Faire Produkte Potenzial für LEH

Der Umsatz mit fair gehandelten Produkten legt in Deutschland kräftig zu. Weltläden stoßen an Grenzen.

Donnerstag, 26. Januar 2012 - Sortimente
Christina Steinheuer
Artikelbild Potenzial für LEH
Bildquelle: Thomas Ecke

Der Verein TransFair feiert in diesem Jahr seinen 20. Geburtstag. 70 Prozent der Verbraucher kennen sein Siegel. Über das Potenzial für den LEH sprach die LP mit dem Staatssekretär im Bundesentwicklungsministerium, Hans-Jürgen Beerfeltz.

Der Anteil fair gehandelter Produkte im Lebensmittel-Einzelhandel in Deutschland liegt unter 1 Prozent. Welche Anreize setzt das BMZ, um diesen Anteil zu erhöhen?
Hans-Jürgen Beerfeltz: Zugegeben, der Anteil fair gehandelter Produkte im LEH ist noch ausbaufähig. Aber, wir verzeichnen in den letzten Jahren eine sehr erfreuliche Entwicklung: 2010 kauften die Verbraucher in Deutschland fair gehandelte Produkte im Wert von 413 Mio. Euro. Das sind stolze 28 Prozent mehr als 2009. Damit das so weiter geht, unterstützen wir u. a. das Forum Fairer Handel, den Weltladen-Dachverband und die Verbraucherinitiative – 2010 mit gut 780.000 Euro. Fairer Handel funktioniert aber nur, wenn die Verbraucher mitmachen, die müssen wir überzeugen. Deswegen setzen wir auf Information und Aufklärung. Es gibt schließlich neben dem Zugpferd Kaffee noch andere fair gehandelte Produkte. Wir brauchen die von uns begonnene Verbreiterungsstrategie für Entwicklungszusammenarbeits-Themen.

Was tut das BMZ konkret für den LEH?
Schauen Sie beim nächsten Kaffeekauf mal genauer hin: Inzwischen finden Sie selbst bei Discountern Kaffee, der nach dem sogenannten 4C Nachhaltigkeitsstandard produziert wird, mit dem die Arbeitsbedingungen und Umweltstandards in den Herkunftsländern nach und nach verbessert werden. Deswegen setzt das BMZ eben auch auf die Zusammenarbeit mit dem LEH – als wichtigem Partner für die Verbreitung von Nachhaltigkeitsstandards. Wir müssen die verantwortliche Wirtschaft für Entwicklung mobilisieren. Da ist noch riesiges, ungenutztes Potenzial. Wir fördern die „Deutsche Initiative für Agrarwirtschaft und Ernährungssicherung in Schwellen- und Entwicklungsländern“ und den Aufbau von gesicherten Lieferketten von der Produktion in den Partnerländern bis zum Verbraucher und sorgen so für die Einhaltung von Lebensmittelsicherheits- und Qualitätsstandards.

Unterstützen Sie auch „faire deutsche Milch“ bzw. faire deutsche Produkte?
Ich persönlich finde solche Initiativen gut, allerdings liegt dieser Bereich nicht in der Zuständigkeit des BMZ, insofern ist das zumindest für unser Haus kein Thema. Aber was wir – weit über uns selbst hinaus, und ich bin persönlich sehr stolz darauf – durchgesetzt haben, ist das endgültige Ende deutscher Beteiligung an Agrarexportsubventionen!
Aus entwicklungspolitischer Sicht ist der Faire Handel wichtig, weil er die Lebenssituation der Menschen in Entwicklungsländern direkt zu verbessern hilft. Er trägt dazu bei, den Produzenten ein höheres Einkommen zu ermöglichen und ausbeuterische Kinderarbeit zu unterbinden. Durch Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen, Gesundheits- und Sozialprojekte erhalten diese bessere Zukunftsperspektiven, nämlich die Chance, sich und ihre Familien eigenständig ernähren zu können.

Die größte Angst der Händler ist mangelnde Rückverfolgbarkeit. Wie ist diese erreichbar?
Eine absolute Sicherheit kann kein Zertifizierungssystem gewährleisten. Aber das Fehlerrisiko kann minimiert werden. Die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) unterstützt z. B. im Auftrag des BMZ den Aufbau von Rückverfolgbarkeitsstandards, auch im Bereich Agrargüter. Uns beschäftigen auch gentechnikfreie Lebensmittel und Spielwaren: Die GIZ arbeitet zusammen mit Schleich Spielwaren in einer public private partnership an der Umsetzung eines Rückverfolgbarkeitssystems für Spielwaren aus China.

Gibt es im BMZ fair gehandelte Produkte?
Ja, wir versuchen mit gutem Beispiel voranzugehen. Unsere Gäste werden nach Möglichkeit mit fair gehandelten Lebensmitteln bewirtet – Kaffee, Tee, Säfte und auch mal Schokolade. In unserer Bonner Kantine bieten wir ebenfalls fair gehandelte Produkte an. Unser Getränkeautomat in Berlin brüht ausschließlich fairen Kaffee auf. Auch Blumen beziehen wir aus fairem Handel.

Das Umsatz-Gros wird in Welt-Läden gemacht, der Absatzkanal ist jedoch klein. Hat der LEH nicht mehr Potenzial?
Der Absatzkanal Welt-Läden ist klein, und die Geschäfte können ihr Absatzvolumen schwerlich halten. Wir freuen uns, dass Einzelhändler wie Aldi, Lidl oder auch Tchibo eigene Fair-Handels-Initiativen entwickelt.

Bild: "Absolute Sicherheit kann kein Zertifizierungssystem bieten", Hans-Jürgen Beerfeltz, Staatssekretär des Bundesministeriums für wirtschaftlliche Zusammenarbeit und Entwicklung.

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