Süßwaren Kunden unter Einfluss

Süßwaren- und Snackhersteller setzen vermehrt Blogger und Influencer ein. Dabei geht es zum Einen um die direkte Vermarktung von Produkten, zum Anderen um das, was nicht konkret messbar ist, aber viel fürs Image tut.

Montag, 14. Dezember 2020 - Süßwaren
Andrea Kurtz
Artikelbild Kunden unter Einfluss
Bildquelle: Getty Images

Handelsunternehmen wie Edeka, Globus und dm tun es; Hersteller wie Mondelez, Griesson – de Beukelaer, Loacker oder Dr. Karg tun es: Sie setzen auf Influencer-Marketing. Immer mehr Unternehmen entdecken die Kraft der eher indirekten Marketingmaßnahmen, die zwar eher aufs Image als auf direkte Verkäufe zielen, diese aber erfreulich ankurbeln können. „Influencer-Marketing gewinnt weltweit an Gewicht. Wichtig für die erfolgreiche Zusammenarbeit ist aber immer die richtige Auswahl der Partner“, sagt Mohammed Bahlaouane, Brand Manager Loacker Deutschland. Laut einer aktuellen Studie des Bundesverbands der Digitalen Wirtschaft (BVDW) nehmen Verkäufe durch Influencer-Marketing 2020 noch einmal zu. Danach hat mehr als jeder fünfte Deutsche (21,6 Prozent) schon einmal ein Produkt gekauft, weil er es zuvor bei einem Influencer gesehen hat. In der Vorjahresstudie 2019 lag der Wert bei 19 Prozent. Davor noch bei 16 Prozent. Der Wermutstropfen: Der Anteil derer, die sich an Werbung durch Influencer stören, ist ebenfalls leicht gestiegen. „Influencer haben sich als Tool im Marketing-Mix etabliert“, bestätigt Anke Herbener, die Vizepräsidentin des BVDW ausdrücklich. „Ihr positiver Einfluss auf den Abverkauf ist mittlerweile nachweisbar, und die meisten großen werbungtreibenden Unternehmen setzen bereits seit Jahren auf Influencer.“ Für Dr. Karg, den Hersteller von Knäckebrot und Vollkorn-Snacks aus dem fränkischen Schwabach, helfen Influencer vor allem bei der Markenbekanntheit. „Sie sind ein Tool, um schnell gute Reichweiten zu erzielen“, sagen Caroline Mücke und Verena Heyder, die für das Markenmanagement bei Dr. Karg verantwortlich sind. Außerdem schätzen sie den positiven Einfluss aufs Image. „Die Positionierung der Produkte in einem Kontext beziehungsweise in einer Anwendungssituation ist eben keine reine Werbung, sondern schafft Mehrwert durch ein individuelles Umfeld. Und wir sehen eine Zunahme unserer Followerzahl während der Postings“, so Mücke.

Die Wahrnehmung von Influencern ist insgesamt groß. Mehr als ein Viertel (26,4 Prozent) aller Befragten gibt an, mindestens einmal pro Tag einen Influencer auf einem digitalen Kanal zu sehen. 23,8 Prozent sehen Influencer mindestens monatlich. 14,7 Prozent nehmen sie seltener wahr, und knapp ein Drittel (31,4 Prozent) gibt an, nie mit Influencern in Kontakt zu kommen. Die Wahrnehmung wirkt sich direkt auf den Verkauf von durch Influencer beworbene Produkte aus: Denn 47,8 Prozent derer, die mindestens wöchentlichen Kontakt zu Influencern haben, haben auch bereits entsprechende Produkte gekauft.

Junge Kunden im Visier
Das Alter der Kunden spielte bei der Befragung eine große Rolle. Denn diese sind jung: Ganze 52,6 Prozent der 16- bis 24-Jährigen sagten aus, dass sie bereits ein durch Influencer beworbenes Produkt gekauft haben. Bei den 25- bis 34-Jährigen sind es nur noch 39,5 Prozent und bei den 45- bis 54-Jährigen nur noch weniger als jeder Zehnte (7,5 Prozent).

Vorteil: Glaubwürdigkeit
Erstmals abgefragt wurde in der BVDW-Studie, ob Influencer-Marketing glaubwürdiger sei als klassische Werbung wie TV, Radio oder Zeitung. Mehr als die Hälfte (51,2 Prozent) der jungen Erwachsenen findet Influencer glaubwürdiger, aber nur 10,7 Prozent der 55- bis 64-Jährigen stimmen dem zu.

Auf die Frage, ob Influencer-Marketing glaubwürdiger ist als klassische Werbung, antworteten mehr als zwei Drittel (67 Prozent) mit Nein. 7,5 Prozent sagten Ja, Influencer-Marketing sei glaubwürdiger, und 19,5 Prozent sagten, es sei „ein bisschen“ glaubwürdiger. Dabei zeigen sich wieder deutliche Unterschiede bei den Altersklassen. 44,2 Prozent der 16- bis 24-Jährigen sagen, dass Influencer-Marketing nicht glaubwürdiger sei als klassische Werbung. Aber bei den 45- bis 54-Jährigen sagen dies ganze 76,8 Prozent, bei den 55- bis 64-Jährigen sogar 85 Prozent. Marco Zingler, ebenfalls Vizepräsident des BVDW, erläutert: „Das belegt, dass vor allem ältere Generationen eher skeptisch gegenüber neuen Medien und Influencern sind. Aber gerade die Jüngeren empfinden Werbung durch Influencer als glaubwürdiger als klassische Werbung. Mehr als die Hälfte, 51,2 Prozent, der Jüngeren stimmen dem zu.“

Große Bedeutung kommt dabei vor allem auch unbekannteren Bloggern oder Youtubern zu. Jemand mit „nur“ 50.000 Followern kann gerade bei Gesundheit oder solchen Themen, die eine spezielle Expertise erfordern, wesentlich authentischer rüberkommen als ein großer Star. Das Gleiche gilt auch für Köchinnen oder Bäckerinnen.

Achtung: Kennzeichnungspflicht
Werbung durch Influencer stört 23,8 Prozent der Deutschen. Im vergangenen Jahr lag der Wert mit 22 Prozent etwas darunter. Dennoch sagt weiterhin eine große Mehrheit, dass sie mit der Werbung kein Problem hat. Mehr als ein Viertel (27,1 Prozent) sagen, dass sie sich nicht an den Produktempfehlungen stören, und 43 Prozent sagen aus, dass sie sich nicht daran stören, solange Werbung als solche gekennzeichnet ist.
Seit mehreren Jahren müssen sich Gerichte mit der Frage befassen, wie Werbung durch Influencer in Social Media gekennzeichnet werden muss. Dabei sind teils widersprüchliche Urteile entstanden sowie die Diskussion, was überhaupt als „Werbung“ definiert wird.

Rezepte als Kaufanreiz
Eindeutig ist die Rechtslage im Bereich Rezepte. Deswegen werden gern bekannte Blogger eingesetzt, die dann mit den Produkten eines Unternehmens kreativ werden können. Ein Beispiel dafür ist Kathrin Runge von backenmachtglücklich.de, die für Waffelhersteller Loacker zur Rührschüssel greift. „Wir sind sehr zufrieden mit der Zusammenarbeit“, betont Mohammed Bahlaouane von Loacker. Das Content-Konzept des Blogs, aber auch die Persönlichkeit der Bloggerin „als Zweifach-Mama und Familienmensch“ passten hervorragend zum Familienunternehmen Loacker, beschreibt er weiter, gerade weil der Einsatz von guten, natürlichen Zutaten für sie an oberster Stelle stehe. Diese Parallele hält Bahlaouane für enorm wichtig bei der Zusammenarbeit mit einem Blogger. Diese sei langfristig angedacht, wie es das Unternehmen auch bei seinen Lieferanten für italienische Haselnüsse, Vanille aus Madagaskar oder den regionalen Milchlieferanten aus dem Alpenraum pflege. „Kathrin ist für uns mehr als eine Backbloggerin, sie ist unsere Markenbotschafterin“, sagt Bahlaouane.

Aktuell läuft bei Loacker eine zeitlich begrenzte Influencer-Kampagne mit verschiedenen Influencern, deren Erfolg im Anschluss gemessen werden soll.

Der Hype: gesunde Ernährung
Dr. Karg setzt auf Micro-Influencer mit zwischen 1.000 und 100.000 Followern, da diese für das Unternehmen eine höhere Authentizität und Glaubwürdigkeit haben und einen engeren Bezug zu ihrer Community als Macro-Influencer (Star-Influencer). Wichtig sei auch, ob in deren Blog, auf Instagram oder Facebook die passenden Themenschwerpunkte behandelt werden, beispielsweise bewusste Ernährung oder Outdoor-Aktivitäten. „Das ist vor allem für unsere Vollkorn-Snacks wichtig“, erklären die Markenmanagerinnen Caroline Mücke und Verena Heyder. Zuvor prüfen die Schwabacher die Influencer gründlich. „Nach der Auswahl senden wir den Influencern ein Testpaket. Nur wenn Sie von unseren Produkten wirklich überzeugt sind, werden anschließend die Details zur Kooperation besprochen. Um die Recherche und Kontaktaufnahme kümmern wir uns größtenteils selbst“, beschreibt Heyder den Auswahlprozess. Dabei gibt es einen Anforderungskatalog, etwa den Posting-Zeitraum oder das Post-Format wie zum Beispiel Insta-Post, Story oder Blogbeitrag. „Zusätzlich geben wir abgestimmt zu unserem Marketingplan ein Kampagnenthema vor“, ergänzt Mücke und erklärt: „Dieses können die Blogger/Influencer dann kreativ für sich interpretieren. Man sollte Bloggern nicht zu viele Vorgaben machen, sondern lediglich einen Rahmen vorgeben.“

Kosten genau prüfen
Kosten werden ins Verhältnis zur Followerzahl, aber auch zur Engagement-Rate (Likes, Kommentare) gesetzt, beschreibt es Caroline Mücke von Dr. Karg. Bei Letzteren sehe man, wie eng der Influencer mit seiner Community verbunden sei. „Das ist der Indikator dafür, wie gut die Fans dem Blogger vertrauen“, ergänzt ihre Kollegin Heyder. „Außerdem sind Kosten natürlich abhängig vom gewünschten Kooperations-Format: Einen Blogbeitrag zu verfassen ist wesentlich aufwendiger als einen Insta-Post.“ Grundsätzlich gebe es unter den Bloggern oder Influencern keine klare Kostenstruktur. „Die Kosten unterscheiden sich teilweise noch sehr stark, das muss man dann für sich bewerten und auswählen“, betont Heyder.

Gut: Bezug zur Fläche
Besonders gelungen – vor allem in Bezug auf die Erhöhung der Abverkäufe – sind Aktionen mit Influencer-Promis, die dann auf der Fläche fortgesetzt werden und Kunden so direkt in den Laden ziehen. Griesson – de Beukelaer (GdB) konnte Online-, Print- und PoS-Aktivitäten mit Blogger und Sportler Jan Körber verbinden. Für Leicht & Cross ist Körber seit 2018 Gesicht der Kampagne „Wie cross ist das denn?“ und gibt online, im TV und in Advertorials in Publikumsmedien Tipps für mehr Balance im Leben. Gemeinsam mit einem Radiosender wurde auch ein Event mit ihm veranstaltet, Samplings inklusive. „Mit Fitness-Influencer Jan Körber als Kampagnengesicht sprechen wir vor allem junge, ernährungsbewusste Verbraucher an“, so Martin Schulz, Leiter Marketing bei GdB.

Was Griesson – de Beukelaer auf lokaler Ebene geschafft hat, konnte Parfümeriehändler Douglas durch die Zusammenarbeit mit Model und Influencerin Bella Hadid toppen: Bei einem Auftritt der Amerikanerin in der Frankfurter Filiale musste die Zeil kurzfristig gesperrt werden, weil der Andrang zu groß wurde.

Radikalität erlaubt
Influencer dürfen auch, was in anderen Kanälen als No-Go gilt: Sie dürfen radikal sein, sie dürfen provozieren und negative Gefühle besetzen. Dies zeigt ein Beispiel aus einer anderen Branche: Der Instagram- und Youtube-Fitness-Influencer @inscopenico hatte zusammen mit der nachhaltigen Fischmarke Followfish (Teil der Followfood-Bewegung) einen Social-Media-Shitstorm initiiert, der die Menschen darauf aufmerksam machen sollte, ihren Lebensmittelkonsum zu hinterfragen.

Eine Baby-Delfin-Attrappe aus dem 3-D-Drucker in einer vermeintlichen Kochaktion des Influencers führte zu Tausenden von Hasskommentaren, Entfreundungen und Social-Media-Kommentaren.

Die Shitstorm-Aktion war Teil der Followfood-Kampagne „Was wir essen, darf nicht die Welt kosten“. Ziel des Pranks (zu deutsch: Streich) war es, auf die Überfischung der Ozeane und die Gefährdung von vielen Fischarten durch Beifang und illegalen Fischfang hinzuweisen. „Der Shitstorm hat gezeigt, wie schnell wir wütend werden, wenn wir dabei zuschauen, wie ein seltener Delfin gegessen wird“, erklärt Jürg Knoll, der Gründer von Followfood. „Dabei trägt jeder von uns dazu bei, dass immer mehr Arten in den Ozeanen aussterben – wenn wir Fisch kaufen, der aus nicht nachhaltigen oder unbekannten Quellen kommt. Knoll bedankt sich ausdrücklich bei @inscopenico, dass er diese emotionale Achterbahnfahrt und Follower-Verluste auf sich genommen hat.

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