Süßwaren Auf die Bühne bringen

Rein, raus: Wochenlang ging es im Lebensmittelhandel nur um die reine Versorgung – und das ganz fix. Erst so langsam ziehen nach einem Pandemiejahr auch die Verkäufe bei den Impuls- und Zweitplatzierungen wieder an. Kunden suchen wieder mehr nach Inspirationen und wollen dazu auch neue Produkte sehen oder testen.

Dienstag, 18. Mai 2021 - Süßwaren
Andrea Kurtz
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Bildquelle: Hersteller

Langsam suche der Kunde wieder nach Abwechslung beim Einkaufen, ist von Kaufleuten überall in Deutschland zu hören. Er wolle endlich auch wieder unterhalten werden sowie neue Produkte finden und testen. „In einer Zeit, in der Oper und Theater geschlossen sind, ist der Supermarkt der Ort für große Auftritte“, erläuterte kürzlich Stephan Grünewald, der Geschäftsführer des Rheingold Salons.

Ein Schub für Impuls- oder Zweitplatzierungen ist nach der langen Pandemie-Durststrecke auch dringend nötig. „In Deutschland sind flächendeckend 25 Außendienstler für das Unternehmen unterwegs; diese haben auch in den vergangenen Corona-Monaten die Handelskunden auf der Fläche unterstützt – meist kontaktlos, einfach nur rein und rasch wieder raus“, berichtet beispielsweise Michael Temel, Geschäftsführer von Eigenmarken-Distributeur Gunz. Leider sei diese Emotionslosigkeit auch sichtbar bei den Zweit-und Aktionsplatzierungen, bedauert er. Bei den Verbrauchern habe der Kaufimpuls gefehlt, beim Handel die Zeit, über die reine Versorgung dem Kunden ein Erlebnis zu bieten. „Die Leidenschaft für Sortimente und Produkte hat doch sehr gelitten“, sagt Temel.

Die Stunde für attraktive Impulsplatzierungen oder Aktionen ist offenbar gekommen. Dabei fassen Experten wie Grünewald das Thema Aktivierung der Kunden sehr weit und rechnen auch „kompensatorische Zuwendungen wie zum Beispiel Kundenbindungsprogramme“ (Grünewald), Aktionspreise, Produktproben oder Coupons hinzu. Dabei wird deutlich: Ohne die enge Verzahnung von Displays oder anderen PoS-Tools mit Onlineaktivitäten ist eine Produktneueinführung kaum noch denkbar.

Der Kunde will sparen
Vor allem die finanziellen Anreize ziehen derzeit beim Kunden (siehe Grafik und Kasten). Ein Beispiel aus der Tiefkühlbranche zeigt dies detailliert: 79 Prozent der Befragten einer Shopperstudie von Pommes-Spezialist McCain bevorzugen Promotions mit einer Preisreduktion. 67 Prozent favorisieren Coupons, dicht gefolgt von denjenigen Kunden, die auf „mehr Inhalt“ achten (66 Prozent) oder „3 für 2“ reizvoll finden (62 Prozent). Zugabeartikel sind für 57 Prozent attraktiv, 44 Prozent wollen verkosten – und nur 29 Prozent lieben Gewinnspiele.

Die Hersteller reagieren darauf. „Verkaufsfördernde Zweitplatzierungen am Point of Sale, Coupon-Aktionen und Gewinnspiele, reichweitenstarke Social-Media-Auftritte und Influencer-Kooperationen sowie Google-Ads-Kampagnen – auch 2021 unterstützen wir den Handel mit zahlreichen Promotions“, heißt es beispielsweise beim Distributeur Genuport. Dabei wollen die Norderstedter mit einem Mix aus Online- und Offlinekommunikation eine breite Zielgruppe ansprechen sowie Markenbindung und Abverkauf stärken. So wurden für das Gebäck Kambly und die Brotaufstrich-Range Rigoni di Asiago Rabatt-Coupons für einen beziehungsweise 1,50 Euro kreiert: für den Digestive-Keks McVitie’s sowie für die Sportlermarke Multipower gibt es Cashback-Aktionen, bei denen das Geld für den Keks beim Onlinehochladen des Kassenbons erstattet wird.

Dabei steigen laut einer Arcado-Studie (siehe Kasten) in einigen Warengruppen auch die Rabattsummen. Bei Salzgebäck/Snacks zeigen sich beispielsweise plus 93 Prozent (von 0,43 auf 0,83 Euro).

Aktions-Trend: Pos geht digital
Was in diesem Jahr zieht, hat Genuport in seinem Promotions-Blumenstrauß umgesetzt. Denn es kommt immer mehr darauf an, die Kunden am PoS auf Aktionen in der Online-welt aufmerksam zu machen – um spielerisch und unterhaltend Kunden zu gewinnen. Bei „On Tour mit Marabou“ fokussieren die Norderstedter die Urlaubsträume der Kunden und den Wunsch, bald wieder durch die Welt zu reisen. Dabei integriert das Unternehmen die Online-welt: Bis Ende Mai findet auf der Markenwebsite das Gewinnspiel für eine Camper-Reise statt. Die Kombination von Digitalkampagnen, die am PoS angekündigt werden, ist ohnehin fast die Regel: Bei #ReadyForTeamDaim gibt es bis Ende Juni Displays, die auf die wöchentliche Verlosung von mit Daim gefüllten Rucksäcken aufmerksam machen. Zusätzlich wird in den sozialen Medien dazu aufgerufen, an einer Trickshot-Challenge (den perfekten, eigentlich unmöglichen Wurf zu realisieren – so, dass ein Daim, das aus zehn Metern Entfernung geworfen wird, direkt in der Hand landet) teilzunehmen.

Gaming ist ohnehin offenbar der nächste Trend, um die Kunden zum PoS zu ziehen. Auch Dr. Oetker’s All American Pizza hat bis Ende Juni Gaming-Preise im Wert von bis zu 100.000 Euro (zum Beispiel mit 50 Gaming-Laptops von XMG oder Headsets) ausgelobt, die bei einem E-Soccer-Turnier mit bekannten Streamern gewonnen werden können. Außerdem gibt es Rabatt-Coupons für alle Promotion-Teilnehmer. Bei dem Turnier wird über eine Spielzeit von bis zu 64 Stunden um ein Preisgeld in Höhe von 2.200 Euro gekämpft.

Bei der Verbindung PoS-Aktionen und digitalen Maßnahmen liegt der Einsatz von Influencern nahe. Eine Reihe von Herstellern binden sie bereits ein.

Kooperation mit Influencern
Der Südtiroler Waffelspezialist Loacker beispielsweise will mit Back-Influencerin Kathrin Runge (www.backenmachtgluecklich.de) bis Juli seine Sichtbarkeit im deutschen Lebensmitteleinzelhandel ausbauen. Die Zweitplatzierungskampagne mit dem Titel „Natürlich backen mit Loacker“ will dazu anregen, Loacker-Waffeln nicht nur pur zu genießen, sondern auch zum Backen zu verwenden. Hierfür kann ein Rezeptbuch direkt über den QR-Code auf dem Deko-Kit heruntergeladen werden. „Zudem erhalten die Verbraucher beim virtuellen Blättern durch das Rezeptbuch Insights rund um die Gewinnung der Zutaten sowie eigens initiierte Projekte wie das Cocoa Farming Program in Ecuador und der Elfenbeinküste oder Partnerschaften mit toskanischen Haselnussbauern“, so Loacker-Brand-Manager Mohammed Bahlaouane.

„Die Medienwelt verändert sich kontinuierlich, damit steigen auch die Marketing-Herausforderungen für Unternehmen“, erklärt Josef Stollenwerk, Vertriebsleiter Manner. Die Wiener tragen diesem Umstand mit einem Kunden-Club Rechnung, der in Zusammenarbeit mit dem Direct-to-Consumer-Anbieter Kjero entstanden ist.

Kunden-Clubs als Probierformat
Den Club gibt es seit Mai 2020 in Österreich und Deutschland, mit bereits 16.000 Mitgliedern in Deutschland (Stand Januar 2021). Zu den Club-Aktivitäten in Deutschland gehörten, passend zum Fahrradboom 2020, Radfahren mit Manner. Weitere Aktionen waren die Gewinnspiel-Schätzfrage, die Backwoche, Manner-X-Mas und aktuell eine Reihe von Samplings. In einer Botschafterkampagne im Mai 2020 wurden von 98 Prozent der 1.000 Tester die Manner-Knuspino-Sorten weiterempfohlen; im September 2020 haben weitere 1.000 die neuen Zarties getestet und 99 Prozent haben sie weiterempfohlen. Insgesamt wurde so eine Bruttoreichweite in Deutschland von mehr als 12,2 Millionen Kunden erreicht.

„Der Manner-Club ist für den Verbraucher eine perfekte Plattform, die Marke und unsere Produkte besser kennenzulernen“, sagt Stollenwerk und kündigt den Ausbau in den nächsten Jahren an: „Gerade während der aktuellen Kontaktverbote sind solche Direct-to-Consumer-Aktivierungen ein hervorragendes Substitut für Marketing-Aktionen direkt am Konsumenten wie beispielsweise Verkostungen im Handel, Events oder Roadshows.“

Ohne die klassischen Pappkameraden wie Aufsteller, Boxen oder Regale, über die der Kunde direkt am PoS, meist vor den Kassen, aber derzeit auch gern schon im ersten Drittel des Marktes „fällt“, würde dem Kaufmann vor Ort aber ein wichtiges Hilfsmittel zur Präsentation fehlen.

Das gute alte Display
In einer Studie, die Knabberartikel-hersteller Intersnack gemeinsam mit Edeka Gebauer und GS1 Germany durchgeführt hatten, zeigten sich Umsatzsteigerungen von 32 Prozent allein durch die richtige Platzierung eines Displays. Im Rahmen einer Studie in 19 Supermärkten kamen Redbull und die Unternehmensberatung Plan + Impuls zu einem ähnlich faszinierenden Ergebnis: 47 Prozent der Kunden suchen geradezu nach Displays, weil sie damit günstige Preise oder Rabatte verbinden. „Das Aufstellen des Displays allein entfaltet schon eine verkaufsfördernde Wirkung“, so Sabine Müller, Category Managerin bei Red Bull. Auf einer Aktionsfläche betrage die Umsatzsteigerung gegenüber dem Verkauf ohne Display 62 Prozent.

Schnelldreher zeigen
Bestes Beispiel dafür ist die Einführung der Corny-Energy-Einzelriegel (als Multipack schon mehrfach ausgezeichnet), bei denen auffällige Schaukartons das moderne Design des „Kaffees zum Abbeißen“ aufgreifen. „Wir haben das Displaykonzept vorab innerhalb einer qualitativen Marktleiterbefragung und eines quantitativen Markttests zusammen mit unserer PoS-Agentur G.V.K. aus Lüneburg getestet, um uns so den Themen ‚platzsparende Konstruktion‘, ‚optimale Shopperansprache‘ und ‚schnelldrehende Sortierung‘ zu nähern, erläutert Carolin Kelling, Trade Marketing Manager bei Schwartauer. Diese Ergebnisse würden nun für den Reinverkauf genutzt, so Kelling weiter: „Zudem haben wir auch unterschiedliche Platzierungsstandorte im Markttest überprüft, und am schnellsten hat sich die Impulsplatzierung im Eingangsbereich bei den Convenience-Produkten und in der Vorkassenzone abverkauft.“

Natürlich wird der Launch zudem durch klassische Pressearbeit, Couponing- und Sampling-Aktionen sowie reichweitenstarke Kommunikation auf den markeneigenen Social- Media-Kanälen unterstützt. Ein weiteres Plus ist die konsequente Preispositionierung: Mit 99 Cent je Riegel will das Unternehmen in diesem sonst eher hochpreisigen Wettbewerbsumfeld gerade für Impulskäufe besonders reizvoll sein.

Aktionsstandort im Blick
Und noch ein Argument für die richtige Platzierung von Aktionsflächen: „Wenn wir Märkte modernisieren, verorten wir Süßwaren im ersten Drittel, gleich hinter Obst und Gemüse, oft mit Aktionsfläche“, erklärt Benjamin Löding, der beim Groß- und Einzelhandelsunternehmen Max Lüning den Süßwareneinkauf verantwortet. So ergäben sich gute Cross-Platzierungen, die Innovationen sehr helfen würden. Red-Bull-Fachfrau Sabine Müller hat sogar beobachtet, dass sich im ersten Drittel eines Marktes Multipacks besser abverkaufen – wahrscheinlich weil der Kunde da noch Luft im Geldbeutel und im Einkaufswagen hat.

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