut, die andere denkt sich: „Ich will doch einfach nur arbeiten und nicht über Werte reden.“ Aber sie verstehen immer besser, warum es wichtig ist, wie der Umgang miteinander auch ihnen selbst etwas Positives bringt. Sie freuen sich über positives Feedback. Anfangs war es natürlich etwas schwierig, aber allmählich verstehen sie es.

Die „Hostafari“ ist ein kontinuierlicher Prozess, der immer wieder nachjustiert wird?
Bis Ende des Jahres wollen wir den Change-Guide-Workshop abschließen. Die Change Guides hatten bereits ihren ersten Workshop, im nächsten Schritt kommen ich und die anderen Bereichsleiter dazu. Gemeinsam wollen wir eine „Tribal Map“ erstellen, um die nächsten Schritte für Hosta festzulegen. Wir haben eine Vision, aber jetzt geht es darum, diese auch erfolgreich umzusetzen.

Die Transformation macht auch vor der Meeting-Kultur nicht halt. Was passiert da?
Wir haben jetzt feste Meetingzeiten. Montags sind alle Meetings fix angesetzt, und donnerstags ist komplett meetingfrei. So bleibt mehr Zeit für die eigentliche Arbeit. Ich habe bei mir selbst beobachtet, dass ich bis 22 oder 23 Uhr am Computer sitze. Das geht nicht. Wenn ich das bei meinen Mitarbeitern sehe, akzeptiere ich das auch nicht. Seit wir die Regeln umgestellt haben, ist es wirklich besser geworden.

Am Ende des Tages muss Hosta wirtschaftlich erfolgreich sein. Einer muss Entscheidungen treffen. Wie passt das in diese Struktur?
Der wirtschaftliche Erfolg unseres Unternehmens und die Sicherung der Arbeitsplätze haben oberste Priorität. Gleichzeitig bin ich fest davon überzeugt, dass niemand allein die Weisheit mit Löffeln gefressen hat. Mir ist es sehr wichtig, die Meinungen und Vorschläge der Mitarbeiter zu hören und einzubeziehen. Wir diskutieren gemeinsam die Optionen und deren potenzielle Auswirkungen auf unser Geschäft. Mein Jurastudium hilft mir dabei, die verschiedenen Aspekte abzuwägen und zu beurteilen, welcher Weg am erfolgversprechendsten ist. Am Ende trage ich als Geschäftsführerin die Verantwortung für die finale Entscheidung. Wenn sich die Bereichsleiter mal nicht einig sind, treffe ich die Entscheidung, welche Richtung wir einschlagen, um sowohl wirtschaftlich erfolgreich zu bleiben als auch unsere Unternehmenskultur zu stärken. So stellen wir sicher, dass wir Hosta kontinuierlich voranbringen.

Sie sind bereit, höhere Preise für Kakao zu zahlen, um die Qualität zu halten. Sie nennen als Beispiel echte Schokolade für Nippon. Damit sich das für Hosta rechnet, müssen Sie den Handel überzeugen, mitzuziehen. Wie wollen Sie das schaffen?
Ja, das wird sich zeigen. Aber wir waren in der Vergangenheit immer ein verlässlicher Partner für den Handel. Unsere Qualität wird geschätzt, sowohl vom Handel als auch vom Endverbraucher. Ich möchte die Kern-DNA unseres Unternehmens nicht wegen der Kakaokrise aufgeben. Natürlich wäre es günstiger, auf Alternativen umzusteigen, aber das würde den Geschmack komplett verändern. Unsere Produkte schmecken so, wie sie sind, und ich möchte das nicht ändern. Das würde gegen meine Prinzipien verstoßen. Ich denke, der Handel wird sich ähnlich positionieren und die Qualität für den Endverbraucher auf dem bekannten Niveau halten wollen.

Der Zuckergehalt von Süßem steht immer wieder öffentlich in der Kritik. Wie reagiert Hosta?
Wir überprüfen regelmäßig unsere Rezepturen. Manchmal merkt man einfach, dass es zu süß wird, und dann reduzieren wir den Zucker. Ich würde aber nie pauschal sagen, dass zum Beispiel Nippon jetzt unbedingt weniger Zucker haben muss. Wenn es geschmacklich passt, ist das in Ordnung, aber nur um „weniger Zucker“ auf die Packung zu schreiben, nein, das strebe ich nicht an.

Wie stehen Sie zu veganer Schokolade?
Ich finde vegane Schokolade eine gute Sache. Mir persönlich schmeckt sie auch. Ich finde das einen tollen Ansatz, solange die Qualität stimmt. Wird die Zutatenliste aber plötzlich ellenlang, bin ich raus.

Wie sieht es mit Alternativen wie Choviva aus, die Schokolade geschmacklich nachbaut?
Wir hatten schon Kontakt mit Choviva, weil wir ein neues veganes Produkt planen. Wir sind noch in der frühen Entwicklungsphase, aber das, was sie bisher für uns gemacht haben, schmeckt schon mal ganz gut.

Am Ende muss es auch Ihnen schmecken?
Deshalb ist die Produktentwicklung direkt bei mir angesiedelt. Ich bin direkte Vorgesetzte. Jede Woche setzen wir uns zusammen. Natürlich besprechen wir die üblichen Themen. Aber mein persönliches Highlight ist immer, wenn sie mit dem Tablett kommen und ich sehe, dass ich wieder etwas probieren darf.

Konzentrieren Sie sich auf Ihre Marke?
Aktuell konzentrieren wir uns ausschließlich auf unsere Marke. In der Vergangenheit haben wir auch Eigenmarken angeboten, generell schließe ich Eigenmarken nicht aus. Natürlich würden wir unsere Kernprodukte nicht als Eigenmarken anbieten. Produkte wie Mr. Tom und Romy sind im Wettbewerbsvergleich bereits sehr attraktiv positioniert. Sollten wir uns wieder für Eigenmarken entscheiden, würden wir sorgfältig abwägen, wie wir Marken- und Eigenmarkenprodukte differenzieren, um preisliche Unterschiede zu rechtfertigen. Letztlich ist es mir wichtig, ein vielfältiges Angebot zu haben, das verschiedene Preissegmente abdeckt.

Welche Produkte könnten als Eigenmarke laufen?
Zum Beispiel Tafelschokolade. Auch Schoko-Nippon könnte wieder als Eigenmarke angeboten werden.

Welches Ziel haben Sie sich für Hosta formuliert?
Ich möchte dahin zurück, wo mein Opa aufgehört hat. Er hat Fondant-Eier und den bunten Puffreis entwi­ckelt. Ich möchte unbedingt wieder an diesen Punkt kommen und sagen können: „Schaut her, wir sind wieder die Ersten, die etwas Neues auf den Markt bringen.“ Ein Beispiel dafür ist unser aktuelles veganes Projekt, bei dem wir innovative Ansätze wie die Technologie von Choviva in Betracht ziehen. Bei der Entwicklung solch innovativer Produkte sind wir voller Energie und Enthusiasmus.

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