Backwarenmarkt im Wandel Was der Rewe-Rückzug aus der Brotproduktion bedeutet

Das geplante Aus der Rewe-Eigenproduktion von Brot und Backwaren sowie die stärkere Zusammenarbeit mit Großbäcker Harry-Brot verändern den Markt. Ein Blick auf das Geschäft.

Mittwoch, 26. Februar 2025, 06:40 Uhr
Susanne Klopsch

Die Rewe-Group zieht sich ganz aus der Backwarenproduktion zurück. Stattdessen kann Harry-Brot eine Rewe-Bäckerei übernehmen, eine neue Großbäckerei bei Hanau bauen und wird ein starker Zulieferer für das Kölner Handelsunternehmen (Harry-Brot-CEO im Interview). Die Expansion der Norddeutschen nach Süden geht mit großen Schritten voran.

Die Rewe-Group hätte sehr viel Geld in die Modernisierung ihrer Frankfurter Bäckerei stecken müssen: „Hohe Investitionen im dreistelligen Millionenbereich wären hier alleine für neue Produktionstechnologien notwendig gewesen“, sagte Hans-Jürgen Moog, Vorstand Ware und Einkauf. Ohne Neubau. Er sprach zudem von „grundsätzlichen Limitierungen eines Eigenbetriebes im Hinblick auf die Kunden-Akquise“.

Das alles zusammen sind gute Gründe für diesen Schritt. Denn die backende Branche ist in einem tiefgreifenden Wandel. Und wird es bleiben. So haben sich die Kundenströme für Brot und Backwaren im Zuge der Pandemie stark verändert. Vor allem 2020 und 2021 hatten die Bundesbürger aus hygienischen Gründen Bedenken, sich an einer Backstation mit frischen Brötchen und Co. einzudecken. Aufbackware und gut zu bevorratende Produkte aus dem SB-Regal profitierten. Die Kunden lernten aber auf diesem Wege auch, dass die Produkte aus dem SB-Regal schmecken, die Qualität stimmt.

Gleichzeitig war es auch die Hochzeit der Handwerksbäcker und der Bäcker in den Vorkassenzonen des Handels. Man wollte sich ja schließlich etwas gönnen, wenn Kinobesuche, Reisen und Essengehen schon nicht mehr möglich waren.

Doch dann kam der Ukraine-Krieg 2022. Steigende Preise überall, die Bundesbürger waren tief verunsichert. Die Produkte beim Handwerks- oder Filialbäcker triggerten jetzt die Preisschmerzpunkte der Kunden – diese fanden 2023 erst langsam, dann immer stärker den Weg zurück an die Backstationen des Handels. Und sie werden bleiben. Das sagen zumindest Branchenexperten gegenüber der Lebensmittel Praxis. „Die Basics nehmen uns die Kunden inzwischen ab, jetzt kommt es darauf an, sie mit hochwertigen Zutaten und handwerklich anmutenden Produkten auf Dauer an die Backstation zu binden“, sagte ein Hersteller.

Intensiv in Technik investiert

Die Branche investierte in den vergangenen Jahren in die Automatisierung der Backlinien. Nicht zuletzt wegen der gestiegenen Energiekosten und des Fachkräftemangels. Gleichzeitig wurden die Rezepturen verbessert – Stichworte sind lange Teigführung, Produkte auf Basis von Sauerteig, Produkte, die nach Handwerk aussehen. Diese Entwicklung spüren inzwischen nicht nur die Handwerksbäcker. Branchenbeobachter sprechen hinter vorgehaltener Hand schon von der „Vorkassenbäcker-Krise“.

In der Menge schrumpft der Brotmarkt für Lebensmitteleinzelhandel (LEH) und Drogeriemärkte (DM) seit Jahren. Die Discounter standen 2024 für 47,5 Prozent des rund 3,7 Milliarden Euro schweren Marktes für Brot und Aufbackware (LEH + DM; 2024 bis 29.12.2024 ggü. Vorjahresperiode; Quelle: Nielsen IQ). Die Shootingstars quer über alle Vertriebslinien bei Absatz und Umsatz: neben der Aufbackware Brötchen und Ganzbrot. Eben die klassischen Bäckereiprodukte. Bei Aldi sogar vom echten Handwerksbäcker.
Angesichts der allgemeinen Verunsicherung muss man kein Prophet sein, um zu postulieren, dass der Preis bei Konsumenten weiter zentral sei wird. Auch beim Brot. Die Rewe-Group hat mit ihrem auf künstlicher Intelligenz (KI) basierenden Projekt „Assistiertes Backen“ den Grundstein gelegt für Kostenkontrolle und Bewältigung des Personalmangels (s. auch LP 16/2024). Bis 2028 sollen die Backstationen der Rewe-Märkte technisch zentral vernetzt sein, KI steuert die Backöfen, Backprogramme werden digital optimal an Kundenbedürfnisse angepasst. So können auch ungeübte Mitarbeiter den Ladenbackofen bedienen – mit immer gleich guten Backergebnissen und signifikant reduziertem Wareneinsatz. Eine Investition in die Zukunft, für die nun mehr Mittel frei sein dürften.