Interview Künstlich verknappt? Warum Fisch so teuer ist

Fisch ist teuer geworden. Julia Steinberg-Böthig vom Fisch-Informationszentrum über die Ursachen – und die Folgen.

Freitag, 03. Januar 2025, 06:40 Uhr
Jens Hertling
Warum Fischpreise steigen: Julia Steinberg-Böthig
Julia Steinberg-Böthig ist Referentin für PR & Kommunikation beim Fisch-Informationszentrum (FIZ). Bildquelle: Fisch-Informationszentrum

Liegt Fisch auch weiterhin im Trend?
Julia-Steinberg-Böthig: Fisch ist angesagt und das aus guten Gründen. Erstens der Gesundheitsaspekt: Fisch ist ein wertvoller Eiweißlieferant, reich an Omega-3-Fettsäuren, Vitaminen und Mineralstoffen. Zweitens das Thema Nachhaltigkeit: Verbraucher interessieren sich zunehmend für nachhaltige und regionale Produkte. Viele achten darauf, woher der Fisch kommt, wie er gefangen oder gezüchtet wurde und entscheiden sich bewusst für Fisch aus verantwortungsvoller Fischerei oder Aquakultur. Zertifikate wie MSC und ASC bieten hier eine wichtige Orientierung. Drittens die Vielfalt der Zubereitungsarten: Trendgerichte wie Sushi, Lachsbowls oder die schnelle Alltagsküche mit Fisch sind beliebt. Auch der Convenience-Faktor spielt eine Rolle, denn sowohl frischer Fisch als auch hochwertige Tiefkühlware lassen sich einfach und schnell zubereiten.

Welche Fischarten verkaufen sich in Deutschland besonders gut?
An erster Stelle steht nach wie vor der Lachs, gefolgt von Alaska-Seelachs und Thunfisch. An vierter und fünfter Stelle stehen Hering und Garnelen. Bei den Produktkategorien stehen Fischkonserven und Marinaden vor Tiefkühlprodukten an erster Stelle. Es folgen Krebs- und Weichtiere, Frischfisch und sonstige Fischereierzeugnisse wie Salzhering oder Matjes.

Statistisch gesehen ist Fisch im letzten Jahr um 8 Prozent teurer geworden. Was sind die Gründe dafür?
Das sind vor allem die gestiegenen Energiekosten für die Verarbeitung in Deutschland, die hohen Frachtraten und der Dollarkurs. Ein weiterer wichtiger Faktor sind die gestiegenen Rohwarenpreise. Beispielsweise beim Atlantischen Lachs, den wir hauptsächlich aus Norwegen beziehen. Lachs ist eines der beliebtesten Fischprodukte, weil er in vielen Formen gut ankommt - ob als frisches Filet im Discounter oder in der gehobenen Gastronomie. Norwegen ist der weltweit größte Produzent und unser Hauptlieferant. Die Norweger haben in den vergangenen zwei Jahren aber große Probleme gehabt, ihre Exportmengen von rohem, unverarbeiteten Lachs stabil zu halten. Die Folge waren eine massive Verknappung der Rohwarenverfügbarkeit und folglich erheblich gestiegene Marktpreise. Über die Ursachen für die Warenverknappung mutmaßen Insider zum Einen über unterwartete Produktionsausfälle im Zusammenhang mit den hohen Sommertemperaturen in norwegischen Fjorden. Andere sehen darin aber eher eine künstliche Angebotsverknappung, die den norwegischen Fischverarbeitern einen Wettbewerbsvorteil gegenüber der europäischen Konkurrenz einräumen soll.

Legen die Deutschen weiterhin Wert auf Qualität - trotz gestiegener Preise?
Ja, die Deutschen wollen nicht auf Fisch verzichten. Trotz der Preissteigerungen der letzten Jahre lassen sie sich bestimmte Fischproduktgruppen nicht nehmen, was auch auf Gewohnheiten zurückzuführen ist. Seit Anfang des Jahres beobachten wir sogar einen Preisrückgang bei Tiefkühlfisch, was die Verbraucher honorieren, indem sie wieder mehr davon kaufen. Das ist eine klare Reaktion.

Welche Sorgen hat die Branche noch?
Deutschland ist seit jeher stark von Fischimporten abhängig. Seit der Nachkriegszeit importieren wir mehr als die Hälfte unseres Fisches, heute kommen sogar 91 Prozent aus der EU oder anderen Ländern. Das ist grundsätzlich kein Problem. Allerdings sind hohe Frachtraten und ein ungünstiger Dollarkurs erhebliche Kostentreiber, die die Rohware verteuern. Wir verarbeiten hier in Deutschland Fisch, der importiert, vorbearbeitet, filetiert und tiefgefroren wird, oft noch handwerklich oder industriell. Das ist einzigartig. Energiepreise und Automatisierung spielen ebenfalls eine Rolle, vor allem in Bremerhaven, einem wichtigen Standort für die Fischindustrie. Diese Faktoren und der Fachkräftemangel beeinflussen die Preisentwicklung. Vor allem die Frachtraten und die Wechselkurse haben seit Beginn des Ukraine-Krieges zu Preissteigerungen geführt.

Überfischte Meere, umweltschädliche Fangmethoden und problematische Aquakulturen sind große Themen. Was ist Ihrer Meinung nach die Lösung?
Es ist wichtig festzustellen, dass die Meere tatsächlich überfischt sind. Die Welternährungsorganisation geht davon aus, dass circa ein Drittel der weltweiten Fischbestände überfischt bzw. nicht nachhaltig bewirtschaftet sind. Dennoch haben wir in Deutschland den höchsten Anteil an nachhaltig zertifizierten Fischprodukten im Handel, was im europäischen und weltweiten Vergleich sehr gut ist. Nach unserer konservativen Schätzung stammen mehr als 80 Prozent des in Deutschland erhältlichen Fischs aus nachhaltigen Quellen. Diese Produkte sind zertifiziert, wissenschaftlich geprüft und von Auditoren abgenommen, was oft mit einem Preisaufschlag verbunden ist. In der aktuellen Krise hat sich dies als Vorteil erwiesen, da der Handel in Deutschland schon immer auf nachhaltige Ware gesetzt hat.

Welche Strategien entwickelt die EU?
Die EU plant nun, das Niveau im Rahmen von Lieferkettengesetzen und Due Diligence weiter anzuheben. Das begrüßen wir, da wir in Deutschland bereits ein hohes Niveau haben. Wir werden mit dem Handel über Differenzierungsmerkmale sprechen müssen, das wird spannend. Insgesamt haben wir ein sehr gutes Angebot an nachhaltigen Produkten auf dem deutschen Markt. Die Wahrscheinlichkeit, hier umweltschädlich gefangenen Fisch zu finden, ist sehr gering. Insgesamt haben wir also vieles richtig gemacht.

Wie beurteilen Sie den Markt für Fischalternativen?
Echte Alternativen müssten unserer Meinung nach den gleichen Mehrwert bieten wie Fisch. Im Moment sehen wir, dass Produkte mit einer bestimmten Aufmachung auf den Markt kommen und sich an die geschmacklichen und gesundheitlichen Mehrwerte von echtem Fisch anlehnen. In Deutschland ist das durch das Lebensmittelbuch und die Verkehrsbezeichnungen gut reguliert. Der Markt regelt sich hier weitgehend selbst durch Angebot und Nachfrage. Allerdings ist die Nachfrage nach Fischalternativen noch nicht so groß, wie es das Marketing manchmal suggeriert. Wir bewegen uns definitiv noch im einstelligen Prozentbereich und es findet keine nennenswerte Verdrängung von Fischprodukten statt.

Was bedeutet das?
Ich würde sagen, das Grundmotiv ist ähnlich wie bei Fleischalternativen: In bestimmten Lebens- und Zubereitungssituationen entscheiden sich Menschen für eine vegane statt einer tierischen Variante. Bei Produkten, die als Fischalternativen auf den Markt kommen, sehen wir, dass sie oft schnell wieder verschwinden. Start-ups tauchen auf und verschwinden ebenso schnell wieder. Von einer intensiven Konsolidierung sind wir noch weit entfernt. Eine Ausnahme bilden vielleicht Thunfischalternativen aus der Dose oder vegetarischer Thunfisch auf der Pizza, Gemüsesticks oder vegetarische Fischstäbchen. Diese Produkte gewinnen Marktanteile, aber es bleibt abzuwarten, ob sie nachhaltig sind.

Der Ausverkauf der deutschen Fischindustrie an ausländische Unternehmen ist weitgehend abgeschlossen. Was halten Sie davon?
Von einem Ausverkauf würde ich nicht sprechen. Es spielt keine Rolle, ob der Mehrheitseigentümer eines fischverarbeitenden Betriebes Niederländer, Norweger, Isländer oder Deutscher ist. Das hat keinen Einfluss auf die Qualität des Produkts. Die Norweger dominieren den Lachsmarkt und die Isländer sind eine starke Fischereination. Es ist sinnvoll, dass Fang und Verarbeitung oft in einer Hand bleiben. Das ist kein Ausverkauf, sondern eine funktionierende Struktur.

Wo steht der Fischfachhandel in Deutschland?
Wenn wir über den Point of Sale in Deutschland sprechen, stellen wir fest, dass Fisch vor allem beim Discounter gekauft wird. Das ist ein typisch deutsches Phänomen. Ganz anders sieht es zum Beispiel in Spanien aus, wo der Fischfachhandel noch einen Marktanteil von über 20 Prozent hat. Der klassische Fischfachhandel hat hier nur noch einen Marktanteil von sechs bis sieben Prozent bei den privaten Haushalten. Das ist schade, denn diese Geschäfte sind die Anlaufstelle, wenn man sich mit Fisch beschäftigt oder sich etwas Besonderes gönnen möchte.

Wie sieht der Fischmarkt im Luxussegment aus? Was ist mit Kaviar und ähnlichen Produkten?
Wenn wir über Luxus sprechen, würde ich sagen, dass Kaviar schon immer ein traditionelles Nischenprodukt im Luxussegment war, vor allem in der Gastronomie. Hier ist alles erlaubt, um sich zu differenzieren. Es gibt eine breite Palette: von Forellen- und Keta-Kaviar im Einstiegssegment bis hin zu Beluga und Osietra, die für 99 Prozent der Bevölkerung kaum erschwinglich sind. Aber das ist nicht so wichtig. Vielleicht schauen wir mal auf das Weihnachtsgeschäft und die hochwertigen Räucherwaren. Viele Händler können jetzt im eigenen Laden räuchern. Das ist nicht für jeden Markt geeignet, aber es bietet die Möglichkeit, die Rohware selbst auszuwählen und zu veredeln. Ich glaube, dass wir im Fischbereich viele gute Möglichkeiten für Luxuseinstiegsprodukte haben, vor allem im Räuchersegment. Fisch kann Luxus alltagstauglicher machen als andere Fleischkategorien.