Frei von Jagd auf Lifestyle-Kunden

Frei von Gluten oder Laktose ist ja schön und gut, doch viele 
Verbraucher erwarten von diesen Produkten noch ein bisschen mehr. ­Welche Zusatznutzen in dieser Kategorie angesagt sind.

Mittwoch, 17. April 2024, 15:06 Uhr
Hedda Thielking
Artikelbild Jagd auf Lifestyle-Kunden
Bildquelle: Mirco Moskopp

Langeweile dürfte bei der Auswahl an laktose- und glutenfreien Produkten der Vergangen­heit angehören. Schließlich wurde das Angebot an Frei-von-Produkten im Laufe der Jahre ­immer größer, die Rezepturen immer ausgefeilter und der Geschmack immer besser.

Hinzu kommt: Die Kunden werden auch immer anspruchsvoller. Gefragt sind Genüsse ohne Kompromisse, die sich spontan in den Alltag einbauen lassen, bringt es Edeka Zurheide Feine Kost in Düsseldorf auf den Punkt. „Bei uns finden die Kunden nicht nur in den Manufakturen wie in der Nudelmanufaktur oder Patisserie laktose- und glutenfreie Produkte, sondern auch eine breite Range an Produkten in unterschiedlichen Preiskategorien“, berichtet Reza Ghorban, stellvertretende Marktleitung bei Edeka Zurheide.

Auch wenn viele Hersteller nicht nur Menschen mit Milchzucker- und Glutenunverträglichkeiten als Zielgruppe im Visier haben, setzt Dr. Schär in seiner Kundenansprache weiter auf Verbraucher mit besonderen Ernährungsbedürfnissen. „Während wir in dieser Kernzielgruppe ein stetiges Wachstum feststellen, verhält sich die Entwicklung bei den ‚Lifestyle‘-Käufern volatil. Unter anderem ist diese Volatilität den wirtschaftlichen Rahmen­bedin­gungen in den letzten Jahren geschuldet“, stellt Matthias Müller-Thederan, Managing Director bei Dr. Schär, fest.

Bleiben wir zunächst in der glutenfreien Kategorie. „Sie konnte im Jahr 2023 eine positive Umsatz- und Absatzentwicklung verzeichnen. Markenprodukte und Eigenmarken haben sich dabei hinsichtlich Menge und Umsatz vergleichbar entwickelt“, teilt ein Rewe-Sprecher mit. Dr. Schär wächst im Lebensmitteleinzelhandel eigenen Angabe zufolge überproportional zum Markt, sowohl im Absatz als auch im Umsatz. Das Unternehmen hat das Geschäftsjahr 2023 mit einem weltweiten Umsatz von 561 Millionen Euro und damit mit einem Plus von 16 Prozent gegenüber 2022 abgeschlossen.

Bei Alnavit, Anbieter von derzeit rund 70 gluten- und laktosefreien Bio-Lebensmitteln, führte die zurückhaltende Konsumfreude von Bio-Produkten und das wachsende Handelsmarkensortiment im vergangenen Jahr zu einem stagnierenden Absatz und zu einem leichten Umsatzwachstum.

Mehrwert durch Bio und kurze Zutatenliste
Wie anfangs erwähnt entwickeln sich auch Frei-von-Produkte ständig weiter. Das kommt nicht von ungefähr. „Durch die immer individuelleren Ernährungsbedürfnisse spielen zusätzliche Aspekte wie vegan, protein- und ballaststoffreich eine immer größere Rolle“, stellt Romy Schwichtenberg, Leitung Alnavit Vertrieb, fest. Ein Sprecher von Hammermühle ergänzt, dass Rezepturen mit gesundheit­lichem und nachhaltigem Mehrwert stärker gefragt werden. Kein Wunder, dass die Hersteller ihre Produkte entsprechend „aufpeppen“.

Alnavit beispielsweise achtet auf vollwertige Inhaltsstoffe, cleane Rezepturen und bringt derzeit die glutenfreien Bio-Crunchys in den Sorten Hafer, Nuss und Schoko in einer überarbeiteten Rezeptur in die Regale. Dabei enthält die Sorte Schoko eine vegane Alternative zu Zartbitterschokolade.

Auch die Bauck Mühle, Verfechter der biologischen und biodynamischen Landwirtschaft, hat sich das gesamte Müslisortiment vorgeknöpft und dies komplett überarbeitet. Das Ergebnis sind elf neue glutenfreie Produkte. Dazu zählen unter anderem Hafer Müsli Schoko XXL, Hafer Crunchy Beeren, Knusper Zimt Mix mit Apfel und Knusper Zimt Balls. Hinzu kommen Hafer Knusper Müslis in vier Sorten. „Außerdem haben wir die bisherige Linie unserer Hafer Müslis zusammen­gelegt, sodass jetzt alle Sorten glutenfrei und in Demeter-Qualität erhältlich sind – auch jene, die es zuvor nicht waren“, informiert Ralf Hoppe, Direktor Vertrieb und Marketing bei Bauck Mühle.

Mehrwert durch Nachhaltigkeit
Dr. Schär setzt unter anderem auf Nachhaltigkeit und bringt die Schär Meisterbäcker Range, also glutenfreie Schnittbrote aus Hirse und Quinoa, in einer umweltfreundlicheren Verpackung auf den Markt. „Durch die Reduzierung der Folie und die Eliminierung der Einlegeschale konnte der Gesamtkunststoffverbrauch aller Schär-Verpackungen um 15 Prozent reduziert werden“, informiert Matthias Müller-Thederan. Des Weiteren möchte Dr. Schär mit gesundheitlichem Mehrwert punkten und bringt ein Vitaminbrot mit B-Vitaminen und Vitamin E auf den Markt.

Die Hersteller sind sich einig: Neben glutenfreien Frühstücksprodukten bieten auch Convenience- und Snack-Artikel Potenzial. Hammermühle zum Beispiel bedient den Snack-Trend mit veganen Bio Simply Seeds Keksen mit Saaten ohne Mehl, Bio Paprika Salzstangen sowie Laugen Minis und Laugen Sticks. Und Dr. Schär bringt die Crispies in die Regale. Das sind knusprige dünne Chips auf Basis von Erbsen mit Paprikageschmack. Für den Verzehr unterwegs hat Dr. Schär die Notes, hauchdünne Waffeln mit einer cremigen Füllung aus Milchschokolade, im Portionspack entwickelt.

Die Rewe führt derzeit bei allen Rewe-frei-von-Produkten einen Design-Relaunch durch, um die Artikel ansprechender zu gestalten. So können die Kunden am Farbton der Verpackung erkennen, ob es sich um ein gluten- oder laktosefreies Produkt handelt: Glutenfreie Produkte sind in Gelb, laktosefreie Produkte in Lila gehalten.

Ist Hafer glutenfrei?

Anders als einige Getreidearten wie Weizen, Roggen, Gerste oder Dinkel enthält Hafer von Natur aus kein Gluten. „Die Kontroverse, ob Menschen mit Zöliakie Hafer essen dürfen oder nicht, kommt daher, wie Hafer angebaut und verpackt wird“, heißt es bei Dr. Schär. In der Regel werde Hafer neben Weizenfeldern angebaut und nach der Ernte oft in denselben Anlagen verarbeitet. Dadurch können Kreuzkontaminationen entstehen – sei es auf dem Feld oder bei der Verarbeitung und Verpackung. Deshalb kann Hafer Spuren von Weizen enthalten. Da Menschen mit Zöliakie vorsichtig sein müssen, sollten sie nur Hafer und Haferprodukte mit dem Glutenfrei-Logo (durchgestrichene Ähre) verzehren.

Des Weiteren enthält Hafer Avenin, ein Protein, das ähnlich wie Gluten zusammengesetzt ist. Auch wenn die Forschung gezeigt hat, dass für die meisten Menschen mit einer Glutenunverträglichkeit Avenin verträglich ist, kann es in Ausnahmefällen trotzdem Symptome auslösen.
Quelle: Dr. Schär

Laktosefrei, bio und proteinreich
Apropos laktosefrei: Milchzuckerfreie Milchprodukte konnten laut Nielsen im vergangenen Jahr den Umsatz um fast 12 Prozent steigern. Dieser war vor allem preisgetrieben. Der Absatz legte leicht um 1,5 Prozent zu. „Hier spielten die Eigenmarken die dominierende Rolle. Sie verzeichneten im Vergleich zum Vorjahr eine positive Umsatz- und Absatzentwicklung“, berichtet ein Rewe-Sprecher. Wachstumstreiber sind laut Nielsen Eiskaffee, Kochsahne, Fruchtjoghurt und Desserts. Absatzeinbußen mussten dagegen laktosefreie Frischmilch, Butter, Milchmischgetränke, Kefir und Crème fraîche hinnehmen.

Mehrwert ist auch in dieser Kategorie angesagt. So verzeichnet Bio-Milch nach wie vor eine positive Entwicklung. Den Protein-Trend bedient Lactalis mit der Marke Stay Strong. Neu sind die Stay Strong Quark Cremes in der 500-Gramm-Range in drei Sorten. Und Schwarzwaldmilch hat das laktosefreie Sortiment um zwei neue Produkte im Segment der griechischen Joghurts ausgebaut.

Könnten pflanzliche Milchalternativen den laktosefreien Milchprodukten den Rang ablaufen (siehe auch Seite 84)? „Milchprodukte stellen nach wie vor einen wichtigen Bestandteil der Ernährung dar und weisen zudem durchaus Vorteile gegenüber Milchalternativen auf“, teilt Markus Häußler, Marketing Director Lactalis, dazu mit. Milch enthält zum Beispiel von Natur aus viel Calcium. Hinzu komme die attraktive Preisstellung. „So lag der durchschnittliche Normalpreis von pflanzlichen Milch­alternativen im Februar dieses Jahres 28,8 Prozent über dem der laktosefreien Milchprodukte (Circana, LEH total). Laktosefreie Milchprodukte werden deshalb auch in Zukunft eine wichtige Rolle spielen“, ist Markus Häußler überzeugt.

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